Während des 30-jährigen Krieges tanzte das „Ballet de la Paix“, um die Teilnehmer der langwierigen Friedensverhandlungen bei Laune zu halten. Heute, 375 Jahre später, nimmt das Westfälische Friedensballett seine Zuschauerinnen und Zuschauer mit auf eine Reise – sowohl in den Krieg als auch in den Frieden.
Als geschichtsträchtige Kulisse für die Premiere des Westfälischen Friedensballetts diente am Donnerstag das Krameramtshaus am alten Steinweg, heute „Haus der Niederlande“, in dessen Gemäuern die Verhandlungen einst stattfanden. Und so verwunderte es nicht, dass die Türen sich mit lautem Quietschen schlossen, um das etwa 50-köpfige Publikum der Premiere in die Vergangenheit zu entführen. An den Wänden standen mit Kissen bedeckte Holzbänke – „Jeder sitzt heute in der ersten Reihe“ hörte man einen der Gäste flüstern. Und die Atmosphäre war tatsächlich derart intim, dass kurz darauf, bei der Inszenierung einer Ballettstunde, bei den Tänzern und Tänzerinnen das Zittern der Fußmuskulatur zu erkennen war.
Doch wer sich im Schwanensee wähnte, wurde schnell aus diesem Traum gerissen – und zwar mit lauter elektronischer Musik und einem Szenenwechsel, der das Publikum unsanft mit auf ein Schlachtfeld zog. Sechs sichtbar trainierte Menschen bewegten sich flink und grazil zu einem bedrohlich wirkenden und gleichzeitig hypnotisierenden Rhythmus – mal im Kampf, mal in enthemmter Ekstase. Jugendfrei war die Darstellung nicht, aber vielleicht gerade deswegen so fesselnd. Halbnackte Körper räkelten sich nur wenige Zentimeter am Zuschauer vorbei und wer glaubte, dass man nicht noch mehr integriert werden könne, fand sich plötzlich in tiefgründigen, kleinen Gesprächskreisen mit den Künstlern und Künstlerinnen wieder. Der Abend regte zum Fühlen und Nachdenken an. Und das ist auch das Ziel von bodytalk: Tanz-Theater mit politischem Inhalt. Das Projekt wurde 2008 von Yoshiko Waki und Rolf Baumgart gegründet. René Haustein, einer der Tänzer teilte seine Gedanken, die er vor dem Auftritt hatte: „Jetzt fängt die Arbeit an. Frieden sehe ich als meine Aufgabe.“ Mit der Premiere sei er zufrieden, nicht zuletzt auch mit seiner eindrucksvollen Rap-Performance, dessen raue Wortwahl dem einen oder anderen im Publikum vielleicht fremd sein mochte. „Wenn man Krieg personifiziert, muss es krass sein“, erklärte er.
Die Show spielt mit Kontrasten: Krieg und Frieden, Liebe und Hass, Armut und Reichtum. Letzteres wurde in einer Szene dargestellt, in der ein Teil der Gruppe in prachtvollen barocken Roben Snacks an das Publikum verteilte, während zwei Tänzer wie arme Tiere in einem Käfig gehalten wurden. „Ich hätte ihnen am liebsten mein Stück Käse abgegeben“, so eine Zuschauerin. Das Westfälische Friedensballett ließ jedoch trotz aller Brutalität und Ernsthaftigkeit niemanden mit einem schlechten Gefühl nach Hause gehen. Der Abend endete mit beruhigenden Klavierklängen und einem wohl verdienten Applaus.
Die Aufführung findet noch bis zum 6. August 2023 statt. Karten gibt es unter Pumpenhaus
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