Einige haben sicher gestern am frühen Abend in der Innenstadt laute Elektro-Musik wahrgenommen oder sogar die eher ungewöhnliche Tanzdemonstration gesehen. Immerhin waren laut Veranstalter etwa 1.100 Leuten auf der Straße und haben gegen die Politik der Stadt demonstriert, die das Cornern einschränken will. Was das überhaupt bedeutet, wissen sicher nicht alle. „Anlass der Demo war die restriktive Politik der Verwaltung, welche das Cornern so wie wir es kennen faktisch verbietet“, schreiben die Veranstalter der Gruppe „Münster Cornert“, „wir haben heute gezeigt, dass wir eine andere Politik und unser Viertel selbst gestalten wollen“.
Cornern ist ein Phänomen, das jeder in Münster wahrscheinlich schon einmal gesehen hat, das man zumindestens Älteren aber erst einmal erklären muss. Grob gesagt ist es ein mehr oder weniger zufälliges Treffen von mehreren Leuten an einer Straßenecke, um dort gemeinsam Zeit zu verbringen. Meist ist das in der Nähe von Kiosken zu beobachten, vor allem am Hansaring. Weil dabei mitunter recht viele Menschen zusammenkommen und den Bürgersteig und gelegentlich auch den Fahrradweg füllen, hat nun das Ordnungsamt der Stadt Münster auf der städtischen Homepage ein restriktiveres Vorgehen angekündigt.
Auf Grundlage von „§ 12 der Straßen-, Anlagen- und Aaseeordnung“ sollen nun „Verhaltensweisen, die andere Personen in der Benutzung der Straßen und Anlagen mehr als nur geringfügig behindern“ geahndet werden. Allen, die sich zukünftig in großen Gruppen vor einem Kiosk auf dem Hansaring aufhalten, drohen demnächst Bußgelder und Platzverweise: „Wer also künftig als Teil einer größeren Gruppe oder alleine Geh- und Radwege in einer Art und Weise blockiert, dass sie von Passant*innen nicht mehr genutzt werden können und diese auf die Straße ausweichen müssen, muss damit rechnen, von Mitarbeitenden des Ordnungsamtes mit Bußgeldern belegt und des Platzes verwiesen zu werden“, heißt es wörtlich in der städtischen Ankündigung.
Die Veranstalter der gestrigen Demo hegen aber den Verdacht, dass es hiermit um etwas ganz anderes geht als um das Wohl der Passanten und Radfahrer. Auf ihrem Instagram-Account @muenster_cornert schreiben sie: „Gerade in Zeiten, in denen alles teurer und Freizeitaktivitäten schnell zum Luxus werden, sind diese selbst geschaffenen Räume unverzichtbar. Das Cornern ist nicht nur ein spontaner Treff, es ist gelebte Viertelkultur. Doch genau diese Orte sollen verdrängt werden – offiziell aus Lärmschutzgründen, aber zugleich, um das Viertel in attraktiver Hafenlage aufzuwerten und für zahlungskräftigere Akteure schmackhaft zu machen.“
Dennis Jansen, Organisator bei „Münster Cornert“: „Die Stadt gehört uns allen. Insbesondere Räume ohne Konsumzwang gibt es kaum. Die Repressionen gegen Menschen, die cornern, nehmen uns selbst diese wenigen Orte.“ Melanie Hirsch, Sprecherin der Gruppe Busters, die gestern Abend mit einem Redebeitrag unterstützten: „Es ist wichtig, sich den Freiraum zu erkämpfen. Die politische Auseinandersetzung muss auf die Straße getragen werden. Kein gutes Leben für die Herrschenden, sondern ein gutes Leben für alle.“
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