Angriff ist die beste Verteidigung! Am Sonntag tagte das Tennengericht der KG Paohlbürger

NDW-Sänger Markus bezirzt das Tennengericht mit seinem Hit "Ich will Spaß!" (Foto: Jasmin Otman)
NDW-Sänger Markus bezirzt das Tennengericht mit seinem Hit „Ich will Spaß!“ (Foto: Jasmin Otman)

Der holzverkleidete Saal im Paohlbürgerhof ist gerammelt voll. Seit 11:11 Uhr herrscht auf dem historischen Bauernhof ausgelassenes Treiben. Beschwingt von den Kalauern der Band „SUB-Express“ schunkelt sich das Publikum aus den verschiedenen Karnevalsgesellschaften der Stadt in Stimmung – bis plötzlich das schrille Läuten einer Glocke die Gäste zur Stille ermahnt. „Das Hohe Gericht zieht ein, erheben Sie sich!“ Das Tennengericht beginnt.

Begleitet von einer akustisch zweifellos imposanten Blaskapelle betreten wenige Sekunden später die Protagonisten der heutigen Gerichtsverhandlung den Saal. Doch wer ist das genau? Die Funktion des Richters übernimmt Bernd H. Tepe, der in seinem südoldenburgischen Dialekt den kommunikativen Löwenanteil übernimmt – und den ein oder anderen büttenrednerischen Flachwitz einflechtet. Zu seiner Rechten der eher zurückhaltende Pflichtverteidiger Michael Schaedel. Vermutlich hat er die eigenständige Überzeugungskraft seiner Mandanten erahnt. Aber dazu später mehr.

Die vier Angeklagten warten auf ihren Moment der Wahrheit. (Foto: Jasmin Otman)
Die vier Angeklagten warten auf ihren Moment der Wahrheit. (Foto: Jasmin Otman)
Prominente im Kreuzverhör

In der Rolle des Staatsanwaltes verkündet der tatsächliche Jurist Mortimer Behrendt die Taten, die den prominenten Angeklagten vorgeworfen werden. Diese schreiten in Handschellen und mit mehr oder minder reumütig blickender Mimik zu dem ihnen zugeteilten Platz. Ob es ihnen beim heutigen Tennengericht gelingt, einer Haftstrafe zu entgehen? Doch bevor sich das Hohe Gericht den Sünden der mutmaßlichen Straftäter widmet, wagt Richter Tepe zunächst einen verbalen Rundumschlag bezüglich der aktuellen politischen Geschehnisse. Für den größten Lacher sorgt wohl die Aussage, dass Alice Weidel „wie eine Frau wirkt, die bei einer Beerdigung den Blumenstrauß gefangen hat“. Bevor sich die Beschuldigten der Reihe nach auf der Anklagebank behaupten, stellt das Tribunal netterweise noch deren Beköstigung sicher: „Die Angeklagten sind unterhopft. Man bringe ihnen etwas zu trinken!“

Hexerei und Bestechung

Den Anfang macht Ralf „Eppi“ Ebbing, der als bekennender Schalke-Fan einleitend einen Fischerhut in Vereinsfarben auf den Kopf des Staatsanwaltes setzt. Eppi sieht sich unter anderem mit dem Vorwurf der Hexerei konfrontiert. Grund dafür: Der Moderator und Sänger ist seit langer Zeit aktives Mitglied der Karnevalsgesellschaft „Böse Geister“. Er wird scharf dafür kritisiert, sich nicht für eine Umbenennung in die „Guten Geister“ starkgemacht zu haben. Wie innig die Zugehörigkeit zu seinen Geistern tatsächlich ist, beweist Eppi, als er für seine Verteidigung nicht auf den Pflichtverteidiger Schaedel setzt, sondern seinen Präsidenten Mario Engbers als Entlastungszeugen zu sich auf die Bühne bittet. Mit den Worten „Ich war eigentlich davon ausgegangen, dass der Verteidiger verteidigt“ zieht dieser den Akteur seiner Karnevalsgesellschaft kurzerhand selbst aus der Schlinge – mit Einladungen zur heiß begehrten Herrensitzung im „Jovel“.

Poetische Verteidigung par excellence

Der nächste Angeklagte ist kein Geringerer als Regierungspräsident Andreas Bothe, dessen – zumindest karnevalistisch schwerwiegendes – Vergehen ist, nur zur Weiberfastnacht ordentlich Karneval zu feiern. Der Angeklagte trage lediglich an eben diesem Tage seine Krawatten zum Schafott. Gibt es etwa in der restlichen Karnevalssession und auch sonst in seinem Bezirk nichts zu feiern und zu lachen? Dass sich Bothe leichtfüßig auf juristischem Terrain bewegt, dürfte keinen der Anwesenden überraschen. Dass er sein Plädoyer jedoch in melodischer Gedichtform vorträgt, schon. Für die Verdauung seiner nicht ganz leichten poetischen Kost hat der Regierungspräsident einen „außerbezirklich gebrannten Korn“ im Gepäck. Eine Anspielung auf das münstersche „Sasse“-Regiment.

Aktive Pause mit Prinz Sascha I.

Für eine bei all der „Ernsthaftigkeit“ durchaus willkommene musikalische Unterbrechung sorgt das Narrenoberhaupt Prinz Sascha I. Mit seiner Performance werden binnen Sekunden die Körper aller vertretenen Altersklassen mobilisiert. Welch passende Vorbereitung für den nächsten Beschuldigten, dessen Leben voll und ganz dem Sport gewidmet ist – genauer gesagt: dem Fußball.

Prinz Sascha I. lockert die Gerichtsverhandlung im Tennengericht auf. (Foto: Jasmin Otman)
Prinz Sascha I. lockert die Gerichtsverhandlung im Tennengericht auf. (Foto: Jasmin Otman)

Die aus Marl stammende Trainerlegende Peter Neururer begrüßt den Saal mit der Frage: „Kann mir einer erklären, warum ich hier bin?“ Die Antwort darauf lässt nicht lange auf sich warten und wird ihm in Form der Anklageschrift verlesen. Einer der Punkte: Er habe einen großen Bogen um unseren Herzensverein, den SC Preußen Münster, gemacht, obwohl dieser in der Vergangenheit durchaus häufiger einen Retter benötigt hätte. Die einzigen Berührungspunkte mit dem SC Preußen Münster, gesteht Neururer, habe er damals als Schalke-Trainer gemacht. „Das waren die einzigen beiden Spiele, die Preußen jemals gegen Schalke gewonnen hat.“

Mit Karneval habe er wenig zu tun, erinnert sich an eine Situation in seiner Zeit als Trainer des 1. FC Köln. Damals sei Toni Polster an Weiberfastnacht verkleidet zum Training erschienen und Neururer habe ihn mit einer Geldstrafe in Höhe von 5000 DM sanktioniert – und sei in der karnevalistischen Hochburg anschließend auf absolutes Unverständnis gestoßen.

Mit Vollgas in den Freispruch

Vierter und letzter prominenter Angeklagter beim Tennengericht ist der Neue Deutsche Welle-Sänger Markus. Wem dessen wohl bekanntester Hit nicht direkt in den Kopf kommt, erhält beim Verlesen der Anklage einen wertvollen Hinweis „Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit. Sein Maserati fährt 210 und die Polizei hat es nicht gesehen.“ Besser als jedes zurecht gestammelte Gegenargument ist doch das gesangliche Umschmeicheln des Hohen Gerichts. Markus Johannes Mörl, wie er mit bürgerlichem Namen heißt, singt sich mit seinem stimmungsvollen Geständnis „Ich will Spaß!“ frei.

(Foto: Jasmin Otman)
(Foto: Jasmin Otman)

Und so endet das diesjährige Tennengericht, wie es angefangen hat: mit einem (feucht)fröhlich schunkelnden und laut mitsingenden Menschenmeer. Und vier Freigesprochenen.

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