Tim Eberhardt über 20 Jahre Friedenskapelle Zum Jubiläum des Konzertsaals Friedenskapelle haben wir uns mit dem künstlerischen Leiter unterhalten

Tim Eberhardt, der künstlerische Leiter der Friedenskapelle, beantwortete unserer Fragen zum Jubiläum des Konzertsaals im Friedenspark. (Foto: Stephan Günther)
Tim Eberhardt, der künstlerische Leiter der Friedenskapelle, beantwortete unserer Fragen zum Jubiläum des Konzertsaals im Friedenspark. (Foto: Stephan Günther)

In diesem Jahr und ganz besonders in diesem Monat feiert der Konzertsaal Friedenskapelle sein 20-jähriges Bestehen. Wir haben uns mit Tim Eberhardt unterhalten, dem Manager und künstlerischen Leiter dieses besonderen Veranstaltungsorts mitten im Gewerbepark Loddenheide.

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Gleich vorweg: Was unterscheidet die Friedenskapelle von anderen Veranstaltungsorten in Münster?

Ich finde es schwierig, die verschiedenen Konzertorte in Münster zu vergleichen – zumindest wenn man in besser/schlechter-Kategorien denkt. Jeder Ort hat seine eigenen Besonderheiten, seine eigene Akustik, seine eigene Atmosphäre. Es gibt viele Dinge, die die Friedenskapelle so besonders machen. Die Akustik zum Beispiel ist einzigartig. Nicht ganz einfach für alles, was mit Schlagzeug daher kommt, aber für Vokalmusik oder Instrumentalmusik hervorragend. Ich finde auch die Größe des Saales wunderbar, sie bietet den Konzertgästen eine gewisse Nähe zu den Künstler:innen und Ensembles und sorgt dadurch für eine schöne Atmosphäre.

In diesem Monat feiert der Konzertsaal Friedenskapelle sein 20-jähriges Jubiläum. Das Gebäude selbst hat aber eine längere Geschichte. Wie kam es dazu, dass aus einer Kirche ein Konzertsaal wurde?

Das Gebäude wurde ja 1953 (noch ein Jubiläum!) als Garnisonskirche für die britischen Soldaten errichtet, die in der Kaserne stationiert waren. Nachdem die Kaserne aufgelöst und das Gelände umstrukturiert wurde, war die Friedenskapelle das einzige Gebäude auf der Loddenheide, das nicht abgerissen wurde. Im Bereich des ehemaligen Schießstandes wurde der Friedenspark geschaffen und die ehemalige All Saints Chapel wurde in dem Zuge zur Friedenskapelle.

Die Friedenskapelle ist ein besonderer Ort für Feiern und Konzerte. (Archivbild: Thomas Hölscher)
Die Friedenskapelle ist ein besonderer Ort für Feiern und Konzerte. (Archivbild: Thomas Hölscher)

Zunächst kümmerte sich aber niemand um das Gebäude. Es verfiel zusehends, einige illegale Partys wurden dort gefeiert. Bis dann die ehemalige Intendantin des Wolfgang Borchert Theaters Ewa Teilmans die Friedenskapelle als Spielort entdeckte und eine Inszenierung dort präsentierte. Einer der Premierengäste war der Unternehmer Egbert Snoek, Gründer des RATIO Unternehmens und kulturell interessierter Mäzen des Theaters. Er sah das Gebäude, das ja in direkter Nachbarschaft zu seinem Firmensitz lag, und hatte sofort die Idee und Vision, den Saal wieder zu beleben und mit Musik und Kultur zu füllen. Er kaufte die Friedenskapelle für einen obligatorischen Euro und renovierte das Gebäude von Grund auf.

Die prächtigen Kronleuchter sind genau nach seinen Vorstellungen in einer Manufaktur gefertigt worden, er hatte eine genaue Vorstellung von dem, was in dem Saal passieren sollte. Zu seinem 90. Geburtstag dann wurde die Friedenskapelle als neuer Ort für Kultur und Begegnung dann eröffnet. Er verstarb vier Jahre später und sein Sohn, Hendrik Snoek, führt dieses Engagement fort.

Tim Eberhardt präsentiert in der Friedenskapelle ein abwechslungsreiches Programm. (Foto: Stephan Günther)
Tim Eberhardt präsentiert in der Friedenskapelle ein abwechslungsreiches Programm. (Foto: Stephan Günther)

Kannst du dir vorstellen, was mit diesem Ort passiert wäre, wenn es die Familie Snoek nicht geben würde?

Das ist schwierig. Vielleicht hätte eine freie Religionsgemeinschaft den Saal genutzt, vielleicht hätte ein Investor Büros darin errichtet – ähnlich wie in der Dreifaltigkeitskirche. Ein guter Freund hatte damals sogar mal die Idee gehabt, einen Club in dem Gebäude zu errichten – „The Church of Funk“.

Warum heißt der Veranstaltungsort eigentlich „Friedenskapelle“?

Im Rahmen der Umstrukturierung des ehemaligen Militärgeländes wurde in der Loddenheide ein großer Friedenspark geschaffen. 1998 kam der Friedensnobelpreisträger Dalai Lama anlässlich des 350. Jubiläums des Westfälischen Friedens nach Münster und pflanzte am ehemaligen Schießstand eine Kastanie. Die Garnisonkirche schließt direkt an den Friedenspark an und wurde somit zur Friedenskapelle umbenannt.

Die Umgebung, die Loddenheide, hat aber eine längere Geschichte als die drei britischen Kasernen, die hier früher waren. Was kannst du darüber erzählen?

Da können wir sehr weit in der Geschichte zurückgehen. Im 18. Jahrhundert wurde die Loddenheide erstmals militärisch genutzt, das preußische Militär nutze das Gelände als Militärlager und Exerzierplatz. Im 19. Jahrhundert wurde sie dann als Reitplatz und Pferderennbahn genutzt. Der Westfälische Reiterverein führte hier ihre ersten Pferderennen durch, die damals bereits eine beachtliche Zuschauerzahl anlockte. Knapp 10.000 Menschen kamen zu den Rennen. Wenn man bedenkt, dass die Einwohnerzahl damals noch bei ca. 40.000 Menschen lag, war das schon ein Ereignis. Nach einigen Jahren zog der Reiterverein jedoch um an die Hammer Straße und die Loddenheide wurde zunächst als Exerzier- und später dann als Flugplatz genutzt. Es entwickelte sich ein regelmäßiger Flugbetrieb mit Linienflügen nach Berlin und anderen Städten. Besonders hervorzuheben und Höhepunkte in dieser Zeit waren die Flugschauen, bei denen große Zeppeline in Münster landeten. Die Landung des Graf Zeppelin 1930 lockte mehr als 100.000 Menschen in die Loddenheide. Münster selbst zählte damals gerade mal 120.000 Einwohner.

Wenn die französischen Klangkünstler Swann & Ely Goa zum "Gong Bath" kommen, erlebt das Publikum das Konzert im Liegen auf eigens mitgebrachten Matten und Decken. (Foto: Tim Eberhardt)
Wenn die französischen Klangkünstler Swann & Ely Goa zum „Gong Bath“ kommen, erlebt das Publikum das Konzert im Liegen auf eigens mitgebrachten Matten und Decken. (Foto: Tim Eberhardt)

Zurück zum Konzertsaal Friedenskapelle: Was war dein schönstes Erlebnis oder dein persönliches Lieblingskonzert hier?

Das schönste Erlebnis ist es jedes Mal, wenn unsere Konzertgäste beglückt und voller Musik nach hause gehen. Ein einzelnes, besonderes Ereignis kann ich da gar nicht hervorheben. Dadurch, dass wir eine so breite Vielfalt an unterschiedlicher Musik anbieten, gibt es immer wieder viele schöne Erlebnisse. Sehr besonders und für mich persönlich sehr bereichernd und wohltuend sind die mittlerweile regelmäßig stattfindenen Gong-Bath-Veranstaltungen, bei denen zwei Klangkünstler:innen aus Frankreich riesige Gongs bespielen und durch die Frequenzen und Schwingungen im Körper etwas auslösen. Entspannung pur – eine Klangmassage XXL.

Die Friedenskapelle führt mitunter auch Veranstaltungen an anderen Orten durch, wie die Adam Riese Show im Atlantic Hotel oder die Schloss Classix – wie kam es dazu?

Diese Auswärtsspiele waren bzw. sind etwas ganz Besonderes. Die Schloss Classix haben ja damals im Vorfeld des Turniers der Sieger stattgefunden, das federführend von Herrn Snoek organisiert wird. Wir hatten die Idee, das Stadion, das aus logistischen Gründen immer bereits eine Woche vor dem Turnier errichtet wurde, kulturell zu nutzen. Ich habe das Programm kuratiert und die Orchester ausgewählt. Das waren große Orchester mit tollem Programm, Henning Wehland hat mit seiner Band gespielt, große Klasse. Leider war jedoch der technische und organisatorische Aufwand am Ende weit größer, also vorhergesehen, sodass wir diese Reihe wieder eingestellt haben.

Die Adam Riese Show im Atlantic Hotel wird auch von der Friedenskapelle organisiert. (Archivbild: Stephan Günther)
Die Adam Riese Show im Atlantic Hotel wird auch von der Friedenskapelle organisiert. (Archivbild: Stephan Günther)

Die Adam Riese Show veranstalten wir nun seit knapp einem Jahr im Engelsaal. Es war Adam, der mich angesprochen hatte, ob wir die Show im Engelsaal präsentieren könnten. Er war nach der Coronazeit auf der Suche nach einer neuen Location und hatte diese im gerade frisch eröffneten Engelsaal gefunden. Ich bin seit Jahren großer Fan der Show und nach kurzer Rücksprache mit Herrn Snoek haben wir uns auf dieses Wagnis eingelassen und die Show organisiert. Alle Shows waren restlos ausverkauft und dank einiger Sponsoren und Unterstützer:innen können wir nun weiter planen.

Nicht alle Konzerte und Veranstaltungen in der Friedenskapelle sind von euch selbst organisiert, es gibt auch „Fremdveranstaltungen“, wie es auf der Homepage heißt. Kann denn jeder diesen Raum buchen oder wählt jemand aus?

Im Prinzip bin ich für alles offen. Der Saal eignet sich aber nicht für alles. So lehne ich zum Beispiel Rockkonzerte eher ab – das macht keinen Sinn. Sehr beliebt ist der Saal für Chöre, kleinere Kammerorchester – aber auch andere Veranstaltungen, wie z.B. eine Spinnenausstellung, haben bereits stattgefunden.

Ich achte darauf, dass thematisch ähnliche Programme nicht direkt aufeinander folgen und versuche, im Kalender eine gute Balance aus eigenen und Fremdveranstaltungen zu finden. Regelmäßig finden mittlerweile die Grenzgang-Reisereportagen in der Friedenskapelle statt – eine tolle Veranstaltungsreihe, die das Fernweh weckt.

Welches besondere Programm ist zum 20-jährigen Jubiläum der Friedenskapelle in diesem Monat zu erleben? Und was davon ist noch nicht ausverkauft?

Die ersten beiden Wochenenden waren bereits ein voller Erfolg, beinahe alle Konzerte waren ausverkauft. Wir freuen uns nun auf drei weitere vollgepackte Wochenenden. Besonders hervorheben möchte ich an dieser Stelle die folgenden Konzerte, für die es noch Tickets gibt: Am kommenden Sonntag kommt der international gefeierte Klarinettist David Orlowsky erneut nach Münster. Er war schon mehrfach mit seinem Trio in der Friedenskapelle, diesmal spielt er gemeinsam mit David Bergmüller (Laute) ein wunderschönes Programm.

Am 25. März stellt die Pianistin AyseDeniz Gökcin in der Friedenskapelle erstmalig in Europa Stücke ihres neuen Programms "Cinematic Patterns" vor. (Archivbild:Thomas Hölscher)
Am 25. März stellt die Pianistin AyseDeniz Gökcin in der Friedenskapelle erstmalig in Europa Stücke ihres neuen Programms „Cinematic Patterns“ vor. (Archivbild:Thomas Hölscher)

Am darauffolgenden Wochenende haben wir gleich zwei bezaubernde Pianistinnen zu Gast. Am Samstagabend (25.3.) spielt die türkische und in den USA lebende Pianistin AyseDeniz Gökcin nach Münster und spielt zum Einen noch unveröffentliche Stücke ihres neuen Programms „Cinematic Patterns“ erstmalig in Europa, zum Anderen Auszüge aus Ihrem erfolgreichen Pink-Floyd-Programm. Begleitet wird sie dabei von einem Streichquartett aus der Reihe „Neue Sterne für das Münsterland“, dem Pangea Ensemble.

Am Tag darauf findet das Nachholkonzert von der ukranischen Pianistin Marina Baranova statt, die bereits im letzten Jahr im Benefizkonzert zugunsten der Ukraine sowie im Rahmen des PIANEO-Festivals in der Friedenskapelle für Begeisterung gesorgt hat. Ihre einfühlsamen Kompositionen ihres neuen Programms wurden inspiriert von Bildern und Gegenständen, die sie von Fans in der Coronazeit erhalten hat und die im Konzert auf eine Großbildleinwand projiziert werden. Marina Baranove erzählt die Geschichten und spielt ihre Kompostionen dazu. Wunderschön.

Einen besonderen Termin habt ihr erst kürzlich bekannt gegeben: Das Jubiläumskonzert mit den Zucchini Sistaz am 30. März – warum so kurzfristig und was wird diesen Abend von anderen Konzerten mit den Zucchini Sistaz unterscheiden?

Die Zucchini Sistaz geben am 30. März ein Zusatzkonzert mit Überraschungsgästen und ihrem Programm "Ein Tag am Meer" (Archivbild: Thomas Hölscher)
Die Zucchini Sistaz geben am 30. März ein Zusatzkonzert mit Überraschungsgästen und ihrem Programm „Ein Tag am Meer“ (Archivbild: Thomas Hölscher)

Das Konzert am 30.3. ist unser Jubiläumskonzert. Auf den Tag genau vor 20 Jahren, am 30.3.2003 wurde die Kapelle anlässlich des 90. Geburtstag ihres Gründers Egbert Snoek eröffnet. Wir hatten den Termin schon länger auf dem Schirm, es war aber erst kurzfristig möglich, diese Überraschung zu präsentieren. Die Zucchini Sistaz geben an dem Abend ein Zusatzkonzert mit einigen Überraschungsgästen und ihrem Programm „Ein Tag am Meer“. Im hinteren Bereich gibt es erstmalig einen Stehbereich mit Stehtischen – da geht die Musik dann direkt in die Beine. Dort lassen wir den Abend nach dem Konzert dann noch etwas ausklingen und stoßen auf das Jubiläum an.

Neben den Zucchini Sistaz gibt es noch weitere Interpreten, die schon mehrmals in der Friedenskapelle aufgetreten sind. Woran könnte es liegen, dass sie gerne wieder kommen?

Man könnte sagen: Never change a winning team. Konzerte, die gut ankommen, haben natürlich eine große Chance wiederholt zu werden – möglichst natürlich mit neuem Programm. Aber so einfach ist das nicht. Es sind auch die Künstler:innen und Ensembles, die immer wieder gerne in die Friedenskapelle kommen. Wir geben uns stets die größte Mühe, unsere musikalischen Gäste Willkommen zu heißen und geben alles daran, sowohl dem Publikum als auch den Künstler:innen und Ensembles einen angenehmen Rahmen für das Konzert zu bieten. Zu vielen Musiker:innen baut man dann im Laufe der Zeit eine Art professionelle, aber auch sehr persönliche Freundschaft auf.

Gibt es da Unterschiede zwischen heimischen und auswärtigen Künstlern?

Eigentlich nicht – bis auf dass man heimische Künstler:innen natürlich öfter auch in anderen Kontexten trifft.

Und auf welche neuen Höhepunkte dürfen wir uns in den kommenden Monaten freuen?

Das Jubiläum ist mit diesem Monat noch nicht zu Ende. Wir feiern auch in der zweiten Jahreshälfte weiter. Ich freue mich z.B. auf ein Jazzkonzert mit Latin-Einflüssen von den Shy Boys aus Dresden. Der Gitarrist Tilman Droste ist in Dülmen aufgewachsen und lebt seit vielen Jahren in Dresden.

Im Advent werden Marie & Jean-Claude Séférian wieder in der Friedenskapelle auftreten. (Foto: Peter Lessmann)
Im Advent werden Marie & Jean-Claude Séférian wieder in der Friedenskapelle auftreten. (Foto: Peter Lessmann)

Sehr spannend zu werden verspricht ein Konzert mit dem iranisch-israelischen Musikprojekt „Sistanagila“ aus Berlin – das aufzeigt, dass man mit Musik Brücken bauen und Differenzen überwinden kann. Für beide Konzerte gibt es bereits Tickets. Weitere Konzerte sind natürlich in Planung, besonders die Weihnachtskonzerte versprechen stimmungsvolle Momente. Da werden traditionell natürlich Marie & Jean-Claude Séférian und erneut die Zucchini Sistaz zu Gast sein. Erstmalig präsentieren wir in diesem Jahr das Live-Hörspiel „Charles Dickens Weihnachtsgeschichte“ vom Theater ExLibris rund um Christoph Tiemann. Also: auch vor Ostern schon an Weihnachten denken! Der Vorverkauf startet in Kürze!

Es soll Menschen geben, die noch nie in der Friedenskapelle waren – wie und wo erfahren sie, was sie dort erleben können?

Der einfachste Weg ist der über unsere Webseite. Dort stehen alle Infos, alle Konzerte. Wir verschicken auch einen Email-Newsletter und versorgen so alle Interessierten mit aktuellen Infos. Aber keine Sorge, wir feuern nicht jede Woche etwas raus. Darüberhinaus sind wir natürlich auf in den sozialen Medien unterwegs, Facebook, Instagram – da gibt es auch immer wieder unsere Neuigkeiten und schöne Bilder von den Konzerten. Ansonsten kann man mich immer gerne ansprechen – ich gebe auch gerne persönlich Auskunft über alles, was bei uns stattfindet.

 

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