Seit heute können in Deutschland auch Kinder ab 12 Jahren gegen COVID-19 geimpft werden. Das Thema wird seit Tagen kontrovers diskutiert, da die Datenlage hierzu bislang noch dünn ist. Die Mediziner am Universitätsklinikum Münster (UKM) und die Ärztekammer Westfalen-Lippe (ÄKWL) positionierten sich am Morgen bei einer Online-Pressekonferenz dennoch sehr deutlich zur Impfung.
Sie haben zwar selten einen schweren Krankheitsverlauf, dennoch gab es deutschlandweit bereits 20 Kinder, die an oder mit COVID verstorben sind. „Es handelte sich hier um junge Patienten mit Co-Erkrankungen an der Grenze der Lebensfähigkeit, die möglicherweise auch ohne die Infektion nicht überlebt hätten“, erklärt Prof. Dr. Heymut Omran, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am UKM. Trotzdem ist für ihn eine Impfung ein wichtiger Baustein der Pandemiebekämpfung. Kinder, die aufgrund von Vorerkrankungen beispielsweise einen schweren Influenza-Verlauf zu befürchten hätten, seien durch Corona nicht minder gefährdet.
„Bislang konnte man Kinder mit Vorerkrankungen nur durch eine Impfung der Eltern und anderer Kontaktpersonen vor einer COVID-19-Erkrankung schützen“, erklärt Omran. Daher sei es gut, dass nun eine Impfung zur Vorbeugung auch für Kinder ab dem 12. Lebensjahr zur Verfügung steht. „Wir Kinderärzte begrüßen diese Impfung!“ Einer Impfung solle immer eine individuelle Abwägung vorausgehen. Unter Umständen könne eine Impfung auch für junge Patienten mit psychosomatischen Störungen sinnvoll sein, wie bei Angststörungen oder Depressionen.
Das Präparat von Biontech / Pfizer ist EU-weit der erste Impfstoff, der für Menschen unter 16 zugelassen ist. Nach Ansicht der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA ist er auch für junge Menschen sicher. So gab sie Ende Mai den Wirkstoff für Kinder ab 12 Jahren frei. Die Ständige Impfkommission (STIKO) hingegen erteilt dem Vakzin bislang allerdings eine generelle Absage und empfiehlt nur eine Impfung bei Kindern mit Vorerkrankungen. UKM-Kinderarzt Omran relativiert die zögerliche Haltung der STIKO bei den Kinderimpfungen. Es sei vollkommen normal, dass die STIKO eine bestimmte Impfung nicht für alle Menschen gleichermaßen empfehle. Auch wenn es bislang erst wenig Daten zur Sicherheit in der entsprechenden Altersklasse gebe, sprechen sich die UKM-Mediziner für eine Impfung aus. „Wir gehen davon aus, dass das eine sehr gute Impfung sein wird“, so Omran.
Dr. Hans-Albert Gehle, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe (ÄKWL), spricht sich aber deutlich gegen eine Impfpflicht aus. Eine Wiederbelebung der Schulen und Impfungen in Einklang zu bringen, halte er für schwierig. UKM-Direktor Prof. Dr. Hugo Van Aken spricht sich für die zügige Impfung der Jugendlichen aus. „Wir müssen daran denken, dass diese jungen Menschen nun seit fast anderthalb Jahren zu Hause gesessen haben. Und genau die zieht es nun nach draußen, beispielsweise an den Aasee, wenn man sich die letzten Tage anschaut. Wir dürfen aber auch nicht vergessen, dass genau diese Altersgruppe seit sechs Wochen die höchsten Inzidenzen aufweisen.“
Welche Impfmengen den Kinderärzten wann zur Verfügung stehen werden, ist noch unklar. Kammerpräsident Gehle hofft hier auf ein klares Signal aus der Politik. „Bei den bisherigen Impfungen wissen die Praxen oft erst Freitagabend, wie viele Impfdosen am Montag geliefert werden“. Dies sei ein großes Problem.
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