Dass das SARS-CoV-2-Virus immer weiter mutiert, ist zu erwarten, sagt Dr. Linda Brunotte, Virologin am Institut für Molekulare Virologie am UKM. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat die Variante Omikron, die in dieser Woche auch in Großbritannien und in Dänemark zu Ausbrüchen mit rasant steigenden Fallzahlen geführt hat, als besorgniserregende Virusvariante benannt.
Studien legen nahe, dass Omikron die Immunantwort umgeht, sodass eine erneute Infektion nach Genesung möglich ist. Dann sprechen Virologen von einer Immun-Escape-Variante. Ob die vorhandenen Impfstoffe angepasst werden müssen, wird derzeit getestet. Bisher ist Omikron auch für Virologen noch eine große Unbekannte, erklärt Brunotte im Interview.
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Dr. Brunotte, geht von Omikron eine größere Gefahr aus als von der Delta-Variante?
Wahrscheinlich keine größere Gefahr, allerdings müssen wir die Situation beobachten, denn wir wissen einfach noch nicht, was diese neue Variante uns bringt. Wir wissen nicht, wie stark sie sich ausbreiten wird, wir wissen nicht, wie stark sie krankmacht, wir wissen nicht, ob sie einen starken Immun-Escape hat und ob wir deshalb eine Anpassung der vorhandenen Impfstoffe benötigen.
Die Variante ist in Südafrika entdeckt worden – ist das auch das Ursprungsland der Variante?
Davon kann man zurzeit nicht ausgehen. Wir haben keine Information darüber, wo die Variante wirklich entstanden ist. Interessanterweise sind in Europa schon Fälle von Omikron-Infektionen aufgetaucht, bei denen keine Reisehistorie zu Grunde liegt. Das könnte heißen, dass das Virus schon länger unterwegs ist und es schwierig wird, den wahren Ursprung zu ergründen.
Was ist das Besondere an Omikron?
Wir sehen, dass die Variante über dreißig Mutationen alleine im Spike-Protein hat. Das sind sehr viele und das ist besorgniserregend. Einige der Mutationen sind auch schon in anderen Varianten aufgetreten und können mit einem Immun-Escape in Verbindung gebracht werden. Es könnte also sein, dass Omicron auch eine Immun-Escape Variante ist. Also eine Variante, bei der die Antikörper-Immunabwehr von Geimpften oder Genesenen nicht mehr vollständig vor Re-Infektion schützt. Allerdings müssen wir das erst weiter beobachten, bevor wir Schlüsse daraus ziehen.
Was wäre, wenn es sich bei Omikron um eine Immun-Escape-Variante handelt?
Im Falle eines Immun-Escapes können die Antikörper, die durch eine vorherige Erkrankung oder durch Impfung gebildet wurden die Variante nicht mehr so gut erkennen und entsprechend neutralisieren. Das könnte Re-Infektionen oder eventuell sogar schwerere Erkrankungen ermöglichen. Ob das wirklich so ist, dazu müssen wir nun schnell weiter forschen.
Müssen als Schluss daraus die vorhandenen Impfstoffe jetzt angepasst werden? Fangen wir wieder bei null an?
Wir fangen keinesfalls bei null an, es gibt auf jeden Fall eine gewisse Wirksamkeit der Impfungen gegen Omikron. Es könnte sein, dass diese nur schwächer ist. Dann müssten wir die Impfstoffe tatsächlich anpassen. Die Herstellerfirmen von BioNTech und Moderna testen das aber bereits und es sollte schnell möglich sein, die Impfstoffe innerhalb weniger Monate an Omikron anzupassen.
Ist vor diesem Hintergrund denn eine Booster-Impfung zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt sinnvoll?
Man sollte sich aufgrund der derzeitig hohen Infektions- und Inzidenzzahlen auf jeden Fall boostern lassen. Der Booster schützt uns vor einer Infektion mit der Delta-Variante, die im Moment die vorherrschende Variante ist. Außerdem schützt der Booster weiterhin vor schwerwiegenden Erkrankungen, weil er den Antikörper-Status hochhält.
Was weiß man über den Krankheitsverlauf mit Omikron?
Es gibt Daten aus Südafrika, wonach die Menschen nicht besonders schwer erkranken. Wohl aber sind die Symptome anders als bei den bisherigen Varianten: Die Menschen klagen über Ganzkörper-Schmerzen und über starke Müdigkeit. Es gibt allerdings keinen Geruchs- oder Geschmacksverlust, was uns sehr überrascht. Diese Informationen sind sehr wichtig, denn wenn sich Omikron bei uns verbreitet sollte, ist es wichtige, dass die Menschen sich schnell testen lassen, wenn sie diese Symptome verspüren, um der weiteren Verbreitung vorzubeugen.
Hat das Corona-Virus langfristig eine Perspektive oder wird es irgendwann schwächer?
Was wir eigentlich erwarten ist, dass sich SARS-CoV-2 zu einem epidemischen saisonalen Virus weiterentwickelt. Wir haben dann alle einen gewissen Immunschutz dagegen und das Virus wird sich vermutlich abschwächen, sodass wir alle – ähnlich wie mit dem Grippevirus – dann damit leben können.
Das Interview wurde uns von der UKM-Pressestelle zur Verfügung gestellt.
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