Während auf der picknickdeckenbedeckten Parkwiese des Allwetterzoos Weinflaschen entkorkt und Häppchen gereicht werden, betritt (pünktlich auf die Minute) ein gut gelaunter Campino die Bühne. Zwischen Flaggen vom Liverpool FC und dem obligatorischen St. George’s Cross erinnert er an den Jahrestag des Mauerbaus und stellt Vergleiche zur (sicherlich eigens für diesen Zweck) aufgebauten Absperrung zwischen den beiden Hälften der Picknickwiese an. Nach diesem historischen Exkurs, natürlich geschickt mit der Biographie des Sängers verknüpft, wird direkt der zweite „Feiertag“ gewürdigt: Zur Feier des Linkshändertages hat Campino mit seinem Gitarristen Kuddel einen solchen mitgebracht.
Mit dem wohl besten Tote-Hosen-Fußballsong „Long way from Liverpool“ wird dann auch schnell das Programm des Abends klar: Es geht um Fußball, um England, um Musik und natürlich um das singende Aushängeschild der Toten Hosen selbst. Auch einen kleinen Seitenhieb auf Helge Schneider kann Campino sich nicht verkneifen; das Publikum dürfte sich ruhig Getränke holen, ihn störe das nicht, schließlich spiele man nicht so komplizierte Lieder wie „Katzeklo“. Und selbst wenn die sportlichen Erfolge in den letzten Jahren spärlich gesät waren, ist zumindest Lob für die Fans von Preußen Münster angebracht: „Das Sportliche kannste vergessen, aber die Fans sind konsequent.“
Passend zum allgegenwärtigen Fernweh, das auch im T.V. Smith-Cover „Hope Street“ mitschwingt, kreisen Störche und Modellflugzeuge über der Wiese. Wenn nicht gerade musiziert wird, sorgt ein uriges Tischchen mit einem kompliziert zu bedienenden Lämpchen und gewöhnungsbedürftigem Bier für die nötige Lesungs-Atmosphäre. So führt Campino die Zuhörer in Abschnitten seines Bestsellers „Hope Street: Wie ich einmal englischer Meister wurde“ durch seine Kindheit und Jugend im steten Pendelverkehr zwischen dem heimischen Mettmann und dem Küstenort Bude in Cornwall, der Heimat seiner Mutter. Neben einem Rückzugsort für die Familie findet der raue Charme der englischen Küste auch immer wieder Erwähnung als Inspiration beim Songschreiben. Und wir erfahren endlich, warum die Queen nichts auf dem Herrenklo zu suchen hat.
Thematisch drehen sich die Leseabschnitte nicht nur um seine Familiengeschichte, die für sichtliche Rührung sorgt, sondern stellen vor allem das Leben als Fußballfan und die Bedingungslosigkeit, die leidenschaftlich mitreisende Fans an den Tag legen, in den Mittelpunkt. So lernt der geneigte Zuschauer, wie man sich in Italien mit „Forza Napoli“-Rufen von marodierenden Jugendbanden rettet und, dass die beste Pizza eher die Konsistenz englischen Toastbrots hat und sich hervorragend aufrollen lässt.
Der musikalische Teil beweist, dass gute Songs auch in kleiner Besetzung mit Gitarre und Gesang hervorragend funktionieren. Hier präsentieren die Herren Frege und von Holst einen höchst angenehmen Querschnitt aus englischen Fußballsongs („Fields of Anfield Road“, „Poor Scouser Tommy“ „You‘ll never walk alone“), Stadiongesängen (auch im Suff selbst geschriebene!) und einigen Hosen-Klassikern. Neben der unvermeidlichen Schlager-Punk-Hymne „An Tagen wie diesen“, die unplugged erfreulich erträglich daherkommt, und dem Motivations-Kracher „Steh auf“ darf sich das Publikum aber auch an Perlen wie „Liebeslied“, „Auswärtsspiel“ und „Reisefieber“ erfreuen, bevor es zum Schluss mit „Eisgekühlter Bommerlunder“ augenzwinkernd heißt: „Am Ende war es wieder ein Säuferfiasko“. Auch der prägenden Mersey-Beat-Zeit in Liverpool wird mit „You‘re no good“ von Swinging Blue Jeans Tribut gezollt, zudem erklingen Klassiker von Johnny Cash („If we never meet again“) und Wreckless Eric („Whole wide world“).
Als dann am Ausgang noch Freibier verteilt wurde, konnten alle Beteiligten nur noch von einem gelungenen Abend sprechen und leise von belegten Broten mit Schinken und Ei singend in die Nacht entschwinden.
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