Immer wieder vergewissern sich die drei Zucchini-Schwestern, ob ihr Publikum in der „Cloud“ in festlicher Stimmung ist. „Wie weit schätzen Sie ihre Weihnachtsstimmung ein, auf einer Skala von eins bis zehn?“ fragt Bassistin Jule Balandat und bekommt anfangs eher verhaltene Antworten.
Auch wenn einige Konzertbesucher sich an diesem vierten Advent schon vorher zuhause, auf dem Weihnachtsmarkt oder auf der Schlittschuhbahn vor dem Veranstaltungsort am Germania-Campus in Stimmung gebracht haben, sortieren sich sehr viele auf dem Weihnachtsbarometer „unter fünf“ ein. Das ändert sich aber bald, und am Ende jauchzen manche sogar eine „zwölf“ oder „13“ heraus.
So etwas gelingt bei „Weihnachten mit den Zucchini Sistaz“ im Handumdrehen, oder besser mit anderen Handbewegungen: nämlich mit Fingerschnipsen und Klatschen. Denn dazu muss das geneigte Publikum nur selten extra aufgefordert werden, so mitreißend präsentieren die drei Damen in den festlichen grünen Abendroben ihr weihnachtliches Programm. Dafür haben sie mal wieder einige amerikanische Standards der Saison eingedeutscht oder deutsche Klassiker verswingt. Viele Christmas-Songs bleiben aber in ihrem englischen Original, denn die versteht sowieso fast jeder. So richtig international wird es, als Überraschungsgast Richie Alexander alias Dr. Ring Ding sie beim hawaiianischen Weihnachtslied „Mele Kalikimaka“ unterstützt – mit Gesang und mit Nasenflöte. Er bringt sogar ein bisschen karibisches Ska-Feeling auf die mit zahlreichen Tannenbäumen geschmückte Bühne, wobei ihn Tina Werzinger mit dezenten Offbeats auf der Ukulele unterstützt. Und dann singt Dr. Ring Ding auch noch das polnische Weihnachtslied „Lulajze Jezuniu“ von seinem eigenen Weihnachtsalbum zusammen mit den Zucchini Sistaz – ein wenig kitschig, aber wenn nicht jetzt, wann sonst?
„Wir sind kein Orchester, aber wir haben ja Schnittchen“
Zusammen mit Richie Alexander an der Posaune ist ein weiterer Gastmusiker aufgetaucht, um Sinje Schnittker im Posaunenchor und – noch besser – in der Brass Band zu begleiten: Christian Kappe an Trompete und Flügelhorn. Mit ihm wird es im zweiten Teil des Konzertnachmittags gelegentlich etwas jazziger, was das Publikum wohlwollend aufnimmt. Auch Sinje Schnittker, die ebenfalls Trompete und Flügelhorn spielt, lässt sich davon offensichtlich anstecken und liefert sich ein kleines, aber feines Duett mit Christian Kappe. Dabei hat sie eine Unterstützung gar nicht nötig, beherrscht sie doch ein unglaubliches Arsenal an Instrumenten, manchmal sogar mehrere davon gleichzeitig. Bei der swingenden Version von „Winterwunderwelt“ („Winter Wonderland“) sind es Glockenstab, Xylophon, zwei Kokosnusshälften, das Flügelhorn und Background-Gesang. Nur das Reden überlässt „Schnittchen“ Schnittker lieber ihren „Schwestern“ Jule Balandat und Tina Werzinger. Und die führen so charmant und elegant durch das Konzert, dass der Nachmittag wie im Flug vergeht und sich schließlich alle Zuschauer in festlicher Stimmung wiederfinden.
Da stört es dann nicht, wenn Jule Balandat ihr persönliches „Weihnachtsfolterinstrument“ nicht nur ankündigt, sondern kurz auch spielt. „Wer mich damals in der 1. Klasse darauf hat spielen sehen, würde nicht glauben, dass es heute Menschen gibt, die Eintritt bezahlen, um mich beim Weihnachtskonzert zu erleben,“ bekennt sie, als „Schnittchen“ ihr die gefürchtete Blockflöte reicht. Nach einem kurzen und etwas schrägen Intro konzentriert sie sich dann doch auf ihren Bass, den sie wesentlich besser beherrscht. So familiär geht es eben zu, bei diesem wie schon im letzten Jahr ausverkauften Konzert, da lässt sich wohl von Tradition sprechen. Dazu gehört wieder das gemeinsame Clementinen pulen und Erdnüsse knacken, um die typischen weihnachtlichen Düfte und Geräusche zu erzeugen. So wird das ganze Publikum eingespannt, das wieder alle Altersgruppen von unter fünf bis über 80 umspannt („ein echtes Familienkonzert!“).
Es gibt – neben ein paar neuen Liedern – aber auch ein brandneues Angebot. Und das ist ein Wandkalender mit zwölf bunten Bildern der Zucchini Sistaz („wenn Sie noch nicht genug von uns haben oder uns gerne Mal an die Wand klatschen wollen“), also eine Geschenkidee für die Daheimgebliebenen, im Foyer zu erwerben. Für das nächste Jahr haben sie damit gleich ein neues Angebot angekündigt: mit dem Erlös könnten die Zucchini Sistaz möglicherweise bald die viel beschworene „Gemüseplatte“ aufnehmen, den lang ersehnten Tonträger mit ihrer schönen Musik zum Mit-nach-Hause-nehmen. Mit diesen frohlockenden Gedanken folgt das Publikum den drei swingenden Schwestern gerne ins Foyer, als sie den Saal am Ende zusammen mit ihren Gästen Christian Kappe und Richie Alexander fröhlich aufspielend im Stil einer Marching Band aus New Orleans verlassen.
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