Der Betrieb des Tagesaufenthalts für obdachlose und wohnungslose Menschen in der ehemaligen Wartburgschule wird zum 31. August eingestellt. Das bestätigte die Stadt Münster dem Straßenmagazin „draußen!“.
Die Stadt wolle „das ergänzende Angebot eines zentralen Tagestreffs für Wohnungslose rechtzeitig zurückzufahren, bevor die Nutzungsmöglichkeit der Sporthalle Wartburgschule entfällt. Deren Besitzübergang an die zukünftigen Berechtigten steht demnächst bevor“, heißt es in dem Bericht zur Begründung. Vielerorts stößt der Entschluss, der den zuständigen Einrichtungen und Trägern mitgeteilt wurde, auf Kritik.
Das Angebot in Münster-Gievenbeck besteht seit November des vergangenen Jahres. Damals hatte die Stadt den Tagesaufenthalt vom Albersloher Weg (Zeltstadt) in die Sporthalle der ehemaligen Schule an der Von-Esmarch-Straße verlegt. Nach Angaben der Stadt soll nun vermieden werden, „dass die Menschen, die derzeit das zusätzliche zentrale Angebot in der Turnhalle der ehemaligen Hauptschule nutzen, plötzlich unversorgt sind, wenn im Herbst oder Winter die Räumlichkeiten vollständig entfallen werden“. Ein neues Alternativangebot werde es aufgrund des Mangels an geeigneten Immobilien allerdings nicht geben. Ziel sei es stattdessen, „rechtzeitig den Übergang in die Regelangebote“ zu vollziehen und zu unterstützen. „Die Fachleute gehen davon aus, dass etliche Personen, die das zentrale Angebot an der Von-Esmarch-Straße nutzen, die Anlaufstellen der Wohnungslosenhilfe kennen und diese in der Folge besuchen werden“, erklärte die Stadt.
Absolut falscher Schritt
Beim Arbeiter-Samariter-Bund Münster (ASB), der für die Stadt den Tagesaufenthalt für Obdachlose an der Wartburgschule organisiert, stößt die Entscheidung auf Unverständnis. „Die vom Sozialamt der Stadt Münster verordnete Schließung des Tagesaufenthaltes ist aus unserer Sicht der absolut falsche Schritt“, sagte Fachbereichsleiter Karsten Berndt der „draußen!“. Der Tagesaufenthalt habe sich seit der Aufnahme der Betreuung im November 2020 als fester Bestandteil der Hilfelandschaft für die Zielgruppe etabliert. So bietet der Tagesaufenthalt für durchschnittlich 40–50 Personen, in der Spitze 65 Personen, täglich eine feste Anlaufstelle. Jeden Monat werden nach Angaben des ASB im Tagesaufenthalt circa 4.000 Portionen Speisen ausgegeben. Darüber hinaus wird das Angebot zur Körperhygiene (Waschräume und Duschen) und zum Waschen der Kleidung gut genutzt.
Die Stadt wiederum erklärte, dass sich mit Fortschritt der Impfungen für diesen Personenkreis zusätzliche Perspektiven ergeben wie beispielsweise eine weitere Erhöhung der Besuchszahlen. Zudem sei eine „Erweiterung von Öffnungszeiten und/oder ein ergänzender ‚Schichtbetrieb‘ in den Regelangeboten zu prüfen, wenn die räumlichen Gegebenheiten nach wie vor nur begrenzte Personenzahlen zulassen oder eine negative Entwicklung der Corona-Infektionszahlen dies erfordert“. Wie realistisch diese Überlegungen vor dem Hintergrund einer möglichen vierten Welle sind, bleibt abzuwarten. „Aufgrund der weiterhin bestehenden Pandemielage und der wieder steigenden Inzidenzen finden die Angebote der anderen freien Träger in Münster nach wie vor nur in stark reduzierter Form statt“, betonte ASB-Fachbereichsleiter Berndt. „Gerade im Hinblick auf diese Entwicklung ist es aus unserer Sicht die falsche Entscheidung, den Tagesaufenthalt zu schließen. Für einen Teil unserer Besuchenden ist der Tagesaufenthalt alternativlos – nach der Schließung fehlt ihnen eine weitere Unterstützung.“
Erhöhter Druck im Hilfesystem
Bei den sogenannten „Regelangeboten“ selbst wird das Vorgehen der Stadt vielerorts kritisch gesehen. Die Schließung einer so wichtigen Einrichtung wie der Wartburgschule werde für erhöhten Druck im Hilfesystem sorgen, befürchtet Matthias Eichbauer vom Treffpunkt an der Clemenskirche. „Viele Menschen werden sich der Herausforderung stellen müssen, die alltäglichen Bedürfnisse wie Essen, Körperpflege, WC-Nutzung, Aufenthalt oder Kleiderwäsche nicht mehr wie letzthin gewohnt stillen zu können. Dieser Mehrbedarf könne von den etablierten Einrichtungen nicht aufgefangen werden, selbst wenn die Stadt zu ihren Zusagen der Unterstützung steht. Es fehlt schlicht an einer Immobilie“, sagte er der „draußen!“
Auch eine Erhöhung der Platzzahl sei im Treffpunkt an der Clemenskirche nicht möglich. „Lüftung und Plexi-Scheiben können auch bei uns leider nichts bewirken, dass sie die Abstandgebote und Quadratmeterzahlen der Corona-Schutzverordnung ja nicht beeinflussen. Die Verwaltung wurde von uns hierüber informiert“, so Eichbauer. Nach Informationen dieser Redaktion geschah das bereits Anfang Juli. Auch die Öffnungszeiten seien bereits auf das Maximale ausgedehnt worden. Ein Schichtbetrieb sei zudem in verschiedenen Sitzungen diskutiert, erweise sich aber als in der Praxis nicht umsetzbar.
„Eine große Entlastung gewesen“
Auch im Haus der Wohnungslosenhilfe (HdW) beobachtet man die Situation derzeit aufmerksam. Prognosen für die kommenden Monate wolle er zwar nicht abgeben, sagte Thomas Mühlbauer, Leiter des HdW, dem Straßenmagazin. Aber der Tagesaufenthalt an der Wartburgschule sei für das HdW „eine große Entlastung gewesen“. Die Einrichtung an der Bahnhofsstraße hat seinen offenen Bereich seit Beginn des ersten Lockdowns für Nicht-Bewohner des HdW geschlossen. Und bis September werde sich daran auch nichts ändern, so Mühlbauer. Gleichzeitig bereite man sich aber auf eine Teilöffnung vor. Dann könnten womöglich 16 Personen das Mittagsangebot gleichzeitig nutzen. In Spitzenzeiten vor der Corona-Pandemie waren es zum Teil mehr als 40.
In der Tagesstätte Treff W7 hat man die Kapazität in dieser Woche immerhin von vier auf sechs Personen erhöhen können. Unter normalen Bedingungen finden hier 20 Personen Platz. „Gerne würden wir unsere Angebote ausweiten, aufgrund aktueller personeller Engpässe sind jedoch momentan keine zusätzlichen Angebote möglich“, sagt eine Sprecherin der Diakonie. Spielraum für mehr lässt die aktuelle Corona-Schutzverordnung derzeit nicht zu. Wie die Schließung des Tagesaufenthalts in der Wartburgschule zu bewerten sei, wolle man zunächst im Team besprechen, heißt es vonseiten der Diakonie. Eine Aussage, die man auch bei den meisten anderen Trägern hört. Wer sich in der Szene zu den Plänen hinsichtlich des Tagesaufenthalts, den täglich bis zu 40 Personen besuchen, umhört, stößt vor allem auf Unverständnis. „Das ist für die Betroffenen eine katastrophale Entwicklung“, sagt einer, der seinen Namen nicht öffentlich lesen will. „Die anderen Anlaufstellen werden nicht plötzlich Platz haben für alle. Wo soll man dann hingehen?“ Ein anderer nennt die Schließung schlicht „katastrophal. Das macht es für bedürftige Menschen nur noch schwerer“.
Die Verwaltung, so heißt es derweil bei der Stadt, werde den Trägern Unterstützung zusichern, „wenn dies zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Betreuung der Menschen sinnvoll oder erforderlich ist“. Ob dies am Ende ausreichen wird, bleibt zunächst abzuwarten.
Dieser Artikel ist in Kooperation mit dem Straßenmagazin „draußen!“ entstanden.