Der Abend beginnt gewohnt augenzwinkernd mit der Frage nach der Dehnungsfähigkeit durchschnittlicher Gesäße. Das würde vermutlich von jedem anderen unflätig klingen, ist bei Stefan Stoppok jedoch der gutgelaunte Start in einen sehr amüsanten Abend. Und der Mann steht nicht alleine auf der Bühne des gut gefüllten Jovel Clubs, sondern hat sich exzellente Verstärkung mitgebracht.
Betont lässig steht sein alter Weggefährte Reggie Worthy sonnenbebrillt zu seiner Linken und zeigt den tiefen Tönen, wo der Blues brummt. Hinter einem wahren Kuriositätenkabinett aus Trommeln, Becken, Percussions, Hundenäpfen und einem alten Stahlhelm verschanzt sich der US-Amerikaner Wally Ingram, der seine Künste ansonsten bei Hochkarätern wie Sheryl Crow, Tracy Chapman, Eric Burdon oder Art Garfunkel unter Beweis stellt.
Kein Freund halber Sachen ist auch Sebel, für den die Jovel-Bühne seit der „Sebel + ? = Montag“-Konzertreihe vertrauter Boden ist. Von diesem Boden ist um ihn herum allerdings nicht mehr allzu viel zu sehen, denn der Vintage-Spezialist aus dem Ruhrpott hat heute das große Besteck eingepackt. Hammond-Orgel samt Leslie-Lautsprecher, Wurlitzer-E-Piano und ein alter Vox-Verstärker mit passender Fender Telecaster bilden eine Burg aus Klang um den Multiinstrumentalisten.
Stoppok selbst hat extra seinen besten Anzug samt passendem Schuhwerk aus dem Schrank gekramt und spielt sich auf einer feinen Auswahl an unterschiedlichsten Saiteninstrumenten durchs Programm. Sehr treffend stellt er kurz nach Beginn fest: „Wenn ich schon beim zweiten Song einen Texthänger habe, dann wird das ein guter Abend.“ Und was für einer. Neben Material der letzten beiden Alben „Popschutz“ und „Operation 17“ wird gründlich im Repertoir aus 38 Jahren Stoppok gewühlt. Auch wenn er mittlerweile laut eigenen Aussage beziehungstechnisch „zu glücklich für den Blues“ ist, haben es nach langer Pause die alten Schätze „Romeo und Julia“ und „Wenn du weg gehst“ auf die Setliste geschafft. Auch wenn es nachdenklich stimmt, dass „Denk da lieber noch mal drüber nach“ und „Dumpfbacke“ immer noch aktuell sind, ergänzen sie sich hervorragend mit neueren politischen und gesellschaftskritischen Stücken wie „Mein Herz hat damit nichts zu tun“ und „La Kompostella“.
Stoppoks eigentlich museumsreifes, aber doch schmerzlich vermisstes Banjo darf bei „Volle Fahrt voraus“ noch einmal im alten Glanz erstrahlen, auch sonst ist der Sound wunderbar ehrlich und handgemacht (von der ein oder anderen Rückkoppelung mal abgesehen). Sebel orgelt, klampft und trommelt sich förmlich die Seele aus dem Leib, Worthy ist nicht „cool durch Zufall“, sondern eher die tieftönende Coolness in Person, während Wally das Schlagwerk zu einem einzigen, organischen Klangkörper macht. Und Stoppok selbst? Der Sänger mit der (nach eigener Aussage) nölenden Stimme hat nichts von seinem rauen Ruhrpott-Charme verloren und beweist auch an diesem Abend, dass er zwischen 5 und 12 Saiten alle Zwischentöne beherrscht.
Als nach guten zweieinhalb Stunden das Licht im Saal angeht, wissen Band und Publikum, dass bei ihnen auch zwischen Twen Tours und Seniorenpass immer noch „Alles klar“ ist.
Weitere Termine der aktuellen Stoppok-Tour gibt es hier.
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