Die historische Person Dr. Faustus hat nicht nur Goethe inspiriert, sondern auch Charles Gounod, der in seiner Oper „Faust“ aber natürlich Bezug auf Goethe nimmt. „Schönes Fräulein, darf ich wagen, meinen Arm und Geleit ihr anzutragen?“ fragt Faust, und Marguerite antwortet: „Bin weder Fräulein noch schön, kann ungeleitet nach Hause gehen.“ Das etwa fehlt auch bei dem französischen Opernkomponisten Gounod nicht, der ansonsten Goethes Faust recht verkürzen musste, zurzeit zu sehen im Theater Münster.
Er drückt der Oper in Münster, eine Inszenierung von Aron Stiehl, das Prägesiegel auf. Schillernd bunt schon die Kostümierung, mal im italienischen Nadelstreifenanzug, dann im Smoking oder gar im orangefarbenen Kleid mit auffälliger Brustbetonung. Er erscheint so schnell auf der Bühne wie er durch eine Luke im Boden in der Unterwelt verschwindet. Und nicht zuletzt wegen seiner unnachahmlichen Stimme, mal Bass, mal Bariton: Gregor Dalal als Mephisto. Die Oper wird natürlich auch in Münster im französischen Original gesungen. Oben, über der Bühne, werden jedoch deutsche Übertitel eingeblendet.
Die Geschichte von Dr. Faust, der sich dem Teufel verschreibt, um Jugend, Begierde und Liebe (zurück) zu erlangen, ist dann auch schnell erzählt. So dem Leben überdrüssig im Studierzimmer zwischen all den Büchern, die doch nur Wissen, nicht aber Leben bedeuten, beschließt Faust, seinem Dasein ein Ende zusetzen. Und das wäre wohl auch geglückt, hätte er nicht die liebliche Stimme von Marguerite vor dem Fenster gehört. Wunderschön gesungen von Henrike Jacob. Schon erscheint Mephisto oder vielmehr Méphistophélès. Schnell ist man sich einig: Seele gegen Jugend, Begierde, Liebe. Anfangs ziert sich die Schöne, doch schnell gibt sie sich hin. Und schon überfällt Faust wieder Überdruss. Doch Marguerite bekommt ein Kind. Das Drama nimmt Gestalt an…
Die Inszenierung in Münster ist schön, vor allem sind es Raffinessen und Kleinigkeiten, die das Ganze besonders machen: auf der Bühne befindet sich eine zweite, kleinere Bühne, die links und rechts von Fassaden gesäumt wird. Aus dreißig kleinen Fenstern, eher Schießscharten vergleichbar, lehnen Menschen, kommentieren, flirten, zanken, applaudieren, singen. Im ersten Obergeschoss strickt die gesamte Vorstellung lang eine Frau einen Schal, der nachher fast bis zum Boden reicht. Hinzu kommt ein Sinfonieorchester, das von Stefan Veselka in Top-Form präsentiert wird. Münster kann stolz auf dieses Ensemble sein, das immer wieder seine Qualität unter Beweis stellt.
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