Sprechen und Schweigen über Zwangsarbeit Das zunächst unscheinbare „Fundstück des Monats“ September in der Villa ten Hompel steht mit der Geschichte von NS-Zwangsarbeit in Verbindung

Das Nähkästchen in der Dauerausstellung der Villa ten Hompel. (Foto: Villa ten Hompel, Dep 013, Nr. 41)

Pünktlich zur Wiedereröffnung der Villa ten Hompel nach der Sommerpause geht auch die beliebte Reihe über das „Fundstück des Monats“ wieder los. Das Fundstück im September kann in der Dauerausstellung besichtigt werden: Es ist ein Nähkästchen, das mit der Geschichte von Zwangsarbeit in Verbindung steht.

Das Nähkästchen aus rot lackiertem Holz ist erst einmal ein unscheinbares Objekt, das man vielleicht eher in einem Textilhandwerk- oder Heimatmuseum vermuten würde. Seine Geschichte zeigt, dass museale Objekte oft erst durch den überlieferten Kontext an Bedeutung gewinnen, die über den Gegenstand hinausgeht.

Die Leihgeberin erzählte bei der Übergabe, dass ihre Mutter das Nähkästchen von einem polnischen Zwangsarbeiter erhalten habe, der während des Zweiten Weltkriegs in einer Grevener Tischlerei hatte arbeiten müssen. Obwohl deren Vater NSDAP-Mitglied gewesen sei und das nationalsozialistische Regime jegliche Hilfeleistung für Zwangsarbeiter unter Strafe stellte, habe die Frau die Arbeiter in der Tischlerei gelegentlich mit Lebensmitteln versorgt. Zum Dank habe ihr einer von ihnen das Nähkästchen geschenkt, das er selbst in der Tischlerei gefertigt habe.

NS-Zwangsarbeit wurde lange als Begleiterscheinung des Krieges bagatellisiert

Im Detail nachprüfen lässt sich dies nicht, dennoch kann anhand des Objekts über die Nutzung von Handlungsräumen im Alltag diskutiert werden – und auch darüber, warum sich gerade derartige Erzählungen, bei denen widerständiges Handeln und die Unterstützung von verfolgten Menschen im Vordergrund stehen, in die deutsche Erinnerungskultur eingeschrieben haben.

Häufig wird etwa erzählt, dass Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, die auf privaten Bauernhöfen arbeiten mussten, gut von den Familien behandelt worden seien. Seltener wird darüber gesprochen, dass ein Großteil der verschleppten Menschen gedemütigt und misshandelt wurde, und dass Großunternehmen, Handwerksbetriebe und Privatpersonen das nationalsozialistische System der Zwangsarbeit überhaupt erst ermöglichten, indem sie ausländische Arbeitskräfte anforderten. Lange Zeit wurde die NS-Zwangsarbeit als Begleiterscheinung des Krieges bagatellisiert und nicht als NS-Unrecht anerkannt.

So sieht das Nähkästchen aufgeklappt aus. (Foto: Villa ten Hompel, Dep 013, Nr. 41)

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