Sendenhorst, Emsdetten, Lüdinghausen und Ende November Münster, die Wolfssichtungen häufen sich, auch im Münsterland. Am 19. Januar 1835 wurde bei Herbern der letzte Wolf in Westfalen erlegt, jetzt erobert sich das Tier seinen ehemaligen Lebensraum Stück für Stück zurück. Woher kommt der Beutegreifer und was sollte man tun oder lassen, wenn man ihm begegnet? Wir sprachen mit Dr. Philipp Wagner, Kurator für Forschung im Artenschutz vom Allwetterzoo Münster.
„Die Wölfe kommen aus Osteuropa. Über Ostdeutschland erfolgte dann die Ausbreitung nach Westen und Süden. Es gibt das Gerücht, dass die Tiere aus Zoos ausgebrochen sind, das ist völliger Humbug!“, wie Wagner nachdrücklich feststellt. Bereits in der DDR tauchten immer wieder Wölfe auf, die allerdings unmittelbar „entnommen“ wurde, wie Wagner berichtet. Die Grenze war auch für sie nicht zu überwinden und so begann die Ausbreitung Richtung Westen erst mit dem Mauerfall. „Der Lebensraum im Westen war für die Wölfe vollkommen leer, sie hatten keine Konkurrenz. Das heißt ein Wolf wandert, lässt sich nieder, bildet ein Rudel, die Tiere wandern ab und finden wieder einen Lebensraum, in dem sie keine Konkurrenten haben, das ganze verläuft relativ langsam. Schneller geht es, wenn ein Jungtier wandert und keinen Lebensraum findet, dann wandert das Tier sehr weit.“
Wölfe finden überall Futter. Rehwild und auch Wildschweine gibt es im Überfluss, wobei der Wolf lieber Rehe als Wildschweine jagt, weil diese wehrhafter sind und es dem Wolf nicht unbedingt leicht machen. Im Münsterland gibt es vermutlich noch keinen sesshaften Wolf, „Aber das wird sicher nicht mehr lange dauern“, wie Dr. Philipp Wagner vermutet. In anderen Regionen von NRW gibt es bereits stationäre Wölfe, am bekanntesten ist wohl die Wölfin Gloria bei Schermbeck. „Der Lebensraum ist ja da, es gibt Waldrelikte, aber Wölfe kommen auch ohne Wälder in der Kulturlandschaft klar“, wie der Experte berichtet.
Bei der Frage, ob seitens der Menschen Handlungsbedarf besteht, wird Wagner deutlich: „Die Frage, ob Handlungsbedarf besteht, ist ganz stark davon abhängig, wen Sie fragen! Die Wolfskritiker sehen ganz klar Handlungsbedarf. Im Bayern zum Beispiel gibt es 23 Wölfe im ganzen Freistaat und viele Politiker und Nutztierhalter sehen da natürlich schon Handlungsbedarf. Ich persönlich sehe in NRW noch keinen Handlungsbedarf, zumindest nicht, wenn es darum geht, den Wolf zu dezimieren. Natürlich müssen wir wieder anfangen, uns an den Wolf zu gewöhnen. Nutztiere müssen besser geschützt werden, es gibt nicht mehr diesen relativ sorglosen Umgang, den man ohne Beutegreifer hatte.“ Wird der Wolf eines Tages durch Roxel, Coerde oder Hiltrup wandern? Das ist denkbar, wie Wagner erläutert: „Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass auch die Wölfe in die Randbezirke unserer Städte kommen, das sieht man zum Beispiel beim Fuchs. Der Wolf war auch früher in den Randbezirken von Dörfern oder Städten.“
Die Gefahr, dass man beim Wandern durch die Davert oder Hohe Ward von einem Rudel Wölfe gestellt wird, sieht der Experte eher nicht. „Es gibt natürlich Zusammenstöße zwischen Mensch und Wolf, wie es eben Zusammenstöße zwischen ganz vielen Tieren und uns gibt, das ist eine vollkommen natürliche Sache. Das gibt es überall, wo es Tiere gibt, in Afrika, in Indien, es gibt überall Mensch-Tier-Konflikte.“ Den Wolf sofort zu jagen, wenn er irgendwo auftaucht, ist für Wagner keine Option: „Man muss sich überlegen, ob ein Ausrotten dann auch die richtige Entscheidung ist und das ist es meines Erachtens nach nicht. Wir müssen lernen, wie wir mit solchen Gefahren umgehen und das Lernen kann nicht bedeuten, dass wir eine Art, die sich ihren Lebensraum zurückholt, eliminieren, nur weil es uns besser gehen soll.“
Der Wolf hat in der Ökologie nach seiner Ausrottung in Deutschland eine Lücke hinterlassen, die sich auf viele andere Arten ausgewirkt hat: „Wir brauchen den Wolf. Dass zum Beispiel die Geier in weiten Teilen Europas dezimiert wurden, liegt auch daran, dass es kaum noch Aas in der Landschaft gibt und ohne Aas gibt es keine Geier. Das gilt auch für eine große Anzahl hoch spezialisierter Insekten, die Aas verwerten und ohne die großen Beutegreifer gehen natürlich diese Insekten auch zurück.“
Was tun, wenn man einem Wolf begegnet?
Wenn man einem oder mehreren Wölfen begegnet, sollte man auf keinen Fall weglaufen. Hektische, schnelle Bewegungen triggern das Tier auf Angriff, wie Wagner weiß. Ruhig und bedächtig bleiben, das Tier nicht direkt ansehen, aber aus dem Augenwinkel beobachten und langsam zurückziehen. „Wir gehören eigentlich nicht zum Beutespektrum des Wolfs, von der Tendenz her würde ein Wolf immer erstmal versuchen, uns aus dem Weg zu gehen. Wenn man einem begegnet – und das bin ich auch schon – mein Gott, dann begegnet man sich halt.“ Problematischer ist es, wenn man mit seinem Hund unterwegs ist, denn der Hund ist ein Konkurrent: „Ein Rudel will immer das Revier verteidigen, und wenn das ein Hund ist, der die Tendenz hat, auf den Wolf zuzugehen, dann kann’s für den Hund auch zu spät sein. Man sollte den Hund auf jeden Fall an der Leine halten, was man meiner Meinung nach im Wald aber ohnehin machen sollte. Und wenn der Wolf auf den Hund geht, würde ich lieber nicht dazwischen gehen!“ Dabei zuzusehen, wie der eigene Hund attackiert wird, dürfte vielen Hundehaltern allerdings schwer fallen, das weiß auch Philipp Wagner: „In dieser emotionalen Debatte stehe ich irgendwo dazwischen, aber man muss ja auch sehen, dass wir der Natur sehr viel abverlangen und ich finde, dass man auch nicht in Panik ausbrechen sollte, wenn die Natur auch uns mal etwas abverlangt.“
Der Wolf wird sich weiter ausbreiten und das hält der Experte in vielen Gegenden auch für relativ unproblematisch. Ein Problem ist allerdings die Nutztierhaltung: „Man muss natürlich gucken, wie wir mit unseren Nutztierhaltern umgehen, da muss meines Erachtens nach, zumindest was die echten Nutztiere angeht, auch im Sinne des Naturschutzes mehr unterstützt werden. Wir werden den Wolf wahrscheinlich an einigen Stellen auch dezimieren müssen, zum Beispiel in den Almen, wo die Nutztiere die Landschaft frei halten. Bei uns im Flachland, na ja. Wir müssen lernen, wie wir zusammenleben und wie man entschädigt. Ein Abschuss muss aber über die Wissenschaft laufen.“
Was den Schaden anbelangt, den der Wolf anrichtet, sollte man immer das große Ganze im Auge behalten, wie Wagner meint: „Man muss immer die Relation im Blick behalten. Natürlich reißt der Wolf ein paar Tausend Nutztiere im Jahr, auf der anderen Seite muss man sehen, wie intensiv wir uns an der Natur bedienen. Und das sind nicht nur die Jäger, wir haben auch um die 200.000 Rehe, die hauptsächlich durch Autounfälle sterben und wir haben die Freigängerkatzen, die ein paar Millionen Wirbeltiere pro Jahr töten. Das sind die Zahlen, die man dagegenstellen muss. Jedes vom Wolf getötete Schaf wird durch die Presse getrieben aber wen interessiert die wesentlich größere Zahl von Tieren, die durch uns umkommen!“
Auf dieser Seite des Landesumweltamtes werden Wolfssichtungen aufgelistet: Wolf in NRW
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Die Menschen früher waren intelligenter. Anstatt auf sogenannte „Experten“ zu vertrauen, haben sie selbst nachgedacht und den Wolf ausgerottet. Ein Kind hat kein Auto und muss zu Fuß zur Schule. Daher gehört der Wolf abgeknallt. Mir wird übel wenn ich lese, dass der Wolf wichtiger ist als Kinder. Eine menschenverachtende Einstellung.
Wo genau haben Sie das gelesen?
Herr Wagner fordert also allen Ernstes, dass wir uns daran gewöhnen sollen, wenn der eigene Hund von Wölfen gerissen wird und wir hilflos daneben stehen? Und wieso sollen Menschen nicht ins Beuteschema gehören? Das trifft, wie viele Fälle in aller Welt zeigen, zumindest für Kinder nicht zu! Diese werden, wie auch Fachleute zugeben, immer wieder zu Wolfsopfern.
Dem Mann fehlt jegliches Einfühlungsvermögen.
Super Artikel! Faszinierend, wie immer noch so viele Menschen “geliebte Familientiere” völlig selbstverständlich über andere Tiere stellen, ihrer Verantwortung (Sicherung der Tiere!) nicht nachkommen möchten oder immer noch an das Märchen vom “bösen Wolf” glauben.
Gar nichts müssen wir. außer sterben! Die Wölfe müssen sich an die Verhältnisse gewöhnen, die sie antreffen. Es liegt an uns die so zu gestalten, dass die Wölfe uns als Konkurrenz begreifen. .
Die Lücke, die die Wölfe bei ihrer Vertreibung hinterlassen haben ist längst gefüllt. Was ist mit den Tieren, die das getan habn. Wollen wir die durch die Wölfe ausrotten lassen? Aprpos Ausrotten. Warum will der Herr Experte die Wölfe denn ausrotten. Eine deutliche Beschränkung der Anzahl, wie z.B. beim Rotwild würde den meisten Kritikern der aktuellen Wolfspolitik genügen. Wenn ich von den aktuellsten offiziuellen Zahlen ausgehe, die dem Wolfsbstand von vor zwei Jahren angeben, müssten wir, um den damaligen Bestand zu halten bereit 600 Wölfe abschießen müssten. Inzwischen sind zu den 1.610 bestätigten Wölfen nochmals 30-35 % dazugekommen. Im Mai 2023 kommt dann derselbe Prozentatz dazu..
Das Kaspartheater, das man aufführen soll, wenn man einem Wolf begegnet ist ebenso nutzlos wie Weidezäune. Erst zurückziehen, wenn das nicht hilft Schreien und herumkaspern und wenn das nicht hilft „Viel Glück?“
Der Ausflug in die Welt der Insekten ist auch nur halbherzig. um die Aasfresser darunter zu ernähren genügte das Tierkörprbeseitigungsgesetz für Wildtiere zu ändern, dass totgefahrene Tiere im Wald entsorgt werden können. Viel wichtiger ist für Insekten der Mist von Weidetieren. Damit ziehen z.B. Vögel ihre Brut auf und das Bodenleben profitiert davon auch mehr, als von den paar Überresten die Wölfe gerissenen Wildtieren übriglassen. .
Der Vergleich von Straßenverkehr mit gerissnen Weidetieren ist eines seriösen Wissenschaftlers nicht würdig.
Unter den gerissenen Weidetieren befinden sich geliebte Familientiere, Therapietiere, Schafe und Ziegen aus der Landschaftspflege und vor Allem, diese „paar Tausend gerissene Weidetiere“ gehören jemanden. Hier geht Ihr Herr Experte“ recht großzügig mit dem Eigentum anderer Leute um.
Sie sollten vor der Veröffentlichung besser recherchieren und sich Ihre Interviewpartner sorgfältiger aussuchen.