Zum Glück hatte sie einen Großteil ihres Equipments schon aufgebaut, ansonsten wäre der ohnehin lange Abend im Pumpenhaus uferlos geworden – die Band Joasihno. „Halbtotale meets Reset“ hieß es da gestern. Immer neue Cross-Over-Konzepte gebiert die münsteraner Kunstszene und das ist gut so.
Natürlich hat das Publikum nicht alles verstanden, was die Poeten aus den Niederlanden und aus Flandern da rezitiert haben. Doch man konnte auf der rückwärtigen Projektionsfläche mitlesen oder – besser noch – sich einfach der Melodie hingeben. Die 6 Niederländer und Flamen spielen zwischendurch Didgeredoo, Banjo oder Theremin – ein Instrument, das ganz ohne Berührungen, nur durch Änderung des elektromagnetischen Feldes, bedient wird. Dazu wird gesungen in niederländisch, flämisch, englisch. Das besondere aber sind die kleinen Schnipseleien, die mit Hilfe eines alten Tageslichtschreibers an die Wand geworfen werden. Oft geht es in den Gedichten um Menschen und ihre Beziehungen zueinander oder zur Natur. Passend dazu wird ein Baum ausgeschnitten, eine Wolke mit Regen, die sich verändert und lebendig scheint. „Songs, Grooves und Gedachte“ verabschiedet sich nach einer guten Stunde.
Nach der Pause füllt sich der Saal weiter. Was Joasihno da zu zaubern beginnt, ist den Besuch allemal wert. Die beiden jungen Männer knien oder sitzen auf dem Boden, um sie herum allerlei Instrumente, die, zum Teil computergesteuert, eine Art Eigenleben führen. Fünf kleine Kräne drehen sich um sich selbst, am Ende hängt eine Kugel, die bei jeder Drehung gegen einen Klangkörper schlägt, Metallkuben oder Schlagwerkzeuge. Ein kleines Xylophon spielt sich selbst, ein großes wird bedient, hier mal eine Gitarrensaite, da ein bisschen Keyboard, ein paar Samples, elektronische Klänge, die im Verein mit sich ständig veränderndem Licht eine tolle Show erzeugen. Als Joasihno die Bühne verlässt, werden nur die Kräne abgebaut, zu aufwändig scheint ein Komplettabbau, obwohl eine weitere Pause folgt.
Es ist schon nach 23.00 Uhr, als der Stummfilm „Dr. Jeckyll und Mr. Hyde“ aus dem Jahr 1931 auf die Leinwand projiziert wird. Am linken Bühnenrand sitzen Anja Kreysing mit ihrem Akkordeon und Helmut Buntjer mit seiner Posaune. „This honorouble fish“ nennt sich die Formation, für die das Konzert der Auftakt einer kleinen Tour darstellt. Wer kennt nicht den Wissenschaftler und Arzt „Dr. Jeckyll“, der versucht mit einer chemischen Substanz, das Gute vom Bösen in einem Menschen zu trennen. Gelegenheit genug, diverse Geräusche, insbesondere aus der Dramatikabteilung, unterzubringen. Es sind eben nicht nur die Instrumente, die Kreysing und Buntjer gekonnt einsetzen. Es ist ein quietschender Notenständer, der sich elektronisch verstärkt in die Ohren bohrt. Es ist eine Chromargan-Schale, auf der Buntjer mit einem Schlüssel schabt oder klopft. Als Jeckyll sich das erste Mal in sich Mr. Hyde verwandelt, spielen beide Musiker so intensiv, dass es den Zuhörer fast zerreißt. Nach einem über vierstündigen Abend sind die Besucher allerdings froh, noch eins zu sein.
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