Beheimatet ist die Sulawesi-Erdschildkröte (Leucocephalon yuwonoi) eigentlich im Bergregenwald auf der zu Indonesien gehörenden Insel Sulawesi – eigentlich. Denn die Tiere sind durch illegales Absammeln an den meisten Stellen inzwischen ausgerottet worden. Aber glücklicherweise gibt es noch Tiere in zwei Artenschutzstationen. Eine liegt in den USA und die andere ist im Allwetterzoo Münster.
Der Allwetterzoo Münster ist der einzige Zoo in Europa, der die Sulawesi-Erdschildkröte hält und erfolgreich nachzüchtet – und sogar die einzige Einrichtung weltweit, die sie kontinuierlich über Jahre erfolgreich züchtet. Dies geschieht aber in einem für die Besucher in der Regel nicht einsehbaren Bereich, dem Internationalen Zentrum für Schildkrötenschutz – kurz IZS. „Sulawesi-Erdschildkröten sind stark von der Ausrottung bedroht. Im IZS können wir sie seit Jahren erfolgreich züchten, worauf wir ziemlich stolz sind, gehören diese Tiere doch laut IUCN (= Weltnaturschutzunion, Anm. d. Red.) zu den 25 am stärksten bedrohten Schildkrötenarten der Welt“, sagt Dr. Philipp Wagner. Er ist Kurator für Forschung und Artenschutz im Allwetterzoo und steht für eine neue Kooperation in engem Kontakt mit der Zoologischen Gesellschaft für Arten- und Populationsschutz (ZGAP). „Wir arbeiten schon seit Jahrzehnten sehr vertrauensvoll und eng zusammen. Das neue Projekt in Indonesien ist dennoch etwas ganz Besonderes, und ein weiterer Schritt in Richtung One Plan Approach.“ Nicht nur, weil hier die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den Partnern Allwetterzoo, ZGAP sowie dem Prigen Conservation Breeding Ark (PCBA) weiter intensiviert werde.
Die im Zuge dieser neuen Kooperation errichtete Anlage für eine neue Ex-situ-Population der bedrohten Erdschildkröten steht nicht autark, sondern wird Teil eines bereits großen und etablierten Zuchtzentrums, der PCBA. „Die Prigen Ark ist ein Artenschutz-Zuchtprojekt auf der Insel Java, Indonesien, das 2017 in enger Zusammenarbeit zwischen Taman Safari Indonesia, der KASI Foundation, der ZGAP, dem Vogelpark Marlow und anderen internationalen Institutionen gegründet wurde“, erklärt Mitinitiator der PCBA und Mitbegründer der ZGAP, Roland Wirth. „Die PCBA ist eine effektive und stetig wachsende Erhaltungszuchteinrichtung, die sich auf die bedrohten Arten Indonesiens konzentriert. Ursprünglich arbeiteten wir mit bedrohten Singvögeln und Java-Pustelschweinen, doch mit der zunehmenden Zahl von Bedrohungen, die viele andere endemische Arten gefährden, haben wir beschlossen, auch weitere Arten und Tiergruppen in die Erhaltungszuchtbemühungen aufzunehmen. Bei der Zusammenstellung der Artenliste arbeiten wir dabei eng mit der IUCN, der Asian Songbird Trade Specialist Group (ASTSG), dem Parosphromenus-Projekt und weiteren, internationalen Experten zusammen und beziehen diese mit ein. “So kommt es, dass auch eine Gruppe Sulawesi-Erdschildkröten ab Mitte 2022 in der indonesischen Artenschutzstation eine neue Heimat bekommt und dort für weiteren Nachwuchs sorgen soll.
Neben dem IZS in Münster und einer Institution in den USA wird das dann die dritte nennenswerte Population dieser hoch bedrohten Panzerträger weltweit. „Wir sind der Meinung, dass die Sicherung der Reservepopulation für künftige Wiederansiedlungen von zentraler Bedeutung für die Erhaltung der Arten ist. Dafür sollten Tiere an verschiedenen Orten gehalten und gezüchtet werden, um bestens auf mögliche Krankheiten oder andere Herausforderungen vorbereitet zu sein“, so Dr. Arne Schulze, Geschäftsführer der ZGAP.
Die Tiere für die PCBA werden ausschließlich aus Münster kommen. „Schon dieses Jahr konnten wir wieder einen Zuchterfolg für uns verbuchen. Dass unsere Tiere in Zukunft in Indonesien für den Erhalt dieser schützenswerten Schildkröten ausgewählt worden sind, freut uns dabei ganz besonders“, so Philipp Wagner. „Damit unterstreichen wir, dass für das Überleben einer Art die Zusammenarbeit von NGOs und Arten- und Naturschutzverbänden sowie wissenschaftlich geführten zoologischen Einrichtungen von enormer Bedeutung sind.“
Langfristig ist auch eine Wiederansiedlung von Tieren aus der Prigen Ark angedacht. Dafür muss aber zum einen die Population entsprechend groß sein, und „es muss ein Umdenken in der lokalen Bevölkerung stattfinden“, so Jochen Menner, der leitende Kurator der Prigen Ark, der aktuell auch den Bau des neuen Schildkrötenbereichs koordiniert. „Haltung von Wildtieren als Haustiere hat eine lange Tradition in Indonesien und wegen wachsendem Wohlstand steigt auch die Nachfrage nach immer ausgefalleneren Wildtieren. Aber aufgrund fehlender Kenntnis der in Menschenobhut anspruchsvollen und stressanfälligen Tiere, leben die allermeisten in der Regel nur für kurze Zeit. Egal ob Singvogel, Säugetier oder eben Schildkröten. Solange wir keine sicheren Gebiete haben, in denen wir bedenkenlos wieder ansiedeln können, würde dies keinen Sinn machen.“ Aber auch Lebensraumverlust setzt diesen Tieren sehr schwer zu. „Leider wird ihr natürlicher Lebensraum durch die Regenwald-Abholzung zugunsten von Palmölplantagen immer mehr begrenzt. Das macht die Suche nach geeigneten neuen Habitaten sehr schwierig. Nach derzeitigem Stand können die Tiere nur in menschlicher Obhut vor der Ausrottung bewahrt werden. Das zeigt, wie wichtig die Zuchterfolge im IZS oder auch in Prigen für den Arterhalt der Sulawesi Erdschildkröte sind.“
Transparenzhinweis: In unserer Medienpartnerschaft mit dem Allwetterzoo Münster ermöglichen wir vertiefende Einblicke in die Arbeit und den Alltag des Zoos am Aasee. Die Reihe bietet Blicke hinter die Kulissen und Berichte über die Menschen, die sich jeden Tag um das Wohl der Tiere bemühen.
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