Wie eine Wagenburg aus dem Western wirkt die Ansammlung der Fahrzeuge, die sich auf einem Parkplatz in der Nähe des Aasees knubbelt. Es werden wieder zwei Folgen der Reihe Wilsberg gedreht. Mittendrin ein Zelt mit einfachen Biertischgarnituren, der Regen tröpfelt vom Zeltdach, es ist Mittagspause. Unter den Kameraleuten, Beleuchtern, Technikern und anderen Teammitgliedern, sitzen die Schauspielerinnen und Schauspieler, die an diesem Tag drehen. Eine von ihnen ist Patricia Meeden, die seit 2021 als Dr. Tessa Tilker zum festen Ensemble gehört. Wir sind zum Interview verabredet.
Das Wilsberg-Team gibt es schon sehr lange und das in relativ konstanter Zusammensetzung. Fühlst Du Dich inzwischen dort angekommen?
Ich komme mit den Leuten wunderbar zurecht und es war auch gar nicht so schwer anzukommen. Schon von Tag Eins an waren die super nett zu mir. Wir verstehen uns sehr gut, haben ähnlichen Humor, das hilft bei meiner Arbeit sehr. Es wäre schlimm gewesen, wenn hier alle irgendwie Star-Allüren hätten, da hatte ich ein bisschen Angst vor.
Hattest Du vorher tatsächlich Angst vor dieser Aufgabe?
Ja, klar. Vor allem, wenn man in ein fixes Ensemble kommt, das schon so lange besteht. Wird man da überhaupt akzeptiert? Mögen die, was man macht? Ich hatte ja zum Glück diesen einen Film, als Try Out sozusagen, die Folge „Wellenbrecher“. Und da hat es einfach gepasst, alle waren unglaublich nett. Ich habe unsere Crew hinter der Kamera auch sehr ins Herz geschlossen, man fühlt sich einfach wohl und kommt gerne zur Arbeit.
Auch von den schauspielerischen Kolleginnen und Kollegen?
Ja, natürlich. Wir haben wirklich so tolle Gäste gehabt, auch Freunde von mir, die dann plötzlich hier mitspielen.
Wilsberg wird ja nicht nur in Münster gedreht, zum Leidwesen der Münsteranerinnen und Münsteraner, sondern überwiegend in Köln und Umgebung. Gibt es einen Unterschied zwischen den Drehs in Münster und denen in Köln?
Ja, das ist so merkwürdig. Ich habe das Gefühl, wenn ich in Münster ankomme, ist die Welt noch in Ordnung. Vielleicht kann ich das nur sagen, weil ich hier nicht lebe, aber ich mag es wahnsinnig gerne, nach dem Dreh hier spazieren zu gehen. Oder wenn ich am Bahnhof ankomme, und das Hotel ist manchmal eine Stunde weg vom Bahnhof, dann spaziere ich so gerne durch die Altstadt, weil es hier wunderbar ruhig ist. Ich habe irgendwie das Gefühl, es ist eine schöne Mischung aus Studenten und älteren Leuten. Hier herrscht einfach ein guter Vibe. Ich habe auch das Gefühl, dass hier die Luft besser ist. Köln ist aufregend und da ist natürlich auch wahnsinnig viel los. Ich muss allerdings sagen, dass Köln die bessere Zugverbindung nach Hause hat. Immer wenn ich aus Münster abfahren will, heißt es, meine Fahrt fällt aus [lacht].
Zur Rolle der Tessa Tilker. Wie würdest Du die Rolle beschreiben, die Persönlichkeit?
Tessa ist wahnsinnig bedacht auf Gerechtigkeit und sie möchte Menschen helfen. Und sie ist natürlich auch jemand, die ihren Job richtig machen will und dann gibt es halt diesen Wilsberg, der sie immer in irgendwelche Sachen reinzieht, die nicht immer so auf der Seite des Rechts sind. Aber da sie ihm eben helfen möchte und überhaupt Menschen helfen will, die sich keinen teuren Anwalt leisten können, gerät sie immer so dazwischen. Das heißt aber einfach nur, dass ihr Freundschaft wahnsinnig wichtig ist,dass sie sich so wohl fühlt mit Ekkie und mit Wilsberg. Sie hat ja auch kein richtiges Privatleben und ich habe manchmal das Gefühl, dass sie bei den beiden gut angekommen ist. Die sind alle genau solche Käuze wie sie selbst, alle so ein bisschen sozial inkompetent, sage ich immer ganz gerne [lacht]. Aber deswegen passen die drei auch so gut zusammen!
Die Rolle ist noch relativ neu, so viele Folgen gab es noch nicht mit Tessa Tilker. Schiebst Du die Rolle noch ein bisschen in eine Richtung, so wie Du das gerne hättest oder wie Du meinst, dass es besser passen würde?
Das habe ich eine Zeit lang gemacht. Am Anfang war sie super, da war sie so eine taffe Anwältin, die sich immer durchsetzt, danach wurde sie mir ein bisschen zu weich. Sie hat immer zu allem ja gesagt und war so eine Nette, das interessiert ja keinen Menschen. Viel spannender ist es, wenn es Konflikte gibt. Und da hat mich die Produktion erhört und wir haben ihr ein bisschen mehr Futter gegeben, damit sie auch ein paar Ecken und Kanten bekommt, sonst wird es ja langweilig. Da kam dann noch ein bisschen mehr von mir mit rein, glaube ich. Das neue Buch, das wir gerade drehen, ist vielleicht ein bisschen von mir inspiriert. Auf der Weihnachtsfeier habe ich nämlich getanzt wie eine Wilde und plötzlich hatte ich eine Tanzszene im nächsten Wilsberg! Da habe ich mich sehr drüber gefreut. Also ich sage mal so, am Anfang ist man sehr die Rolle und irgendwann vermischt sich das, je mehr man von sich dazu tut, desto echter wird sie manchmal, finde ich.
Gerade bei Tessa, die noch gar nicht so lange dabei ist, musste ich einfach ein bisschen was Eigenes finden. Oft redet sie nur von ihrem Anwaltskram und das ist das, was die Leute herzlich wenig interessiert, da muss man einfach ein bisschen mehr Persönlichkeit mit reinbringen. Ich dachte, es tut jetzt nicht weh, wenn die ein bisschen mehr kontra gibt. Tessa ist schlagfertiger, frecher geworden, eine selbstbewusste Frau, die zu ihrem Wort steht. Die private Tessa ist spontaner, chaotisch, freier. Im Job ist sie trotzdem korrekt, gerechtigkeitsliebend, tough. Dadurch wird sie halt immer vielschichtiger und das finde ich wichtig.
Ist immer mehr Patricia Meeden in der Tessa Tilker drin?
Nicht zu viel, dafür ist Tessa zu… Nee, ordentlich ist sie nicht, um Gottes Willen, wir haben ja alle ihre Wohnung gesehen! [lacht] Aber Patricia Meeden ist leider sehr unpünktlich, Tessa ist sehr pünktlich. So viel von mir will ich da auch nicht reinbringen, ich bevorzuge die Abwechslung, sonst macht’s keinen Spaß.
Was glaubst du, warum ist die Reihe Wilsberg so erfolgreich?
Ich glaube, es sind wahnsinnig gut gezeichnete Charaktere. Ich mag das Format, es hat mich sehr angezogen, dass wir uns nicht so ernst nehmen. Wir haben so viel Krimi in Deutschland und auf der Welt und ich finde es einfach schön, dass wir bei Wilsberg ein bisschen Humor drin haben und dass man die Dinge auch mal ein bisschen leichter nimmt! Das fehlt uns oft im deutschen Fernsehen, finde ich. Deswegen liebe ich Wilsberg und deswegen habe ich mich in das Format verliebt. Als mir die Rolle angeboten wurde, habe ich wirklich Binge-Watching gemacht, ich habe mir alle Folgen in der Mediathek angeschaut und habe mich kaputt gelacht! Ich mag, dass sie sich verkleiden, um Fälle zu lösen, dass sie sich eigentlich gar nicht verstehen, aber trotzdem die ganze Zeit zusammenhocken. Das macht gar keinen Sinn, aber genau das macht den Charme eben aus. Wir haben alle in unserem Leben irgendwelche Freunde, bei denen wir denken, warum sind wir eigentlich befreundet? Und trotzdem hält man in den wichtigen Momenten zusammen. Das ist spannend, das ist menschlich. Und das ist Wilsberg, einfach nah und am echten Leben dran.
Gerade in den Sozialen Medien wirst Du noch immer oft mit deiner Vorgängerin verglichen, mit Ina Paule Klink. Nervt das?
Echt? Ich guck da gar nicht nach! [lacht] Ich würde sagen, sollen sie machen. Menschen mögen natürlich keine Veränderungen. Ich habe auch manchmal Probleme mit Veränderungen, ich verstehe das, man hält gerne an dem fest, was man seit Jahren mag. Und der Ausstieg meiner Kollegin ist ja auch nicht so bösartig abgelaufen, dass man irgendwie ausgetauscht wurde, sondern sie hat einfach gesagt, sie möchte sich mehr um ihre Musik kümmern und hat die Reihe verlassen. Und irgendwie wird mir übel genommen, dass ich hier übernommen habe [lacht]. So ein Quatsch. Deswegen gucke ich mir das gar nicht an, weil da teilweise, zumindest höre ich das ab und zu, unnötig kommentiert wird, dass man zum Beispiel meine Frisur nicht mag und so ein Blödsinn. Für meine Haare kann ich nichts. Das lese ich mir nicht durch, das sind persönliche Angriffe. Dieses Mobbing im Internet, dem gebe ich gar nicht so viel Raum. Wenn man sich das den ganzen Tag durchliest, dann werden wir alle nicht glücklich. Ich lese gerne professionelle Kritiken durch, die sich auf meine Leistung beziehen, weil ich mich ja auch verbessern möchte.
Aber wenn Leute persönliche Probleme damit haben, dass man eine Rolle übernommen hat beziehungsweise eingestiegen ist, wo jemand geliebtes ausgestiegen ist, dafür kann ich ja nichts, was soll ich da machen? [lacht] Meine Vorgängerin ist eine tolle Frau und Kollegin, aber ich habe auch ein bisschen was zu bieten. Also sie können sich einfach auf mich einlassen oder halt wegschalten. Oh, das sollte ich vielleicht dem ZDF lieber nicht sagen, Ihr sollt alle schön weitergucken! [lacht]
Wenn man sich Deine Vita anschaut, dann wird deutlich, dass ein ganz starker Schwerpunkt Deiner Arbeit im Bereich Musical liegt.
Ja!
Schlägt Dein Herz eher für die Musicalbühne oder fürs Fernsehen?
Für beides! Ich wollte immer Schauspielerin werden. Bin dann irgendwie über das Ballett ins Musical gekommen, habe Blut geleckt, habe es geliebt, habe glücklicherweise sehr viel Erfolg gehabt und dann bleibt man auch dabei. Und ich sage immer, das Live-Erlebnis ist unersetzbar. Es ist was ganz anderes, die Leute zu sehen, wenn man sie berührt, wie sie mitgehen, wie sie klatschen, wie sie sich freuen oder weinen. Das haben wir alles im Fernsehen nicht. Wir kriegen ein Jahr später irgendwann das Ergebnis von dem zu sehen, was wir vor Monaten oder manchmal sogar Jahren gedreht haben. Aber die Arbeit im Fernsehen ist sehr spannend, ich mag, dass man mit so wenig so viel erzielen kann, nur über die Augen, mit viel kleineren Gesten. Ich musste mir abgewöhnen, viel mit den Armen zu machen, weil das Publikum ja viel näher dran ist, als auf der Bühne, wo man oft bis zum zweiten Rang spielen muss.
Ich mag genau diesen Gegensatz und deswegen möchte ich mich gar nicht für eines von beiden entscheiden. Irgendwann im Alter wird es darauf hinauslaufen, dass ich mehr drehen werde, auf der Bühne fällt man ja sonst irgendwann um [lacht]. Aber so lange ich kann, werde ich beides machen. Ich finde beides wunderschön, ich mag es sehr gerne, einen Film zu schauen in dem ich mitspiele, ich bin dann immer noch sehr stolz und immer noch sehr aufgeregt. Auf der Bühne bin ich einfach schon länger zu Hause und ich habe sie auch sehr vermisst, deswegen wollte ich jetzt auch nach vier Jahren wieder in Dortmund ein Musical machen. Vorgestern war meine letzte Vorstellung und es war sehr emotional.
Aber es war dann auch wieder gut, weil es sehr anstrengend ist, die Bühne, die Arbeit vor der Kamera und die Synchronarbeit zu kombinieren. Es ist unglaublich erfüllend, alles machen zu dürfen, aber auch unglaublich harte Arbeit. Aber das war es absolut wert.
Einfach mal wieder den ganzen Bogen spielen zu dürfen. Ich spiele natürlich am Set immer nur Szene für Szene, da muss man erst mal gucken, wo war ich da? In welchem Buch sind wir? Auf der Bühne darf man einfach jeden Abend die ganze Geschichte erzählen. Das finde ich auch spannend. Also Ich bin froh, alles machen zu dürfen.
Du sagtest gerade, letzte Vorstellung. Stehst Du aktuell nicht auf der Bühne?
Jetzt nicht, aber in zwei Tagen beginnen die Proben für die „Disney in Concert“-Tour, durch Deutschland und Österreich. Danach ist aber erstmal wieder Sense mit dem mehrgleisigen Fahren. Die Wilsberger waren so nett, mir das Musical und auch diese Tour möglich zu machen. Deswegen drehen sie mich jetzt bis Mitte April schon ab. Normalerweise drehen wir bis Mai. Daran merkt man, dass sie einen unterstützen, dass sie gut zu einem sind, dass sie mir das besonders jetzt möglich machen, wo ich die neue Synchronstimme der Disney- Prinzessin Asha bin. Und sie kommen auch alle brav zuschauen, in Köln wird das Haus voll sein mit den Wilsbergern [lacht].
Vorher hast du in den Musical ‚Rent‘ gespielt, in dem es um das Thema HIV geht. Bist Du der Meinung, dass man dieser Krankheit wieder mehr Aufmerksamkeit schenken sollte?
Ich glaube, dass man nie hätte aufhören sollen, ihr Aufmerksamkeit zu schenken, weil sie ja da ist. Wir müssen da einfach dran bleiben und versuchen, Wege zu finden. Es war eine Zeit lang auf eine bestimmte Personengruppe reduziert, was ich unglaublich schwierig finde. Es hat sich dort verbreitet, aber sie ist überall und es kann jeden treffen. Man muss einfach vorsichtig sein, man muss sich schützen. Das sind Dinge, die jeder Schüler und jede Schülerin in der Schule lernen muss, damit ihnen sowas nicht passieren kann. Ich finde es schade, dass heutzutage oft von Eltern verlangt wird, dass man gewisse Dinge nicht anspricht, damit die Kinder Kinder bleiben. Aber die Kinder müssen so viel schneller erwachsen werden heutzutage durch die Handys, durch die sie Zugriff auf alles haben.
Aber dann betreibt doch bitte auch die richtige Aufklärung, dann geht‘s uns allen gut. Deswegen war das Musical auch so wichtig, deswegen saßen da so viele Leute drin und haben geweint, weil sie in ihrem Privatleben vielleicht auch Menschen kennen, die es getroffen hat. Es ist gar nicht so weit weg, wie viele denken.
Musical wird ja oft als etwas Leichtes betrachtet, als etwas Fröhliches. Das war ja bei ‚Rent‘ offenbar nicht der Fall.
Ich fand es auch schön, dass so viele Leute genau das sehen wollten. Wir haben so viele Musicals, in denen alles schön ist und bunt und es explodieren lauter tolle Bühnenteile. Aber das echte Leben ist nun mal auch da. Und ja, Musical ist oft eine Flucht aus dem echten Leben, da möchte man sich entspannen und einfach für einen Abend genießen, aber dafür gibt es genügend Musicals. Es gibt aber eben auch unser Musical, das dich berührt, das dich konfrontiert mit dem, was dich zum Nachdenken bringt. Dafür liebe ich Kunst und Kultur. Ohne sie wären wir unglaublich arm dran und wahnsinnig schlecht aufgeklärt. Deswegen finde ich es gut, dass es diese Musicals gibt und mich persönlich berühren die auch einfach mehr. Ich schaue mir wahnsinnig gerne tolle Shows an wie ‚Aladdin‘ und BODYGUARD – Das Musical, die Rolle von Whitney Houston war ja auch ein absoluter Traum für mich. Aber dann kommt halt auch Mal eine Show, wo es so emotional wird, dass man selber fast gar nicht mehr singen kann. Das ist auch für uns manchmal heilend! Ich habe zum Glück nicht die gleichen Probleme wie meine Rolle, aber trotzdem hat man Verluste erlitten und schlimme Momente gehabt. Man ist dann so eins mit der Rolle und darf quasi seine Trauer auf der Bühne verarbeiten.
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