„Wir trauern um unsere Freundin Helge Loewenberg-Domp, geboren am 5. Juni 1915 in Münster, vor den Nazis geflohen im Mai 1933, gestorben am 2. Januar 2021 in Amsterdam.“ Gisela Möllenhoff und Rita Schlautmann-Overmeyer haben die Anzeige in Münster aufgegeben. Vor vielen Jahren haben sie Kontakt zu Juden aufgenommen, die in der NS-Zeit aus Münster emigriert sind, und ihre Geschichten aufgeschrieben. Helge Loewenberg-Domp hat die Stadt 1933 verlassen. Auch ihre Biografie haben die beiden Historikerinnen in ihre „Sammlung Möllenhoff/ Schlautmann-Overmeyer“ aufgenommen.
Helge Loewenberg-Domp wuchs mit zwei Geschwistern in einer musikalischen Familie in Münster auf. Ihr Vater James Domp, Rabbiner, Lehrer und Kantor, übernahm 1910 in der Innenstadt die Bisping‘sche Musikalienhandlung. Schon als Kind kannte das selbstbewusste Mädchen nur eines: „Man hat mich gefragt, was ich werden wollte. ,Sängerin‘, habe ich gesagt. Ich konnte nicht anders“, erinnert sich Loewenberg-Domp in einem Interview im August 2020. Sie war zwölf, als sie für eine erkrankte Sängerin bei einer Rundfunkausstrahlung einsprang.
Nach ihrer Mittleren Reife auf dem Freiherr-vom-Stein-Gymnasium begann die Münsteranerin eine Ausbildung an der örtlichen Westfälischen Schule für Musik. Am Vormittag absolvierte sie ihr Musikstudium, am Nachmittag stand sie ihrem Vater im Geschäft zur Seite. In den 1930er-Zeiten dann die Machtergreifung Hitlers. „Ich bin von meinem damaligen Musiklehrer von der Schule gefragt worden, ob ich den Solopart in einem Konzert in einer Kirche in Münster übernehmen wolle, in dem auch der Chor der Schule mitsingen würde“, berichtet Loewenberg-Domp. Die örtliche Presse lobte sie für ihren Auftritt in der evangelischen Apostelkirche. In einer Nazi-Zeitung („von der wir gar nicht wussten, dass es sie gab“) aber stand, „dass es eine Schande sei, dass ein jüdisches Mädchen in der Kirche singt und die christliche Musik tötet. Das war ganz schlimm“, erinnert sich die leidenschaftliche Sängerin. „Und als ich mich bei der Musikschule für das zweite Jahr anmelden wollte, das war im April 1933, wurde ich abgelehnt. Ich durfte nicht weiter studieren.“ Als dann dem elterlichen Geschäft auch noch zahlreiche Verbote auferlegt wurden, stand ihr Entschluss fest: „Ich gehe weg. Was soll ich hier?“
Im Mai 1933 ging sie nach Amsterdam. „Wir kannten die Niederlande sehr gut, wir waren öfter mit unseren Eltern dort gewesen.“ Sie arbeitete als Dienstmädchen. Im Sommer 1936 rückte dann der Wunsch, Sängerin zu werden, wieder in greifbare Nähe. Mit einem Privatstipendium konnte sie in England Gesangsunterricht nehmen. Konzertauftritte in Brighton, Bournemouth und London folgten.
Helge Loewenberg-Domp kehrte 1937 aus London zurück, ihr Bruder Jochen brauchte sie beim Aufbau einer Musikalienhandlung in Enschede. Als Juden von den Nazis der Besuch von Konzerten verboten wurde, bot die Familie die Geschäftsräume als Forum für vertriebene Musiker an. Im April 1941 wurde die Firma enteignet.
Jochen Domp starb wohl 1945 bei einem „Todesmarsch“ des KZ Auschwitz, erzählt die Schwester. Sie, die Eltern und Schwester Lissy tauchten in Holland unter. Helge Loewenberg-Domp übernahm im April 1945 das Geschäft in Enschede und heiratete Bruno Loewenberg, mit dem sie zwei Kinder hatte.
Für die Förderung von Wirtschaft und Kultur erhielt die gebürtige Münsteranerin von der niederländischen Königin 1975 den Ridderorde van Oranje-Nassau. 1978 gründete sie die „Helge Domp Stiftung für Musik“, die sich für junge Musiker engagiert. Ihre Enkel sind bestrebt, die Stiftung fortzuführen.