Am vorletzten Sonntag spielte sie die erste von 2 Benefiz-Shows in ihrer ehemaligen Heimat zugunsten des Familienhauses am Universitätsklinikum Münster. Am Dienstag darauf fand Ute Lemper vor der zweiten Show einige Minuten Zeit, um mit uns zu sprechen:
Frau Lemper, woher kommt Ihr großes Engagement für den Verein „Familienhaus am Universitätsklinikum Münster“?
Vor über 23 Jahren hat mich die Frau Schlattmann (heutige 1. Vorsitzende des Vereins, Red.) angeschrieben, während ihr Kind aufgrund einer Krebserkrankung hier in Behandlung war. Sie hatte bemerkt, dass es im Gegensatz zu Heidelberg z. B. in Münster kein Familienhaus gibt. Sie als „Kämpfer-Mutter“ hat daraufhin gesagt, „Sowas müssen wir hier in Münster auch organisieren. In Münster wird Krebsforschung betrieben, es gibt Krebsstationen und da kommen die Leute von überall her. Wir müssen ein Familienhaus schaffen, wo sonst sollen die Eltern bleiben, gerade bei langwierigen Behandlungen“. Ich habe darauf gleich reagiert, „Klar, wir machen das!“. Daraus ergab sich dann das erste Benefizkonzert, Anfang der 90er, damals noch im Stadttheater Münster. Jetzt geht es um die Sanierung/Renovierung des Hauses, das seit 20 Jahren voll ausgebucht ist. Die Idee für diese Konzerte schwelte schon länger und da ich im Januar hier sowieso Termine hatte, haben wir die Konzert jetzt gemacht.
Sie sind also nicht extra für diese Konzerte angereist?
Nein, ich hatte gestern sowieso einen Termin hier, es musste natürlich passen. Ich bekomme ja für diesen Auftritt keine Gage und muss meine Musiker oben drauf bezahlen, die aus New York und Buenos Aires kommen. Das sind für mich auch riesige Kosten, die ich gerne, gerne trage, dies ist dann meine Spende, dass ich das alles finanziere. Um es einfacher zu machen, traf es sich aber gut, dass hier sowieso etwas zu tun war. Morgen fahre ich noch zu einer Pressekonferenz für die Ruhrfestspiele, auf der ich mein neues Programm präsentieren werde.
Sie wohnen jetzt schon lange Zeit in New York, wie oft sind sie da noch in Münster, der alten Heimat?
Ich wohne jetzt seit 18 Jahren in New York. Nach Münster ging es ja erst mal nach Wien, dann für viele Jahre nach Paris, nach London, dann zurück nach Berlin im Kalten Krieg, zurück nach Paris in den 90ern, wieder nach London und schlussendlich dann nach New York. In Münster lebe ich schon seit dem Abitur nicht mehr. In Deutschland bin ich noch regelemäßig, aber nicht immer schaffe ich den Sprung nach Münster, da der Tourplan oft sehr straff organisiert ist. Ich muss dann ja auch immer schnell zurück zu meiner Familie und meinen Kindern, daher buche ich die Tourneen immer im „Selbstmördertempo“. Das ist manchmal ganz schöner Wahnsinn, jeden Tag ein Konzert geben. Manchmal wäre es einfacher, doch wieder in Europa zu leben.
Bekommen Sie denn trotzdem noch mit, wie sich Münster entwickelt oder was hier gerade passiert?
Ja, das sehe ich schon, allerdings eher im Schnelldurchlauf. Gestern zum Beispiel im neuen Landesmuseum, da war es sehr schön, der Direktor hat mir eine Tour gegeben durch die Ausstellung „Das nackte Leben“, das war schon toll, gerade die Architektur des neuen Gebäudes.
Wenn Sie dann doch mal in Münster sind, was sind hier Ihre Lieblingsplätze, was macht Münster für Sie aus?
Weihnachtsmarkt! Zur Weihnachtszeit gehen wir immer auf dem Weihnachtsmarkt, Brat- und Currywurst essen. Die Kinder gehen ins Karussell und wir kaufen dort viele Sachen. Auch in den Allwetterzoo gehen wir gerne oder düsen durch die Stadt und entdecken, was sich hier verändert hat. Im Boniburger Wald habe ich mir auch meine alte Schule, das damalige Mädchengymnasium St. Mauritz, mal wieder angeschaut, ansonsten gehen wir gerne an der Schleuse spazieren oder ich besuche alte Schulfreunde und Verwandte.
Wie man hört und liest, sind sie ja sehr beschäftigt, findet man noch genug zu Zeit für privates? Was machen Sie, wenn Sie mal Freizeit haben?
Dann kümmere ich mich eigentlich nur um meine Kinder, wir gehen Eislaufen, auf den Markt, Kegeln oder sind auf dem Spielplatz. Mit der größeren Tochter gehe ich auch gern Shoppen oder Kaffeetrinken. Was auch immer, wenn ich Zeit habe, widme ich sie ganz klar erst mal den Kindern, ab und zu, leider sehr selten, widme ich sie auch mir selbst. Dann gönne ich mir eine Massage oder Pediküre, das lässt sich allerdings an einer Hand abzählen. Im Sommer fahren wir alle zusammen in unser kleines Landhäuschen und lassen es uns zum Beispiel beim Tennisspielen gut gehen oder machen andere schöne Sachen, die dann auch für mich sind.
Sie sind auf den Bühnen der Welt zu Hause, haben in Kinofilmen, Serien oder Musicals mitgespielt. Widmen Sie sich nur noch ihren eigenen Projekten, oder haben Sie noch viele Engagements?
Filme drehe ich sehr wenig und Theaterproduktionen mache ich auch kaum noch. Ich mache meine eigenen Konzerte, aber die sind eben sehr vielfältig. Das kann „recyceltes“ sein, wie heute Abend zum Beispiel (Best-of-Programm, Red.) mit 2 Musikern oder aber auch größere, noch ein wenig mehr musikorientierte Geschichten mit bis zu 6 Musikern. Dann habe ich ja noch viele andere Programme, das Chanson-, mein Pablo Neruda- oder das Charles Bukowski-Programm mit meinen Kompositionen. Außerdem mache ich noch Avantgarde-Jazz oder Tango/Worldmusic oder spiele Konzerte mit Sinfonieorchestern, Big-Bands oder Streichquartetten. Ich bin also „Solistin“, das ist das, was mir am besten gefällt, dass ich mein eigenes Programm auswählen kann und frei bin in meiner Gesangsinterpretation. Man soll niemals nie sagen, aber jetzt noch mal eine Broadway-Produktion oder dergleichen, das müsste nicht unbedingt sein. Ich bin da viel glücklicher in meinen eigenen Konzerten.
Sie sagten mit Ende 20 mal in einem Interview: „Ich bin überhaupt kein Mensch, der in der Zukunft lebt, sondern immer nur im Heute“. Wie sind die Prioritäten heute, also 3-4 Jahre nach diesem Zitat?
(lacht) Das ist immer noch so, ich bin niemand, der große Zukunftspläne hatte oder auf irgendetwas hinausgearbeitet oder gewartet hat. „Go with the Flow“, ich habe mein Leben immer irgendwie intuitiv gestaltet und auf jeden Fall versucht mir das „Heute“ schon so einzurichten, dass ich so etwas wie inneren Frieden und vor allem Freiheit verspüre. Ich möchte z. B. nicht von Managern oder Agenten manipuliert werden, die dir sagen, was du zu tun hast oder das der Druck von außen im Showbusiness zu groß wird. Als ich 20 war und einige Jahre in dieser „Mühle“ feststeckte, habe ich all das abgeworfen, mich gehäutet und bin seitdem mein eigener Boss und Manager, da treffe ich alle Entscheidungen alleine, mit allen Konsequenzen. Ich habe mir mein Leben so eingerichtet, dass ich glücklich sein kann. Der Balance-Akt Familie und Beruf war immer schwierig, das war die Nuss, die ich zu knacken hatte, es hinzubekommen, die Familie nicht zu sehr zu vermissen.
Haben Sie von diesem Leben, welches Sie jetzt führen immer geträumt?
Eben nicht! Die Großträume hatte ich wirklich überhaupt nicht, ich habe immer nur davon geträumt, Musik zu machen. Da habe ich mich am allerwohlsten gefühlt, beim Musik machen. „Musik ist mein bester Freund“, habe ich als Teenager immer gesagt. Niemand hat überhaupt verstanden, was in meinem Kopf abgeht, Leidenschaft und all das war nur reflektiert in der Welt der Musik, ich wollte nur Musik machen und erleben, Theater spielen, Kunst machen halt, das war mein Ziel. Karriere war nicht das Ziel, das kam dann alles, das ist sozusagen über mich hereingebrochen.
Wenn man jetzt zurückblickt, man hat alle großen Bühnen schon betreten, fast alles in der Karriere schon erlebt, kann man da noch selbst ins Theater gehen und die Show privat genießen?
Man schaut schon mit dem beruflichen Auge hin, aber ich gehe auch nicht so oft auf andere Konzerte. Ich gehe gerne mit meinem Mann in New Yorker Jazz-Clubs, gerne super virtuose Jazz-Gigs. Mit meiner Tochter gehe ich aber dennoch ab und zu in die Broadway-Shwos, die möchte ja auch sehen, was so abläuft im Theater, das ist aber selten. Wenn ich selbst auf der Bühne stehe, will ich eigentlich mein anderes Leben weit weg davon erleben. Mein Leben ist so reich an wunderschönen Erfahrungen und Momenten, das fühlt sich schon an als ob ich wirklich die Essenz dieses ganzen Mysteriums „Leben“ schon erfasst habe.
Gibt es einen Moment in ihrer Karriere, von dem Sie sagen, dass war mein ganz persönliches Highlight?
Nein, den gibt es nicht, weil alles eine gradlinige Evolution ist, mit vielen, vielen, vielen Höhepunkten. Jeder Tag, jeder Moment ist ein Höhepunkt. Die großen Bühnen der Welt bedeuten nicht, dass man dort jetzt bessere Shows abgibt, als in kleinen Clubs. Es ist eigentlich alles dasselbe, ob man vor 100 Leuten oder im Sydney-Opera-House vor 2500 Zuschauern spielt, es erfordert dieselbe Hingabge. Etwas besonders ist es trotzdem, in den großen Häusern der Welt zu spielen, aber im Endeffekt hat jedes Konzert seinen eigenen, tollen Höhepunkt.
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