Seit rund 30 Jahren gibt es in Münster die Initiative „eve&rave“, deren ehrenamtliche Mitglieder über das Thema Drogen informieren, immer auf Augenhöhe und ohne erhobenen Zeigefinger. Ihr Wohnwagen auf dem Gelände des Hawerkamps zieht immer wieder junge Clubgängerinnen und Clubgänger an, um sich mit hilfreichen und sicheren Utensilien einzudecken und Informationen zu erhalten, die im Zweifelsfall lebensrettend sein können.
Hawerkamp 00.17 Uhr: Aus alten Industriegebäuden dröhnt der tiefe Bass von Techno-Musik und lockt unzählige leicht bekleidete, junge Menschen an. Mitten in dieser dunklen Kulisse steht ein Wohnwagen und vor ihm ein mit bunten Lichterketten dekorierter Tisch. Zwei Clubgänger mit Sonnenbrille bleiben neugierig stehen „Was gibt’s denn hier?“ Tobi, einer der ehrenamtlichen Mitarbeiter bei „eve&rave“, zählt das Angebot auf: „Wir haben Flyer über Ecstasy, Koks, Alkohol und so weiter. Süßigkeiten, Desinfektionstücher, saubere Ziehröhrchen für unterschiedliche Drogen…“ Am beliebtesten sind heute die Knicklichter. Schon stehen die nächsten Interessierten am Tisch und erkundigen sich nach den Preisen. „Das ist alles auf Spendenbasis. Hier steht eine Dose, falls Ihr Kleingeld habt.“ Ein junger Mann kramt Münzen aus seiner Gürteltasche und zielt auf den Schlitz in der Spendendose. Eine Münze verfehlt das Ziel, „Sorry, ich bin ‘n bisschen zu drauf.“
Hier wird ganz offen mit dem Thema Drogenkonsum umgegangen. „Wir sind hier richtig nah dran an den Leuten, genau da, wo sie die Drogen nehmen. Sollen sie ja auch, aber möglichst sicher.“ Tobi Ist eigentlich Informatiker und schon seit drei Jahren dabei. Er hat, wie alle Ehrenamtlichen bei „eve&rave“, eine Schulung zu den Themen Safer Use, Substanzkunde, Erste Hilfe, Gesprächsführung und Krisenintervention gemacht. Ob es um das Belehren geht? „Auf keinen Fall. Das ist alles niedrigschwellig und auf Augenhöhe. Die Leute kommen auf uns zu, nicht umgekehrt. Und wenn sich jemand ein Ziehröhrchen nimmt, kann man dazu auch Tipps geben, wie zum Beispiel dass man keine Geldscheine benutzen sollte, um Infektionen zu vermeiden.“
Immer früher und einfacher kommen Jugendliche mit Drogen in Berührung und werden über den Gebrauch meist von Gleichaltrigen oder den Dealern aufgeklärt. Durch die Angebote der klassischen Drogenberatung wird diese zunehmend wachsende Zielgruppe kaum erreicht. „An dieser Stelle übernimmt ‚eve&rave‘ eine wichtige Brückenfunktion“, erklärt die Sozialarbeiterin Pia Seil, die seit 2017 die zweite Vorsitzende des Vereins ist.
Die Gründung von „eve&rave Münster“ liegt schon 30 Jahre zurück, es habe aber seit 2017 eine Art „Wiederbelebung“ stattgefunden, so Pia. Die wohl wichtigste Unterstützung erhalte man durch die Franz-Bröcker-Stiftung, ohne deren konstante Förderung der Verein nicht existieren könne, erzählt Pia. „Und dann bekommen wir ja auch noch die Spenden am Stand.“ Um überhaupt mit der Zielgruppe in Kontakt zu treten, sind die Verantwortlichen des Hawerkamp e.V. und die Partyveranstalter essentiell, die den Infostand des Vereins nicht nur gestatten, sondern ausdrücklich begrüßen.
Da die Mitglieder von „eve&rave Münster“ meist selbst aktive Partygängerinnen und Partygänger sind oder waren, wird zwischen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und den Konsumentinnen und Konsumenten die gleiche Sprache gesprochen – man interessiert sich für die gleiche Musik und verwendet die gleichen szenetypischen Begriffe. Das mache das positive Einwirken nicht nur unkompliziert, sondern auch effektiver, wie Pia erklärt. Die Mitglieder von „eve&rave Münster“ rekrutieren sich in erster Linie aus bereits dort tätigen Ehrenamtlichen, „Dann bringt hier und da mal jemand einen Freund oder eine Freundin mit“, erklärt Pia, „So herrscht im Team auch das harmonische Klima, was Du vor Ort erlebt hast. Jeder hat Spaß an der Sache.“
Neben dem Hawerkamp sei der Verein auch im Rahmen von sogenannter „Psy Care“ auf Festivals zu finden. Dort sei man mit etwa 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, darunter Fachkräfte aus der Sozialen Arbeit, Pflege, Psychologie, Chemie und Medizin, rund um die Uhr vertreten, um Konsumierende bei schlechten Trips beizustehen. „Jemanden zu betreuen, dem es im Rausch gerade sehr schlecht geht, dauert teilweise mehrere Stunden. Das kann schon anstrengend sein.“ Aktuell gebe es zwölf aktive Mitglieder für den Infostand am Hawerkamp. „Das ist leider zu wenig, um wirklich regelmäßig vor Ort zu sein. Das Interesse und der Bedarf sind groß, aber um am Kamp eine feste Institution zu werden, brauchen wir mehr Freiwillige.“
Wer Interesse hat, kann sich gerne über instagram bei „everave_muenster“ oder per Email unter info@eve-rave.de melden.
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