Viel Wohlwollen in Münster Bundeskanzler Olaf Scholz "steht" im Jovel Rede und Antwort

Bundeskanzler Olaf Scholz stellt sich den Fragen des Publikums. (Foto: Thomas Hölscher)
Bundeskanzler Olaf Scholz stellt sich den Fragen des Publikums. (Foto: Thomas Hölscher)

Wenn es nach den rund 400 Zuhörerinnen und Zuhörern im „Jovel“ ginge, wäre die vorgezogene Neuwahl bereits entschieden, Bundeskanzler Olaf Scholz traf auf ein überwiegend wohlgesonnenes Publikum, als er über eine Stunde dessen Fragen beantwortete. Empfangen wurde er vor der Tür von Protestierenden der Umweltinitiative „Greenpeace“.

Scholz trat dem Publikum mit der Ruhe entgegen, für die er bekannt ist und für die ihn vermutlich ähnlich viele Menschen schätzen wie ablehnen. Der erste Tag seiner Wahlkampfreise führte ihn über Bielefeld und Lünen nach Münster. Falls diese Route so gewählt wurde, weil er meinte, hier zum Abschluss des Tages auf das wohlwollenste Publikum zu treffen, ist die Rechnung möglicherweise aufgegangen. Stehender Applaus beim Eintritt machte schnell klar, dass hier jede Menge Scholz-Fans am Start sind. 

Zwischenrufer zu Beginn

Den einzigen Zwischenfall gab’s ziemlich zu Beginn durch einen lautstarken Zwischenrufer, der die Fragerunde, die den Hauptteil der Veranstaltung ausmachen sollte, nicht abwarten wollte. Seinem Protest gegen den Krieg in Gaza begegnete Scholz mit einem klaren Bekenntnis zum Selbstverteidigungsrecht Israels, auf den „brutalen und furchtbaren Angriff der Hamas“, aber auch mit dem Wunsch nach einer raschen friedlichen Perspektive auf Grundlage der Zwei-Staaten-Regelung und dem Wunsch, dass die humanitäre Hilfe die Menschen in Gaza im vollen Umfang erreichen möge. Ebenso klar war Scholz bei der Frage nach einer weiteren Unterstützung der Ukraine. „Wir haben die Ukraine bislang mit 28 Milliarden unterstützt, das ist mehr, als andere Länder geleistet haben. Aber wir akzeptieren es auch nicht, wenn jemand sagt, dass ein Land der Hinterhof des eigene Landes sei und dieses kein Recht auf eine eigene Regierung habe.“

Viel Zeit für Fragen

Über eine Stunde nahm sich der Bundeskanzler Zeit für die Fragen des Publikums, die sich meist um sozialdemokratische Kernthemen wie Lohngerechtigkeit, soziale Wirtschaftspolitik und dem Umgang mit den Ultrarechten drehte. Angenehm war, dass anders als in der öffentlichen politischen Debatte häufig ermüdend üblich, sehr selten gegen den politischen Gegner ausgeteilt wurde und stärker auf die Erfolge der eigenen Politik verwiesen wurde. Dabei stellte sich allerdings mehr als einmal die Frage, warum diese Erfolge offenbar beim Wähler nicht wirklich ankommen. So sprach eine Krankenschwester, die darauf hinweist, dass sich ihr Gehalt trotz sozialdemokratischer Regierung in den letzten Jahren kaum verbessert habe, offenbar vielen Zuschauerinnen und Zuschauern aus der Seele. 

Klima der Fremdenfeindlichkeit

Breiten Raum nahm, wie allgemein in der aktuellen gesellschaftlichen Debatte, das Thema Rassismus ein. „Es gibt keinen Grund seinen Nachbarn zu hassen, wenn es einem selber schlecht geht!“, stellt der Bundeskanzler beim Blick auf das zunehmende Klima der Fremdenfeindlichkeit in Deutschland klar. „Ich beantworte bei solchen Veranstaltungen auch Fragen von AfD-Sympathisanten. Manche sind dann auch überrascht über die Antwort, weil sie eigentlich nur die Frage stellen wollten“, berichtet Scholz launig. Dem angestrebten Verbotsverfahren sieht er mit zwiespältigen Gefühlen entgegen, zu oft seien solche Versuche bereits gescheitert. Lieber solle man die politische Auseinandersetzung suchen, ist sich Scholz sicher.

Asyl: Klare Linie

Klar bekennt sich Scholz zum Recht auf Asyl für Menschen, die in ihren Heimatländern von Verfolgung und Tod bedroht sind. Die Bearbeitung von Asylanträgen müsse allerdings deutlich schneller gehen, dieses liege aber in der Verantwortung der Länder. „Wenn ein Schutzgrund nicht vorliegt, kann man auch nicht bleiben“, zieht der Bundeskanzler eine klare Linie zwischen bleiben und gehen. 

Am Ende der Veranstaltung zeichnete sich das Bild eines Olaf Scholz ab, der sich in Münster sichtlich wohl fühlte und auch die lange Schlange derjenigen, die ein Selfie mit ihm haben wollten, geduldig abarbeitete. Ob dies nicht nur der Besuch des amtierenden, sondern auch des zukünftigen Bundeskanzlers im Jovel war, wird sich am 23. Februar nach der vorgezogenen Neuwahl zeigen.

Mahnwache von „Greenpeace“

Am Rande des Besuchs von Kanzler Scholz machten Ehrenamtliche von „Greenpeace“ Münster mit einer ungewöhnlichen Aktion auf die Verbindung von Sozial- und Klimapolitik aufmerksam. Mit einem ein Meter großen roten „S“ und dem Banner „Sozial heißt Klimaschutz“ erinnerten sie die SPD daran, sozialverträglichen Klimaschutz in den Mittelpunkt zu stellen. Paul Schaub von Greenpeace Münster kritisierte, dass es nach drei Jahren SPD-geführter Regierung noch immer kein Klimageld gebe und Maßnahmen wie das Deutschlandticket inzwischen teurer geworden seien. „In der Klimapolitik scheint die SPD das ‚sozial‘ in ihrem Namen aus den Augen verloren zu haben.“

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