Am heutigen Palmsonntag wird des Einzugs Jesu Christi in Jerusalem gedacht. Das Motiv des Königs, der auf einem Esel reitend kommt, findet sich als Sinnbild des gewaltlosen Friedenskönigs. Doch gerade die Nachfahren dieses Tieres, das Jesu Christi friedvoll nach Jerusalem getragen haben soll, erfuhren in den vergangenen Jahrzehnten viel Gewalt und Qualen. Doch es gibt Hoffnung. So haben die 55 afrikanische Staatsoberhäupter am 18. Februar 2024 auf dem 37. Gipfeltreffen der Afrikanischen Union in Äthiopien eine Entscheidung zu Gunsten der Esel getroffen. Es geht um ein Verbot der Schlachtung von Eseln zur Gewinnung eines prestigeträchtigen Kosmetik- und Medizinprodukts, dem „Ejiao“.
Insbesondere in ländlich geprägten Regionen Afrikas sind Esel fester Bestandteil des Alltags. Mit ihnen wird Wasser geholt oder die Ware zum Markt getragen. Ferner sind sie Arbeitstiere, ermöglichen ein Einkommen, wodurch wiederum Kinder zur Schule können. Kurz gesagt: Esel ermöglichen Familien ein Leben. Dr. Philipp Wagner, Kurator für Forschung und Artenschutz am Allwetterzoo Münster, weiß: „Esel bedeuten Wohlstand für die ganze Familie. Ohne Esel kein Leben.“
Eselhaut in Kosmetik und „Medizin“
Eine ganz andere Aufmerksamkeit bekommen die Tiere jedoch, wenn sie in den Kontext mit der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) gestellt werden. So floriert seit mehreren Jahren der Handel mit verarbeiteter Eselshaut, die verarbeitet zu „Ejiao“ als vermeintliches „Wundermittel“ in der Traditionellen Chinesischen Medizin gilt. Das Produkt besteht aus Eselshaut und wird in gummiartigen Blöcken, als Gelee oder in Pulverform verkauft. Von den Konsument*innen werden die Stücke entweder direkt verzehrt oder in traditionellen Rezepten weiterverarbeitet. Zudem findet Ejiao seit einigen Jahren Anwendung in der Produktion von Kosmetikprodukten wie Hautcremes. Die größte Nachfrage nach Ejiao gibt es dabei in China. Aber längst auch ein internationaler Markt – unter anderem in den USA, Kanada und Europa – entwickelt.
Nachfrage fördert illegalen Handel
Weltweit steht einer Eselpopulation von etwa 50,45 Millionen, so die Schätzungen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) aus dem Jahre 2021, eine Nachfrage von bis zu fünf Millionen Eselshäuten für die Ejiao-Produktion gegenüber. „Die Nachfrage nach Eseln binnen eines Jahres kann also durch die natürliche Populationsgröße – wenngleich wachsend – nicht nachhaltig gedeckt werden“, rechnet Wagner vor. Welche Folgen das haben könne, zeige sich in China, dem Epizentrum von TCM. Denn dort sank die Zahl der Esel von schätzungsweise elf Millionen in 1992 auf etwa 2,3 Millionen in 2020. So wurde der Grundstein für einen florierenden illegalen Handel eingeleitet. Die Diebe würden die Tiere, die nachts meist frei umherlaufen, stehlen und beschaffen sich entweder vor Ort das wertvolle Gut – die Haut der Tiere – oder bringen die lebenden Tiere zum Verkauf in die Schlachthäuser.
Zu große Nachfrage
Wie unter anderem die Welttierschutzgesellschaft (WTG) mitteilt, kann auch die gezielte Nachzucht der Tiere den enormen Bedarf bei Weitem nicht decken. So sind die Tiere zu einem begehrten Gut geworden. „Das hat in den vergangenen Jahren in Ostafrika, wo die Esel als treue Gefährten gelten und nicht selten die einzige Existenzgrundlage der Menschen sind, fatale Folgen“, weiß Dr. Philipp Wagner vom Allwetterzoo.
Schlachthäuser nur für Esel
Kennen Europäer Schlachthäuser in erster Linie für Kühe, Schweine und Hühner, gibt es in einigen afrikanischen Ländern reine Esel-Schlachthäuser. So habe sich laut der WTG vor allem Ostafrika binnen weniger Jahre zu einem Zentrum des Eselhauthandels entwickelt. Hintergrund ist die Gewinnung des vermeintlichen chinesischen Heilmittels „Ejiao“. Dieses wird aus Eselshaut gewonnen und führte zum Tod von vielen Millionen Tieren in den vergangenen Jahren.
2014 eröffneten in Tansania in den Regionen Dodoma und Shinyanga zwei Esel-Schlachthäuser, von denen letzteres bis 2021 agiert habe, so die NGO. Das Schlachthaus in Dodoma wurde 2017 geschlossen. Gleichzeitig wurden in Kenia vier Esel-Schlachthäuser erschaffen, in denen bis zur Schließung im Sommer 2020 jeweils bis zu 400 Esel am Tag geschlachtet und verarbeitet wurden – stets weit mehr, als per Lizenz eigentlich erlaubt, wie die WTG mitteilt.
Zeichen der Hoffnung
Die historische Entscheidung der 55 afrikanischen Staatsoberhäupter, die Esel vor Massenschlachtungen zu schützen, wurde von Zahlreichen NGOs begrüßt. Es ginge hier um die Anerkennung der lebenswichtigen Bedeutung von Eseln in ganz Afrika auf höchster Entscheidungsebene. Demnach wird das Meilensteinabkommen nicht nur dazu beitragen, die vielen Millionen Esel des Kontinents vor Diebstahl, Handel und Schlachtung zu schützen, sondern auch Zehntausende Gemeinden in ganz Afrika schützen, deren Wohlergehen und Lebensunterhalt von diesen Tieren abhängt, freut sich auch die britische NGO „The Donkey Sanctuary“.
Langjähriges Engagement wird endlich belohnt
Da die Nachfrage nach Ejiao in den vergangenen Jahren weiter gestiegen ist, sind Esel in Afrika einer sehr realen existenziellen Bedrohung ausgesetzt. Der Schritt, das Schlachten von Eseln wegen ihrer Häute in ganz Afrika zu verbieten, wird dem Handel mit Eselshäuten einen schweren Schlag versetzen. Die starke und einheitliche Botschaft der Staatsoberhäupter Afrikas an die Welt über die dringende Notwendigkeit, die Zukunft dieser wertvollen Tiere zu sichern, ist eine wichtige Botschaft, sind sich zahlreiche Expert*innen sicher. So auch Dr. Calvin Solomon Onyango, Direktor von The Donkey Sanctuary in Kenia. Er wird in einer Pressmitteilung der NGO mit den Worten zitiert: „Hier in Kenia erleben wir aus erster Hand die verheerenden Auswirkungen des Eselsfellhandels.“
Esel als gefährdete Art in Afrika?
Nicht nur die schreckliche Behandlung dieser sanften Tiere, sondern auch die Auswirkungen, die sie auf Frauen, Kinder und die Gemeinschaften hat, die für ihr soziales und wirtschaftliches Leben auf Esel angewiesen sind. „Wir freuen uns daher außerordentlich, dass die afrikanischen Staatsoberhäupter das Schlachten von Eseln wegen ihrer Häute auf dem gesamten Kontinent verboten haben“, so der Direktor weiter. „Basierend auf dem, was wir hier in Kenia gesehen haben, wenn die Ausbeutung von Eseln in dem Ausmaß weitergehen würde, wie wir es gesehen haben, in weiteren drei bis sechs Jahren könnten Esel neben Nashörnern und Elefanten als gefährdete Art in Afrika gelten.“
Die wichtigsten Fragen rund um die „schwarze Gelatine“ beantwortet unter anderem die Welttierschutzgesellschaft auf ihrer Homepage.
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