Im Mienenspiel von Carlos Navarro zeigt sich, was das Auditorium hört: der peruanische Gitarrist spielt lateinamerikanische Melancholie. Seine kongeniale Partnerin an der Querflöte, die ungarische Türkin Anita Farka, ergänzt das Spiel so hervorragend, dass man sich die Gitarre überhaupt nicht ohne Flöte vorstellen kann: klare, schnelle Töne, fröhlich, dynamisch. Die Musik klingt wie ein Schmetterling im Liebestaumel, irgendwo auf einer Hacienda. Das Summerwinds-Festival ist ja bekannt für seine ungewöhnlichen Konzert-Locations. Gestern Abend spielte das Arie Duo im Atelier Andreas Rosenthal, einem ehemaligen Bunker, versteckt in einer Seitenstraße vom Kappenberger Damm.
Der Hausherr Andreas Rosenthal begrüßt natürlich das Publikum, das den schlauchförmigen Saal bis auf den letzten Platz besetzt. Er erzählt von dem Bunker, der nach seiner ursprünglichen Bedeutung eine wechselvolle Nutzung erfahren hat. Seit Anfang der 80er Jahre haben hier Künstler ihre Ateliers. Rosenthal selbst skizziert Wolkenbilder, versucht also Flüchtiges festzuhalten. An der Stirnseite des Saales, also hinter den Musikern, hängt eine großformatige Zeichnung.
Schon betreten die beiden die Bühne, Farkas im bodenlangen, aber schulterfreien, blauen Kleid, Navarro im bis oben zugeknöpften, langärmligen Hemd. Der Schweiß steht ihm auf der Stirn. Es ist kaum zu beschreiben, was die Gäste in den kommenden zwei Stunden geboten bekommen. Die Musiker haben ein grandioses Programm, das so vielschichtig immer wieder den Wechsel von Melancholie und ausgelassener Fröhlichkeit, dann wieder den Gleichklang beinhaltet. Von den ersten Takten an nehmen sie das Publikum gefangen, nehmen es mit auf Reisen in den Süden. Mauro Giulianis Grand Potpourri musizieren sie gemeinsam, zwischenzeitlich wirken die Zuhörer fast apathisch, so sehr sind sie vereinnahmt. Dabei warten sie nur auf die nächste Gelegenheit, lautstark zu applaudieren.
„Zwei Variationen gab es schon, aber 10 hat Miguel Llobet noch dazu geschrieben, deshalb werden die folgenden Musikstücke Llobet zugeordnet,“ sagt Navarro und greift in die Saiten. Leicht könnte man einen Vergleich zum Rattenfänger von Hameln zitieren. Und wahrscheinlich wären die Menschen im Atelier Navarro auch gefolgt, hätte er Anstalten gemacht, den Raum musizierend zu verlassen. Natürlich spielt auch Farkas später ein Solo, und zwar so schnell, sauber und fein, dass auch sie frenetischen Beifall erhält. Dabei schiebt sie sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, und trotzdem tanzen die Fingerkuppen weiter auf ihrem Instrument. Eine winzige Geste nur, doch sie ist kennzeichnend für das gesamte Konzert.
Programmatisch beenden die Musiker mit Francois Bornes „Carmen-Adaption“ den Abend, geben aber noch eine fantastische Zugabe, im Verlauf derer sich so mancher gefragt haben dürfte, ob das wirklich eine Querflöte war. Ein fantastisches Konzert mit großartigen Musikern sorgte für eine ausgelassene Konzertstimmung.
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