Elf Jahre, elf mal satter Sound am Hawerkamp. 13.000 Freunde der Musik und 32 Bands sorgten am Wochenende dafür, dass am Kamp ordentlich die Wände wackelten. Bereits am frühen Samstagmorgen war es mit der „Samstagsruhe“ vorbei und es wurde ohne Unterbrechung bis in die Nacht gefeiert.
Auf 3 Open-Air-Bühnen und der Clubstage in der benachbarten Sputnikhalle gab es auch in diesem Jahr wieder ein ausgewogenes Lineup zu bestaunen. Der Startschuss zum Vainstream fiel aber traditionell bereits am Freitag – Mit 3 Bands begab man sich zur „Opening Night“ in den Skaters Palace. Tamas, Vitja und die kurzfristig für Bury Tomorrow eingesprungenen Any Given Day sorgten hierbei für die musikalische Begleitung. Dass der Palace aus allen Nähten platzte, ist mindestens genau so Tradition.
EM-Feeling auch beim Vainstream
Alle 4 Jahre steht das Festival auch vor der Herausforderung, dass König Fußball den Terminplan des Festivals kreuzen könnte. Musste vor 4 Jahren Slayer gegen die deutsche Nationalelf antreten, die gerade ihr erstes Vorrundenspiel gegen Portugal im ukrainischen Lwiw absolvierte, war es diesmal ungleich spannender. Gegen den Angstgegner Italien ging es diesmal um den Halbfinaleinzug. Auf dem Vainstream machte man bereits damals aus der Not eine Tugend und bot den Fußballbegeisterten unter den Rockfans ein „Rudelgucken“ an. Vor 4 Jahren noch in der, mittlerweile zur Spielstätte umfunktionierten Sputnikhalle, am Wochenende dann unter freiem Himmel auf einem extra dafür hergerichteten Areal, der „Happy Area“.
Zwei Headlinern des Festivals dürfte dies wohl einige Zuschauer gekostet haben, auch wenn das bei einem Blick vor die Bühnen nicht auffiel. Schon kurz nach Anpfiff hieß es „Kein Einlass mehr“. Flogging Molly und Heaven Shall Burn waren aber auf der Bühne gut unterrichtet und versorgten die feiernde Menge regelmäßig mit Zwischenständen. Der Stimmung tat das Spiel natürlich keinen Abbruch, Musik ist manchmal einfach wirkungsvoller als ein EM-Viertelfinale.
Vainstream zeigt sich wie immer vielfältig
Man merkt es schon ein wenig an den beiden erwähnten Headlinern, das Vainstream steht nicht für ein einseitiges Lineup, sondern vereinigt seit jeher verschiedene Musikstile. Nicht jedem erschließt sich auf Anhieb, dass es durchaus stimmig ist, wenn wuchtiger Metalcore von Heaven Shall Burn direkt auf Irish-Folk-Punk folgt, den Flogging Molly den Zuhörern servierte. Aber so ist es, es passt ganz ausgezeichnet. Auch wenn die Diskussion in diversen Medien immer wieder entbrennt, so reichte ein Blick auf den Platz um sich vom Gegenteil zu überzeugen. Die Stil-Schere ging sogar noch weiter auseinander. Wer Irish-Folk-Punk und Metalcore schon für schwer vereinbar hält, der hatte Schlager(-Satire) und HipHop sicher nicht auf dem Zettel. Aber auch bei K.I.Z., den wortgewandten und smarten Berliner Rappern und bei Christian Steiffen, dem „Schlagerstar“ aus Osnabrück war das Bild ähnlich, kaum freie Plätze vor der Bühne und ausgelassene Feierei.
Es ist wohl gerade das, was das Festival ausmacht, dass man seine Augen nicht immer nur geradeaus hält, sondern die Blicke und vor allem die Ohren auch mal abschweifen lässt und wahrnimmt, was sonst noch so musikalisch passiert. Der Erfolg gibt den Veranstaltern recht. „Es mag auf den ersten Blick nicht zusammenpassen, aber ein Frank Turner oder K.I.Z. beispielsweise sind in der ‚Szene‘, die wir ansprechen, durchaus akzeptiert“, erzählt uns Tom Naber vom Veranstalter-Team.
Mehr als nur Headliner
Ein Festival besteht aber nicht nur aus den Bands, die fettgedruckt ganz oben auf den Plakaten stehen. Die Zeit vor den Headlinern dient schließlich nicht nur der Hintergrundbeschallung. So sorgte bereits die erste Band am Tage für gute Unterhaltung, die Newcomer von Any Given Day starteten pünktlich zur Frühstückszeit um 9:45 Uhr und eröffneten das Festival – knackiger Metalcore gegen die Restmüdigkeit. So ging es weiter durch den Tag, Silverstein, fast schon alte Bekannte in Münster, gaben sich ebenfalls wieder die Ehre. Ein Höhepunkt am Nachmittag waren definitiv die US-Punks von Anti-Flag, die mit Münsteranern zusammen einen riesigen Abriss feierten und sich auch nicht zu fein waren, ein Teil des Sets im Publikum zu spielen.
Auf den Hauptbühnen ging jetzt Schlag auf Schlag und die großen oder größeren Namen gaben sich die Klinke in die Hand. Eine Ruhepause gab es hier nach Stick To Your Guns und Caliban erst, als der Singer-Songwriter Frank Turner die Bühne betrat. Der sympathische Brite musste sein Set beim einzig nennenswerten Regenschauer beginnen, was der Stimmung aber fast eher zuträglich war. Von einem Platzregen ließ man sich die Laune nicht verderben, Regenkonzerte haben ja bekanntlich ihren ganz eigenen Zauber. Die Clubstage bot derweil nicht nur einen trockenen Platz, sondern auch hier wurde ordentlich gefeiert. Klassischer Hardcore mit Turnstile oder Beartooth sorgte dafür, dass auch hier wegen Überfüllung zeitweise die Tore geschlossen waren.
Headliner – Es gab sie aber doch
Boysetsfire waren es dann, die nach Frank Turner den Reigen der ganz großen Namen dieses Vainstreams eröffneten. Die US-Amerikaner um den charismatischen Nathan Grey sind in diesem Jahr heiß begehrt, denn nicht nur musikalisch und live sind sie eine sichere Bank, sondern werden nach der laufenden Tour erstmal eine Bandpause einlegen. Nathan Grey möchte sich zunächst seinem Soloprojekt widmen. Auf dem Vainstream gaben sie wohl nicht nur deshalb Vollgas, auch wenn es zunächst etwas Probleme mit dem Sound gab. Greys Stimme kam zunächst nicht wirklich gegen den Sound der Instrumente an, gestört hat es aber wohl kaum jemanden.
Zu K.I.Z. muss man eigentlich nicht mehr viel sagen. Smarte Texte, klare Worte, kein Blatt vor dem Mund und das alles immer mit einem zwinkernden Auge, so gab es von ihnen 50 Minuten lang absoluten Hip-Hop-Power und nicht immer jugendfreie Texte, die nur all zu gerne mutgegrölt wurden. Flogging Molly und Heaven Shall Burn hatten im Anschluss, wie bereits erwähnt, die „Fußball-Bürde“. Punkig-folkige Sing-A-Longs der irisch-amerikanischen Folk-Punker und eine bombastische und druckvolle Metalcore Show von Heaven Shall Burn ließen ein Viertelfinale aber locker im Schatten stehen. Auf den Hauptbühnen ging nun für 2016 endgültig das Licht aus, während ein besonderes Schmankerl aber noch auf der Clubstage wartete. Street- und Hardcore-Punk mit den Casualties sorgte in der überfüllten Sputnikhalle für ein großes Ausrufezeichen zum Schluss. Wen interessiert da noch, dass Deutschland im Elfmeterschießen mit 6:5 gegen Italien gewonnen hat …
Das Vainstream 2016 in Bildern gibt es hier.
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