Baustellen sind in Münster keine Seltenheit, auch nicht für Wohnungsbauten. Doch bei dem, was gerade auf dem Gelände des ehemaligen Kasernengeländes „Oxford-Quartier“ in Gievenbeck Halbzeit feiert, ist so einiges anders. KliQ nennt sich das Bauprojekt, das bis ins Detail auf die Zukunft ausgerichtet ist, ohne die Geschichte der umliegenden Gebäude außer Acht zulassen. Wenn das Projekt in einem Jahr fertiggestellt ist, wird es Wohnraum für bis zu 28 Parteien bieten.
Schon weit vor dem ersten Spatenstich stand Pionierarbeit an, zumindest nach münsterschen Maßstäben. Kein Großunternehmer steht hinter dem ambitionierten Wohnprojekt, sondern eine Baugemeinschaft aus Privatpersonen. „In anderen Städten, zum Beispiel in Berlin, ist dieses Konzept durchaus verbreitet. Als wir in Münster das Vorhaben Bekannten aber auch Banken und Behörden erklärten, stießen wir zunächst auf Zurückhaltung und viele Fragen“, erinnert sich Annette Seete, eine von vier gewählten Geschäftsführerinnen und Geschäftsführern der „Baugemeinschaft KliQ GbR“. Die Abkürzung KliQ steht für Kollaborativ Leben im Quartier. 2020 taten sich drei Familien aus Münster zusammen, um gemeinsam ein innovatives Wohnprojekt anzustoßen.
Der Wunsch war es, ökologisch, nachhaltig und zentrumsnah in einer Gemeinschaft zu wohnen. Mit dem Entwurfskonzept von MS PLUS Architekten erhielt die Gruppe 2022 den Zuschlag für das Grundstück. Heute sind es 28 Parteien, alle Einheiten sind inzwischen vergeben.
Im Januar war Spatenstich. Mittlerweile ist bereits mehr als die Hälfte des Rohbaus fertig gestellt, da die Gebäude als Holzhybridbau umgesetzt werden. Die Holzwände werden im Werk vorgefertigt und in Münster zusammengebaut. „Wir mussten uns im Vorfeld schon genau überlegen, wo im Haus später die Anschlüsse bis hin zu den Steckdosen liegen sollen“, berichtet Annette Seete. Der Großteil der Wohneinheiten ist zwischen 95 und 120 Quadratmeter groß. Insgesamt liegt die Wohnfläche mit etwa 30 Quadratmetern pro Kopf deutlich unter dem Bundesdurchschnitt, so sollen Ressourcen geschont und knapper Wohnraum besser ausgenutzt werden.
Daher gibt es ein großes Angebot an Gemeinschaftsflächen wie einer Werkstatt, einem Wäscheraum, einem Multifunktionsraum sowie Fahrrad- und Parkplätze in der Tiefgarage. Bei den Planungen wurde zum Beispiel auf ein explizites Arbeitszimmer verzichtet, dessen Funktion übernimmt der „KliQ-Space“, ein gemeinschaftlich genutzter Raum mit eigener Küche im Erdgeschoss, der ebenso als Coworking-Space wie als Begegnungsraum oder für Feste genutzt werden kann. Ebenfalls in diesem „Herzstück der Anlage“, wie Annette Seete diesen Bereich nennt, liegen zwei Gästezimmer, die optional auch als erweiterter Arbeitsbereich genutzt werden können. Einer der zwei Fahrstühle ist auch für die Beförderung von Fahrrädern ausgelegt.
Fast alle Wohnungen sind barrierefrei. Die Wohneinheiten sind bis ins Detail geplant, so können sie später Dank eigener Tür, getrennter Bodenheizungskreisläufe, zwei Bäder und weiterer Planungen aufgeteilt werden, so können zum Beispiel erwachsene Kinder oder auch die Pflegekräfte eingeschränkter Bewohnerinnen und Bewohner vollkommen eigenständig wohnen. Geheizt wird mit Erdwärme, bis zu 150 Meter tiefe Bohrungen machen es möglich. Spitzenverbräuche werden über Fernwärme abgefangen. Im Sommer werden die Räume aktiv gekühlt, die abgeführte Wärme wird ins Erdreich geleitet, um im Winter wieder genutzt zu werden. Regen wird auf den begrünten Retentionsdächern in Becken gesammelt und verzögert abgegeben, um bei Starkregen die Kanalisation zu entlasten, Mulden im Gartenbereich unterstützen diesen Effekt. Der Strom kommt von einer Photovoltaikanlage.
Die Planungen verliefen im engen Austausch mit der Denkmalpflege, schließlich stehen sowohl die alten Gebäude, als auch die markante Sandsteinmauer unter Denkmalschutz. „Es gab gestalterische Leitlinien, die Gebäude sollten mit dem Altbestand harmonisieren“, berichtet Annette Seete. Wohnen dicht an dicht, gemeinsame Nutzung von Räumen und Gartenflächen, ein eigenes Carsharing-Konzept, da muss die Nachbarschaft schon passen. Zunächst über Zoom, später persönlich fanden immer wieder Treffen statt, die Bewerberinnen und Bewerber wurden regelrecht vom Kern der Baugemeinschaft gecastet, wie Annette Seete berichtet. Jetzt soll alles passen und die Vorfreude auf den Einzug und das gemeinschaftliche Wohnen ist groß. Wenn der Plan aufgeht, könnte KliQ die Blaupause für weitere Wohnprojekte in Münster liefern.
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