Die ganze Bühne ist komplett in rot getaucht, selbst die seitlich links und rechts verlaufenden Reihen mit Metallspinden. So ist dann auch das Ochsen- und Schweineblut während der 120-minütigen Vorstellungen kaum zu vergessen. Denn darum geht es ja schließlich – vordergründig, um Fleischproduktion, Schlachtung, Ochsenbrüllen, Tierblut. „Die Heilige Johanna der Schlachthöfe“ von Bertolt Brecht wurde am Freitag in der Premierenvorstellung im Kleinen Haus gefeiert, nicht frenetisch – dafür ist der Stoff wohl auch zu ernst – doch durchaus mehr als wohlwollend. Naturgemäß bekommen die beiden Hauptdarsteller Sandra Bezler als gottesfürchtige Johanna Dark und Ilja Harjes als Fleischkönig Pierpont Mauler am meisten Anerkennung.
Dabei ist das Stück selbst in den kleinen Rollen hervorragend besetzt. Martin Bruchmann und Daniel Rothaug spielen gleich mehrere Rollen. Es ist ja inzwischen üblich, dass in Theaterproduktionen viel mit Projektionen gearbeitet wird – der Technik sei Dank. Allerdings überrascht das auch kaum mehr jemanden. Regisseur Frank Behnke und Dramaturgin Barbara Bily haben aber besonders zielsicher in die Trickkiste gegriffen. Die Zuschauer sehen durch eine Membran-Leinwand, wie die Darsteller sich im hinteren Teil gegenseitig beleuchten und filmen. Gesichter erscheinen zeitgleich in Großaufnahme auf der Leinwand, was einfach sehr bizarr wirkt. Zumal die Szenerie gleichzeitig durch Arbeitskleidung an Fleischerhaken illustriert wird. Dazu kommt, dass Johanna Dark manchmal – der Wirkung wegen und um die Organisation der Heilsarmee zu verdeutlichen – gleich von drei Schauspielerinnen dargestellt wird, die dann auch zu dritt sprechen. Ulrike Knobloch und Andrea Spicher sind aber ebenfalls noch in anderen Figuren zu erleben.
Die Geschichte selbst spielt in den Schlachthöfen in Chicago Ende der 1920er Jahre. Bei extrem niedrigen Löhnen schuften die Menschen den ganzen Tag, Sicherheitsvorkehrungen gibt es quasi nicht. Das führt dann schon mal dazu, dass ein Arbeiter gleich zu Wurst verarbeitet wird. Fleischkönig Mauler lässt sich zitieren: „Mit Ochsen hab ich Mitleid, der Mensch ist schlecht.“ Und schon führt er Johanna Dark, deren Namen natürlich nicht zufällig an Jeanne d`Arc erinnert, zum Schlachtbetrieb und bietet in Darks Beisein der Ehefrau des verschwundenen Arbeiters drei Wochen Mittagessen an, soweit diese nicht mehr nach dem Verbleib ihres Gatten fragt. Nach anfänglichem Zögern erklärt sie sich stillschweigend einverstanden. Überhaupt werden die Arbeiter zum Spielball von Marktmanipulationen, in denen die Fleischpreise künstlich getrieben werden, Arbeiter werden ausgesperrt. Johanna Dark geht hingegen als Mitarbeiterin der Heilsarmee in ihrer „Missionsarbeit“ weiter, muss jedoch erkennen, dass die „Hinwendung zu Gott“ kontraproduktiv sein kann.
Musikalisch begleitet Jonas Nondorf in schicker Uniform der Heilsarmee auf der Hammond-Orgel, eine gewisse religiöse Grundstimmung ist somit omnipräsent.
- Das sprechende Tier im Jazz-Keller - 8. Februar 2017
- Mit flotter Musik schmecken Crêpes viel besser - 23. Januar 2017
- Früher waren Dick und Doof mal zwei - 23. Januar 2017