Mit drei Stücken konnte das Theater Titanick in diesem Sommer sein 30jähriges Bestehen mit einem Jahr Verspätung feiern. Nach der Wiederaufnahme „Titanic“ in der perfekten Kulisse des Gasometers erscheint „Trip Over“ an diesem Wochenende etwas bescheidener. Das liegt vor allem an der nüchternen Umgebung: dem zwischen Werkshallen und Bürogebäuden gelegenen Parkplatz der Firma Dermasence, im Gewerbegebiet zwischen Stadthaus III und Kanal.
Die kühle und etwas zugige Atmosphäre passt allerdings zu dem Sujet des Roadmovies, auch wenn man sich das Wetter bei einer Fahrt mit dem Cabrio etwas lauschiger erhofft. Moment mal: Roadmovie? Theater Titanick macht doch kein Freiluftkino, sondern Freilufttheater! Ja, aber diesmal mit deutlichen Bezügen zum Film. So können bei „Trip Over“ die Zuschauer fast alle der Szenen, die live gespielt werden, dank einiger installierter Kameras und GoPros aus einem ganz anderen Blickwinkel auch auf einer großen Leinwand verfolgen. Oft auch nur da so richtig, da das Cabriolet, auf und um das herum der größte Teil der Handlung stattfindet, auf einem Greenscreen steht. Damit können durch Tricktechnik ganz unterschiedliche Hintergründe eingeblendet werden, die aber eben nur auf der Leinwand zu sehen sind. Und die Handlung, die mit etwas Mühe als drei Varianten der gleichen Geschichte erkennbar ist, wird jedes Mal mit einem Titel wie in einem Filmvorspann eingeleitet. Dieser wird immer länger, bis er zuletzt vollständig als „Trip Over – The LP of Loneliness“ erscheint.
Deutlich wird der Filmbezug auch durch die Benennung der Hauptfiguren. „TRIP OVER erzählt die Geschichte von Lola und Ocean – ein Liebespaar, das sich auf eine Reise begibt, auf die Suche nach Identität und Freiheit“, heißt es in der Ankündigung vom Theater Titanick. Die Namen des Pärchens erinnern nicht zufällig an den Film „Wild at Heart“ von David Lynch, der „die Geschichte von Sailor und Lula“ erzählte, wie es 1990 im deutschen Untertitel hieß. An dieses Jahr – das gleichzeitig auch das Gründungsjahr der Theatergruppe ist – erinnert sicher ebenfalls nicht zufällig das KFZ-Kennzeichen des Cabriolets bei „Trip Over“. In beiden Geschichten begibt sich das Pärchen mit einem Cabrio auf eine Fahrt ins Ungewisse, sie erleben Rausch und Ernüchterung, es geht ums Töten und Getötet werden, um Liebe und Schuld, und die Musik spielt bei beiden Darstellungen mehr als nur eine unterstützende Nebenrolle.
Bei „Trip Over“ ist die Musik wirklich etwas ganz Besonderes. Passend zur Fahrt mit dem Cabrio über amerikanische Highways erklingt zunächst Country, bald aber auch völlig andere Gattungen, von Rock bis Hip Hop und exotischeren Klängen und natürlich auch den typischen Geräuschen, die bei alten UKW- und Mittelwelle-Radios beim Drehen zwischen den Sendern entstanden sind. Man ahnt mehr, als dass man immer erkennt, dass die Lieder an Stelle von Dialogen erzählen, was die Hauptfiguren empfinden. Und man hält alles für vorher aufgezeichnet, bis man erstaunt feststellt, dass vieles von dem Gehörten live von der Bühne kommt. Oder womöglich alles? Man mag es kaum glauben. Was Conrad „Coco“ Kausch da vor allem aus der elektrisch verstärkten Geige herausholt, ist schon sensationell. Begleitet wird er von Raschid Sidgi, der vor allem eine akustische Gitarre spielt, aber auch ihr so manchen unerwarteten Ton entlockt. Wieviel die beiden vom Gesang live beitragen, war bei der Premiere am Freitag von den hinteren Reihen nicht zu erkennen, es umfasste auf jeden Fall eine beachtliche Bandbreite. Und das war ja nicht ihr einziger Job: sie spielten ja auch noch Nebenrollen als Unfallopfer oder Barkeeper.
Die wichtigsten Darsteller sind aber natürlich Laila Nielsen und Georg Lennarz, die das Liebespaar Lola und Ocean spielen. Natürlich ohne Worte, denn wie immer beim Theater Titanick ist auch dieses Stück auf ein internationales Publikum ausgerichtet. „Die Bilder und Aktionen erzählen die Geschichte“, heißt es daher auch auf der Homepage der Gruppe. So räkelt und turnt Lola im und am Cabrio, während Ocean den Wagen lenkt und ein Dosenbier nach dem anderen säuft. Sie küssen sich bei jeder Gelegenheit – so jedenfalls in der ersten Version ihrer Geschichte. Natürlich gibt es hin und wieder einen Knall, Funkensprühen, Dampf und sogar eine Explosion, so erwarten wir es nun mal vom Theater Titanick. Aber die Verwandlung des Autos in ein Segelboot beim Finale ist ein viel besserer Hingucker. Zumal es der dritten Variante der Geschichte, die ziemlich traurig ist und in der eine Urne eine wesentliche Rolle spielt, am Ende wieder etwas Hoffnung verleiht…
Heute ist „Trip Over“ zum zweiten und vorerst letzten Mal am Parkplatz der Firma Dermasence am Hafengrenzweg zu erleben. Vielleicht gibt es noch ein paar Restkarten. Wir hoffen jedenfalls, dass es im kommenden Sommer – vielleicht bei wärmeren Wetter? – noch ein paar weitere Aufführungen davon in Münster geben wird.
Mehr über das Theater Titanick und das Stück "Trip Over" findet ihr auf der Homepage https://titanick.de/trip-over/
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