Jutta Benneker greift in den Boden, der staubtrocken wie Pulver durch ihre Finger rieselt. Es ist der Boden, in dem das gedeiht, was ihre Familie ernährt, vier Hektar Wein und 400 Olivenbäume. Doch der Klimawandel hat die Region im süditalienischen Apulien fest im Griff. Was die gebürtige Münsterländerin dort mühevoll aufgebaut hat, droht zu vertrocknen.
Situationen wie diese sind typisch für die letzten Jahre, der Himmel ist wolkenverhangen, alle Zeichen stehen auf Regen doch es fällt kein einziger Tropfen. Wenn Jutta Benneker vor ihrem Haus in der Nähe der süditalienischen Gemeinde Mottola sitzt, ist die Sorge vor allem um ihre jungen Weinstöcke förmlich greifbar. „Wenn das so weitergeht, wird Süditalien bald kein Weinanbaugebiet mehr sein.“ Die gebürtige Seppenraderin ist Realistin genug um zu sehen, dass die anhaltende Trockenheit der letzten Jahre nicht nur ihren Weinstöcken und Olivenbäumen den Garaus macht.
Eine Jugend in Münsters linker Szene
Jutta Bennekers Lebenslauf liest sich, wie eine Reise durch Münsters alternative und linke Geschichte. Mit einem super Abitur in der Tasche, kam sie Mitte der 1980er nach Münster, um zunächst Ethnologie zu studieren. Schnell war ihr klar, dass dies nicht ihr Fach ist und so wechselte sie zu Germanistik und Spanisch. „Aber als wir dann Fontanes ‚Effi Briest‘ behandelt haben, fand ich das so unglaublich langweilig, dass ich das Studium abgebrochen habe“, erzählt die 57-Jährige lachend. Wesentlich spannender fand sie Münsters linke Szene, deren bunte Mischung aus Antifaschisten, Autonomen, Atomkraftgegnern, Umweltaktivisten, Hausbesetzern und weiterer Gruppen sich unter anderem im anarchistischen Zentrum „Themroc“ traf, das von 1988 bis 1992 in einem Gebäude an der Bremer Straße angesiedelt war. „Ich hatte damals Kontakt zu vielen sehr interessanten Menschen, zu Paul Wulff oder Winni Nachtwei zum Beispiel.“
„Über die Politszene bin ich zum Drucken gekommen. Damals war es von großer Bedeutung für politische Gruppen, über Möglichkeiten zum Drucken zu verfügen. So habe ich die ‚Druckwerkstatt‘ am Hafen kennengelernt und dort die Ausbildung zur Druckerin gemacht.“ Die „Druckwerkstatt“ wurde kollektiv betrieben und produzierte hauptsächlich linke und alternative Medien, dort erschien unter anderem das legendäre „Stadtblatt“, bei dem zum Beispiel der Wilsberg-Autor Jürgen Kehrer seine Kariere als Journalist und Herausgeber startete. „Irgendwann wurde die ‚Druckwerkstatt‘ immer weniger kollektiv und ich bin dort weggegangen“, erinnert sich Benneker. 1995 reiste sie erstmals nach Italien zu der linken Kommune Urupia in Francavilla Fontana, in der italienische und deutsche Aktivistinnen und Aktivisten damals anfingen, verwahrloste landwirtschaftliche Flächen zu rekultivieren um unter anderem Oliven und Wein anzubauen. Hier lernte sie ihren heutigen Partner Mimmo Caragnano kennen.
Naturwein – Mehr als Bio
2001 zog sie zu ihm nach Mottola. „In den ersten sieben Jahren lebten wir in einer Hütte ohne Strom. Es gab zu der Zeit dort nur Olivenbäume, ich habe dann damit begonnen, Wein anzupflanzen. Das alles mit einem kleinen Kind, was nicht immer einfach war.“ Als das zweite Kind auf dem Weg war, haben die beiden ein Haus gebaut. „Als die Maurer noch zugange waren, kamen wir mit dem Traktor, dem Baby und einem Anhänger voll mit unserem kompletten Hausrat angefahren, um einzuziehen. Die Maurer trauten ihren Augen nicht!“, berichtet die Weinbäuerin lachend. Der Wein, den Jutta Benneker gemeinsam mit ihrem Partner Mimmo Caragnano unter dem Namen „Pantun“ produziert, ist Naturwein. Das heißt, dass die Trauben nicht nur ökologisch angebaut werden, wie beim Bio-Wein, sondern auch bei der weiteren Verarbeitung auf Zusätze und Hilfsmittel weitestgehend verzichtet wird. Das komplexe Wissen, das hierfür notwendig ist, hat Benneker aus der Literatur und aus der inzwischen umfangreichen eigenen Erfahrung. Wer ihr beim Erzählen über den Anbau und die Verarbeitung des Weins zuhört, kann sich dieser Begeisterung schwer entziehen und spätestens beim zweiten Glas springt der Funke über.
2013 errichteten die Beiden neben ihrem Haus eine Cantina, in der ihr Wein produziert wird. Nach und nach sprach sich die Qualität des Weins, der anfangs nur auf Märkten ausgeschenkt wurde, herum. Zahlreiche gute Restaurants der Region hatten den Wein Marke „Pantun“ entdeckt, Lieferungen des gesuchten Naturweins gehen in die halbe Welt. Rund 10.000 bis 13.000 Flaschen produzierten Jutta Benneker und Mimmo Caragnano zeitweise pro Jahr. „Seit 2017 schreitet der Klimawandel immer schneller voran, die Dürre hat den Ertrag auf etwa ein Drittel reduziert. Vor allem im Winter regnet es immer weniger, das merken auch die Olivenbäume. Unsere Cantina hat Risse bekommen, weil der Lehm im Boden sich wegen der Trockenheit zusammenzieht. Wenn man auf dem Land lebt, merkt man solche Dinge schneller und direkter.“ Bewässerung hält sie für etwas, was zur Überbrückung eines oder zweier Dürrejahre taugt, aber nicht als Dauerlösung. Denn, so Benneker, wo soll auf Dauer das Wasser im Boden herkommen?
Offen für Besucherinnen und Besucher
Zwischendurch denkt die 57-Jährige immer mal wieder an Münster zurück, an die Zeiten in der, wie sie sagt, wirklich tollen WG, die „Druckwerkstatt“ am damals alles andere als mondänen Hafen oder das „Themroc“. An eine Rückkehr denkt sie allerdings nicht. Wenn die Kinder soweit selbstständig sind, wird das Land verkauft, möglichst an Menschen, die den Gedanken des biologischen Landbaus teilen. Vom Erlös kaufen sie eine Wohnung in der Stadt. Bis dahin ist aber noch Zeit. Und wer Lust hat, bei einem Besuch in Süditalien viele spannende Dinge über Wein zu erfahren, ist bei Jutta Benneker und ihrer Cantina „Pantun“ auf jeden Fall richtig! Ohne ein paar Flaschen in der Tasche und den Kopf voller spannender Infos zum Thema Wein wird niemand die Cantina verlassen, soviel steht fest.
Kontakt: Telefon: +39 3467474210; Azienda agricola Caragnano Domenico, Contrada Pantoni n.6, 74017 Mottola TA. Mail: pantun6@libero.it Webseite: Cantina Pantun
Fotos: Michael Bührke
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