Es ist zum Mäusemelken. Für Sebastian Pufpaff läuft alles gut – und Umfragen bestätigen es ja immer wieder, dass gut 60 % aller Deutschen zufrieden sind. Es gibt einfach nichts mehr, worüber es sich aufzuregen lohnt, schließlich sei ja sogar die Servicewüste Deutschland abgeschafft worden. Wenn selbst das Nutellabrot auf die richtige Seite fällt, dann ist es Zeit, selbst tätig zu werden: einfach mal einen harmlosen, freundlich lächelnden Schmetterling erschlagen! Aber wie Sebastian Pufpaff gequält feststellt: Wie wolle man auch ernsthaft über Betreuungsgeld und andere Auswüchse des Staates meckern, wenn um einen herum Staaten zerbröseln und in Terror versinken? Da helfe nur gnadenloser Liberalismus! Mühelos wechselt der Kabarettist von einem Thema zum nächsten und begeistert die Zuschauer mit absurden Ideen zur Teilhabe aller von der Gesellschaft Ausgeschlossenen wie etwa der, mit einem nagelneuen Mercedes durch ein Ghetto zu fahren und gleichzeitig bei heruntergekurbeltem Fenster auf die Rolex am Handgelenk zu verweisen. Oder auch mal einer Frau die Tür zuzuschlagen statt sie aufzuhalten: Scheiß auf die Frauenquote!
Man möchte fast meinen, der Mann holt niemals Luft. Im Schweinsgalopp geht es von einem Abenteuer zum nächsten und auch die Kalauer kommen nicht zu kurz, aber immer etwas hintersinnig verpackt: Wenn er vom „Imperativ der Produkte“ spricht und erklärt, dass der eine oder andere Produktname etwas Druck ausübe, etwa wenn darauf „Tempo!“ stünde. Aber nicht nur die Werbeindustrie und Sterneköche kriegen ihr Fett weg – der Kabarettist erkundigt sich auch nach Haustieren und schon werden die Tierliebhaber durch den Kakao gezogen. Das Publikum im nahezu ausverkauften Hörsaal H1 macht es gerne mit, schüttelt sich immer wieder aus vor Lachen.
Der erste Teil der Show enthält überraschend wenig Kritik an Politikern, sondern nimmt eher gesellschaftliche Beobachtungen aufs Korn, wie wenn er sich über den Bildungsstand von Berufsschülern und Gymnasiasten wundert. Aber nie macht er das überheblich, sondern räumt seine eigenen Schwächen im Umgang mit moderner Technik direkt ein. Auch im zweiten Teil widmet er sich gesellschaftlichen Phänomenen; Pufpaff hat nun das gegenwärtige Verhalten zur Partnerwahl im Blick: Überall krisele es, jede 4. Ehe werde geschieden und jeder warte noch auf etwas Besseres. Da kurbele er gerne Beziehungen seiner Freunde wieder dadurch an, dass er einen Stripper vorbeischicke – und schon würde der Ehemann eifersüchtig und die Beziehung wieder etwas inniger! Dass die Partnerwahl heutzutage anders funktioniere, wundere ihn angesichts fragwürdiger Fernsehformate wie Germany’s next Topmodel, Berlin Tag & Nacht und Der Bachelor nicht, denn was für ein Frauenbild würde dort vermittelt? Ohne es direkt zu beantworten, macht er deutlich, wie dumm die Teilnehmerinnen gerade in der letzten Show seien – ließen sie sich doch quasi mit einer Rose kaufen.
Das Programm des vielseitigen Kabarettisten ist bis zu diesem Punkt sehr unterhaltsam und urkomisch präsentiert, aber es werden keine heißen Eisen angepackt. Ganz anders in dem Moment, als er anfängt laut über Terroristen zu sinnieren und die verheißungsvolle Logik der islamistischen Anwerber in Frage zu stellen. Bei der Frage „Glauben Sie wirklich, das liegt am Koran?“ herrscht Totenstille im H1, Pufpaff merkt sofort den Stimmungsumschwung und greift ihn auf, um gleich über das verschrobene Weltbild von PEGIDA-Anhängern und deren allzu eindimensionale Sichtweise nachzusetzen: „Ausländer – Arbeitslose – Terroristen – alles das Gleiche!“ Gewissermaßen hält er dem Publikum den Spiegel vor, wenn er dann auf das Verhältnis zur Religion im säkularisierten Deutschland zu sprechen kommt und feststellt, dass die gefühlte Überlegenheit Vieler im Vergleich zum Islam auf tönernen Füßen steht.
Denn aller Trennung von Staat und Kirche zum Trotz ist der Einfluss der katholischen Kirche immens und die Bigotterie für ihn offensichtlich: „Gegen Homosexualität sein, aber kleine Messdiener knattern!“ Und Pufpaff erklärt: Der Reichtum der katholischen Kirche komme nicht zuletzt auch aus Landeskassen – wie es denn wäre, wenn man die 425 Millionen Euro stattdessen mal in Kitas und Bildung stecken würde, den Kindern beibringen würde: „Es gibt keine Ausländer, nur Arschlöcher!“ Überhaupt plädiert er dafür, den Kopf mal freizumachen – wie schön wäre es, wenn man quasi die Festplatte im Kopf so „blitzdingsen“ könnte, einfach nochmal zurück auf Anfang? Mit diesem Ausblick und dem Wunsch nach Veränderung zum Besseren bedankt und verabschiedet sich Sebastian Pufpaff von seinem Publikum.
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