Zu wenig Niederschläge und viele Wochen gar keine – Natur und Mensch leiden unter der Trockenheit. Prof. Dr. Helmut Grüning forscht im Bereich Stadthydrologie und Wasserversorgung. Er erklärt im Interview, wie wir aktuell und zukünftig mit diesen Folgen des Klimawandels umgehen sollten.
Herr Prof. Dr. Grüning, stimmt es, dass wir nicht genug Wasser haben?
Grundsätzlich geht Wasser weltweit nicht verloren: Bäche und Flüsse führen das Wasser in die Meere, dort verdunstet es und trifft als Niederschlag wieder auf Landflächen. Aber die Niederschläge verteilen sich zunehmend anders. In Deutschland haben wir Jahresniederschläge zwischen 400 bis 1800 Millimeter pro Jahr. Im Münsterland sind wir hier mit knapp 800 Millimetern jährlich in einem guten Mittelfeld. Eine generelle Wasserknappheit liegt nicht vor. Doch klimatische Veränderungen führen nicht nur zu lokalen Problemen, sondern sind eine globale Herausforderung, die uns alle betreffen: Wir erleben eine Zunahme ausgeprägter Hitze- und Trockenphasen, die durch extreme Niederschlagsereignisse unterbrochen werden.
Wie hängt beides zusammen?
Der Starkregen führt zu Überflutungen. Außerdem fließt das Wasser rasch über die Oberfläche und die Gewässer ab und reichert nicht den Boden mit Wasser an. Im Boden selber unterscheiden wir unter anderem zwischen pflanzenverfügbarem Wasser im Oberbodenbereich und dem Grundwasser, aus dem wir zu über 60 Prozent in Deutschland das Trinkwasser gewinnen. Diese Grundwasserkörper liegen etwa 100 Meter tief und benötigen zur Anreicherung langanhaltenden Regen. Die Regeneration des Grundwassers erfolgt üblicherweise im Winterhalbjahr. Folgen mehrere niederschlagsarme Jahre, sinkt der Grundwasserspiegel, und wir haben ein Versorgungsproblem. Die ausgeprägte Hitze führt dazu, dass oberflächennahes Wasser verdunstet, und es folgt ein Dürreproblem. Wir beobachten im Münsterland darüber hinaus eine Zunahme niederschlagsarmer Monate im Frühjahr, gerade dann, wenn die Pflanzen das Wasser zum Beginn der Vegetationsperiode benötigen.
Was muss sich aus Ihrer Sicht im Bereich der Wasserversorgung ändern?
Der anthropogene Klimawandel ist leider nicht mehr aufzuhalten. Wir können den Prozess nur dämpfen und uns auf die Folgen einstellen. Einfach tiefere Brunnen zu bohren reicht nicht aus. Die Wasserversorgung muss sich breiter aufstellen: Dazu kann die Vernetzung unterschiedlicher Versorgungsbereiche gehören, sodass ein Ausgleich zwischen Gebieten mit Wasserüberschuss und Mangelgebieten erfolgen kann. Weiterhin sollte Wasser durch unterschiedliche Arten gewonnen werden. In Münster wird beispielsweise Grundwasser gewonnen, aber auch Wasser aus dem Dortmund-Ems-Kanal entnommen. Das ist übrigens in erster Linie Flusswasser und kann gut aufbereitet werden. In Teilen Deutschlands tragen Talsperren dazu bei, dass Wasser auch im Sommer verfügbar ist. In der Wasserversorgung gibt es eine wichtige Regel: Nie mehr entnehmen, als nachkommt. Wenn der Regen ausbleibt, muss künftig also gespart werden. Ein Thema kann auch die Nutzung von behandeltem Abwasser für Bewässerungszecke sein.
Wie müssen wir mit den Herausforderungen in unseren Städten umgehen?
Im urbanen Raum müssen wir massiv umdenken. Wasser muss unmittelbar in der Stadt versickern und verdunsten. Wir müssen eine blau-grüne Infrastruktur entwickeln. Wasser trägt durch die Verdunstung zur Kühlung bei. Gerade Stadtbäume leisten durch Beschattung und Verdunstung einen wichtigen Beitrag zu einem angenehmen Stadtklima. Hier forschen wir an Baumrigolensystemen, um die Vegetation mit dem dort gespeicherten Regenwasser zu bewässern und durch dezentrale Rückhaltesysteme das Überflutungsrisiko zu begrenzen. Ideal wären kleine Parks und Seen im Abstand von einigen Hundert Metern, die durch entsprechend angeordnete Straßen eine Durchlüftung ermöglichen.
Damit können wir die Folgen der Hitze und Trockenheit mildern. Was muss passieren, dass die aktuellen Probleme nicht auch zukünftig unser Leben beherrschen?
Das mag hart klingen, aber wir müssen Verzicht üben und außerdem durch intelligente Lösungen auf die Herausforderungen reagieren. Dazu zählt in erster Linie die Reduktion des CO2-Ausstoßes. Die elf global wärmsten Jahre seit Beginn der Wetteraufzeichnung Ende des 19. Jahrhunderts liegen innerhalb der vergangenen 20 Jahre. Das sind keine natürlichen Klimaschwankungen. Wir müssen zudem bedenken, dass sogenanntes virtuelles Wasser in jedem Stück Fleisch und in jedem T-Shirt enthalten ist. Das bedeutet, wir nutzen damit auch Wasser in Ländern der Erde mit extremem Wassermangel.
Was können die Privathaushalte beitragen?
Der private Wasserbedarf pro Person ist in Deutschland in den letzten Jahren weniger geworden und pendelt sich derzeit auf etwa 120 Liter pro Einwohner und Tag ein. Das Wasser ist, wie gesagt, grundsätzlich ja auch vorhanden. Aber wenn es im Sommer knapp wird, müssen wir uns einschränken. Ein Rasensprenger verteilt in der Stunde etwa 700 Liter Wasser. Wenn jeder Liter zählt, dann hilft natürlich auch der Verzicht. Kein Autowaschen, kürzer duschen und ein Pool in jedem Garten muss vielleicht auch nicht sein. Wobei es mir schwer fällt, gerade Kindern den Badespaß zu nehmen.
Worin sehen Sie Ihren persönlichen Beitrag?
Die angesprochenen Themen sind wesentlicher Inhalt meiner Vorlesungen. Hier diskutieren wir Probleme und Lösungen. In diesem Jahre habe ich eine neue Vorlesung mit dem Thema „klimaresiliente Stadtentwicklung“ angeboten, die bei den Studierenden auf großes Interesse gestoßen ist. Am Institut für Infrastruktur – Wasser – Ressourcen – Umwelt forschen wir in diesem Bereich. Ein Beispiel sind die bereits angesprochenen Rigolensysteme: An drei Standorten in Nottuln untersuchen wir, wie die Systeme dimensioniert und optimal betrieben werden können.
Privat sind mir Grünbereiche im Garten wichtig, auch wenn die Hecke mehr Arbeit bedeutet als ein Plastikzaun. Steingärten sind tabu. Wir verzichten weitgehend auf Fleisch und benutzen häufig das mit reiner Muskelkraft angetriebene Fahrrad. Aber da geht sicher noch mehr.
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