Die Initiative „skate-aid“ nimmt sich gemeinsam mit der Diakonie Münster unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen an. Einige von ihnen gehören zu der Gruppe, die am Montag beim Skateboard-Workshop im Skaters Palace die Rampen eroberte. Dort heißt es nun regelmäßig: Das Training auf dem Parcours ebnet den Weg zu Integration, Persönlichkeitsbildung und Sprachvermittlung. Skateboard-Pionier und skate-aid-Initiator Titus Dittmann steckt das Ziel noch höher: „Wir können eine Art Ersatzfamilie werden“, sagt er über die Gemeinschaft der Skateboarder.
Knapp 40 Kinder und Jugendliche, davon sieben unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im Alter von 15 bis 17 Jahren aus Eritrea, Afghanistan und Sudan sowie rund 30 Sprösslinge aus Flüchtlingsfamilien tummeln sich im Skaters Palace. Dorthin werden sie künftig allwöchentlich von ihren Flüchtlingsunterkünften per Shuttle-Bus gebracht.
Mit klassischem Unterricht hat es aber wenig zu tun, was sich in der Skateboard-Halle abspielt. Skateboard-Pionier und „skate-aid“-Gründer Titus Dittmann zeigt sich von dem Treiben sichtlich bewegt: „Ich bin begeistert, wie viele Kinder und Jugendliche wir heute bereits erreicht haben. Es ist der Hammer, zu sehen, wie sie sich auf die Bretter stürzen und einfach losfahren. Wer die Kinder hier beobachtet hat, der sieht sofort, wie sinnstiftend Skateboarding ist.“ Er sieht im Rollbrett ein ideales Vehikel, um Gräben zu überwinden, denn Dittmann unterstreicht: „Beim Skateboarden spielen Herkunft, Farbe und Religion keine Rolle. Das ist Integration pur.“ Doch auch jeder Einzelne wachse beim Versuch, immer schwierigere Tricks zu wagen: Ausdauer, Leistungsbereitschaft und die Haltung, nach Stürzen wieder aufzustehen, seien Tugenden, die die Persönlichkeit festigen und der Gesellschaft dienen. „Wir wollen starke Menschen aus ihnen machen“, so der 66-Jährige über die Flüchtlinge, die die Stiftung skate-aid unter ihre Obhut nimmt.
Acht pädagogisch ausgebildete Skateboard-Trainer betreuen die Anfänger auf diesem Weg, die sich zunächst noch mit den Boards vertraut machen. Der übliche Montagskurs verläuft parallel. Ohne Berührungsängste. Sprachbarrieren werden mit ein paar Brocken Deutsch, englischen Vokabeln und Gesten übersprungen. Freundschaften, die mit den deutschen Skatern geknüpft werden, sollen helfen, Ängste in der fremden Umgebung und schlummernde Traumata abzubauen. Wortschatz und Grammatik-Gefühl wachsen sprunghaft an: Beim Skaten lernen die Kids mehr Deutsch als in einer Woche beim Pauken in der Schule“, betont der einstige Studienrat, der auch pädagogische Motivations-Kniffe eingebaut hat.
Denn: Wer sich sinnvoll in die Gemeinschaft einbringt, kann sich sein eigenes Brett über ein „Sozialpunkte-System“ verdienen. Dittmanns Devise: „Wir verschenken generell keine Boards – und das aus gutem Grund. Die Kinder erfahren weit mehr Selbstwertgefühl, wenn sie etwas Sinnvolles für die Bretter tun und Verantwortung übernehmen. Die Wertschätzung für das Equipment ist ein ganz anderes, als wenn wir sie mit Geschenken überhäufen“, lauten die Erfahrungen aus weltumspannenden Projekten.
Den Einsatz von „skate-aid“ auf diesem Feld begrüßt Florian Krauseneck, Streetworker bei der Diakonie Münster: „Sport als Integrationswerkzeug ist eine tolle Möglichkeit, Kinder und Jugendliche aus unterschiedlichen Milieus zusammenzubringen.“ Krauseneck ist überzeugt: „Der Bedarf nach solchen Angeboten wird weiter steigen.“ Teilnehmer und Trainer sind sich einig: „Wir freuen uns auf nächsten Montag.“ Wenn etwa Linus dem 15-jährigen Solomun zur Seite steht, wenn der Junge aus Eritrea auf wackeligem Brett gegen die Schwerkraft kämpft, um mehr Bodenhaftung für sein Leben zu gewinnen.
"skate-aid" betreibt seit mehr als fünf Jahren nicht nur national sondern auch international Projekte, die das Skateboard als sinnstiftendes Instrument nutzen. skate-aid bringt weltweit die Hoffnung ins Rollen, denn Skateboarding fördert die Willensstärke, das Gemeinschaftsgefühl, Sozialverhalten und die damit einhergehende Identitätsbildung.
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