Gestern feierte die Gruppe Theater Titanick im Gasometer am Albersloher Weg seine umjubelte Premiere von „Titanic“. Damit ging der “Open Air Summer”, mit dem diese Theatergruppe aus Münster und Leipzig sein Jubiläum “30+1” feiert, in die zweite Runde (wir berichteten vom Auftakt mit “Upside Down”). Bis zu diesem und am kommenden Wochenende ist das Stück noch sechs Mal an diesem besonderen Ort zu erleben, die Ausstellungen sind aber größtenteils ausverkauft.
Moment: Premiere – ist das Stück nicht schon so ungefähr 30 Jahre alt? Es war doch das allererste, das Theater Titanick inszenierte und von dem sie sich ihren Namen entliehen hat! Ja und nein, denn mit jedem neuen Aufführungsort verändert sich etwas an der Darstellung der wohlbekannten Geschichte vom Untergang des Luxusdampfers nach dem Zusammenstoß mit einem Eisberg. Waren es bei früheren Aufführungen am Aasee die Nebelschwaden auf dem Gewässer, ist es nun der Charme eines historischen Industriedenkmals aus Eisen.
Viele aus dem Premierenpublikum haben sicher zum ersten Mal den Innenraum von Münsters Gasometer betreten und fragen sich nun, warum dort nicht öfter etwas Vergleichbares stattfindet. Denn seitdem er 2005 als Erdgasspeicher stillgelegt wurde, führte er meist ein Dornröschendasein, das nur selten unterbrochen wurde, wie von den Aufführungen von Shakespeares „Sommernachtstraum“ durch das Wolfgang Borchert Theater vor neun Jahren oder von einigen Aktionen des Sozialpalasts. Uwe Köhler, der die Gruppe Theater Titanick 1990 zusammen mit Claire Howells gegründet hat, träumte aber schon lange davon, ihr erstes Stück „Titanic“ dort aufzuführen, wie er bei der Begrüßung verriet. Das hat einen nachvollziehbaren Grund: es gibt in Münster keinen Ort, der so sehr an eine alte Schiffswerft erinnert.
Und mit dem Bau der „Titanic“ beginnt das Stück: Wohl selten hat das rhythmische Schlagen der Hämmer authentischer geklungen als in dem rostigen Rund des Gasometers mit seinem genieteten Metallboden. Und auch wenn es zischt und knallt, scheint es stärker zu wirken, als gewohnt. Nachdem die Brücke und der Schornstein des Schiffs mit viel „Hauruck!“ an den Seilen errichtet worden sind, gibt es den ersten Szenenapplaus. Und wie wir es inzwischen wohl alle vom Theater Titanick kennen und erwarten, tauchen auch in diesem ersten Stück allerlei skurrile Figuren auf, deren Rollen aber eindeutig zuzuordnen sind: der wagemutige Koch, der Gepäck schleppende Page oder der fleißig schuftende Heizer stellen die Arbeiter auf und unter Deck dar, der Mann im weißen Anzug und die exaltierte Lady (Claire Howells) die wohlhabenden Passagiere. Über allen steht der Kapitän. Und erst als er das längst geschehene Unglück ausruft, wird es wahrgenommen.
Nur wie soll man den riesigen Eisberg darstellen? Er taucht zunächst als witzige Anspielung auf, als die Lady das Schiff nicht mit einer Champagnerflasche, sondern mit einem Eisblock tauft, wie er damals in Kühlschränken verwendet wurde. Der Matrose im hohen Ausguck ruft eher leise „Eisberg!“, aber zu sehen sind natürlich nur die Folgen dieser Begegnung auf hoher See. Der Heizer im Bug bemerkt als erster hier und da ein kleines Leck, das er mit immer weniger Erfolg zu stopfen versucht. Währenddessen feiern die Passagiere in den oberen Etagen bei Spanferkel und Walzertanz und nehmen den drohenden Untergang erst wahr, als es längst zu spät ist. Wenn man will, kann man das wohl als Anspielung auf unseren Umgang mit dem Klimawandel deuten.
Der nun folgende Untergang ist mit viel Spielfreude in Szene gesetzt, mit viel Feuer und noch viel mehr Wasser. Spätestens jetzt weiß jeder im Publikum, warum in den ersten Reihen Plastikcapes für die Zuschauenden ausliegen. Sogar die in den hinteren Reihen bekommen hier und da einige Spritzer ab. Seit der ersten Aufführung 1993 haben schon viele diese Geschichte in den prächtigen Bildern vom Theater Titanick gesehen, so manche sind jetzt sicher Wiederholungstäter oder unterstützen die Gruppe sogar mit einem SOS-Bonus-Ticket. Präsentiert und gefördert wird es auch von der Stadt Münster in der Reihe „Herzglut“, mit dem das Kulturamt auf lokaler Ebene das Förderprogramm „Kultursommer 2021“ der Kulturstiftung des Bundes geradezu vorbildlich umsetzt. Als drittes und letztes Stück vom Theater Titanick wird in dieser Reihe am 24. und 25. September das Roadmovie „TRIP OVER“ zu sehen sein. Der Kartenvorverkauf für die Aufführungen am Hafengrenzweg soll in der nächsten Woche beginnen.
Insgesamt sieben Mal wird "Titanic" bis zum 28. August im Gasometer aufgeführt - eigentlich ausverkauft, aber es lohnt sich, dem Theater auf den sozielen Medien zu folgen (auf Facebook oder Instagram). Denn es wurden schon einige weitere Plätze als die ursprünglich geplanten genehmigt. Dort und auf der Homepage https://titanick.de sind wichtige Infos zur Anreise und dem Corona-Schutzkonzept zu finden.
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