Rundfunkverweigerer verurteilt Ein Fall ohne Gewinner*innen / Unterstützer*innen des Angeklagten aus der verschwörungsideologischen Szene

Vor dem Amtsgericht Münster wurde der “GEZ-Boykotteur” Georg T. verurteilt. (Symbolbild: Thomas Hölscher)
Vor dem Amtsgericht Münster wurde der “GEZ-Boykotteur” Georg T. verurteilt. (Symbolbild: Thomas Hölscher)

Im Amtsgericht Münster wurde gestern der als “GEZ-Boykotteur” bekannte Georg T. zu 120 Tagessätzen wegen Körperverletzung verurteilt.

Es wurde eng im Gerichtssaal. Die rund 20 Unterstützer*innen des Angeklagten konnten aufgrund fehlender Plätze nicht alle an der Verhandlung teilnehmen und mussten teilweise vor der Tür warten. Der Angeklagte selbst hatte vorab auf Social Media zur Prozessbeobachtung aufgerufen.

Vorwurf des Würgens eines Mitarbeiters der Justizvollzugsanstalt

T. saß sechs Monate in Erzwingungshaft. Anders als bei der Freiheitsstrafe geht es bei der Erzwingungshaft nicht um staatliche Sanktionen als Reaktion auf eine Straftat, sondern meist um das Erzwingen einer Zahlung. In T.s Fall war es die Verweigerung einer Vermögensauskunft, die er im Streit aus Prinzip um die fehlende Zahlung der Rundfunkgebühr nicht geben wollte. Die Erzwingungshaft ist auf maximal sechs Monate begrenzt, die der Angeklagte auch komplett absaß. Wenige Wochen vor der Entlassung soll es dann zu einem Zwischenfall gekommen sein. Der Angeklagte soll mehrfach den Notruf in der Zelle genutzt haben, um ein Dokument zu kopieren. Weil die Beamt*innen der JVA ihm die Kopie nicht sofort ermöglichten, soll er erneut den Notruf betätigt haben, ohne selbst über die Sprechanlage auf Fragen zu antworten. Beim dadurch erforderlichen Nachsehen, ob es den Insassen gut geht, kam es dann zur körperlichen Auseinandersetzung. Vermutlich aus Frust würgte der Angeklagte einen der Beamten am Hals. T. selbst bestreitet die Vorwürfe.

“Halten Sie einfach mal Ihre blöde Fresse!”

Unter den Unterstützer*innen des Angeklagten befanden sich auch bekannte Gesichter der verschwörungsideologischen Szene. Schon vor Verhandlungsbeginn sorgte Peter W. für Aufsehen, weil er mit einem Barett als Kopfbedeckung den Saal betrat und vom Richter darauf hingewiesen wurde, das abzunehmen. Peter W. wurde in der Vergangenheit bereits wegen eines ähnlichen Delikts verurteilt. Er hatte sich während der Pandemie gewaltsam gegen Ordnungsamtsmitarbeiter*innen gewehrt.

Während der Verhandlung kam es immer wieder zu Zwischenrufen aus dem Publikum, obwohl der Angeklagte seine Unterstützer*innen selbst darum gebeten hatte, ruhig zu sein. Trotzdem schien es so, als wüsste es immer wer besser. So wurde wahlweise auf die eigene schlimme Situation oder auf vermeintliche Fehler der Jurist*innen hingewiesen. Auch dem Pflichtverteidiger, der sich sichtlich bemühte, dem Angeklagten eine hohe Strafe zu ersparen, wurde das irgendwann zu viel und schnauzte eine Person im Publikum an: “Halten Sie einfach mal Ihre blöde Fresse!”.

Pädagogische Verhandlung

Sowohl Staatsanwalt, als auch Richter und Verteidigung bemühten sich um ein gerechtes Verfahren. Nur so lässt sich erklären, dass sich die Verhandlung beinahe fünf Stunden zog und alle sechs anwesenden Zeug*innen ausführlich befragt wurden. So ausführlich, dass der Angeklagte sich wiederholt im eigenen Fragenlabyrinth verirrte und auch die Tipps seines eigenen Anwalts nicht beherzigte, doch keine irrelevanten und womöglich für ihn nachteiligen Fragen zu stellen.

Der Staatsanwalt bekräftigte in seinem Abschlussplädoyer, was auch insbesondere an die Zuschauer*innen gerichtet war, dass er fair bleiben wolle. Das Ergebnis sei eindeutig, er hoffe trotzdem, dass durch die Teilnahme am Prozess alle sehen konnten, dass es keine “böse Verschwörung” gegeben habe. Auch hielte er den bisher nicht vorbestraften Angeklagten nicht für einen Gewalttäter, sondern glaubt an einen Kurzschluss. Er plädierte für 150 Tagessätze zu je 20 €.

Der Verteidiger, der erklärt, dass die vielen Stunden Verhandlung auch an ihm zerren, sieht das anders. Er sieht Widersprüche in den Zeug*innenaussagen, die für eine klare Verurteilung nicht reichen würden. Der Angeklagte lebe zwar in seiner “eigenen Gedankenwelt”, sei jedoch nicht aggressiv. Das Klatschen aus dem Publikum quittiert er dabei mit den Worten: „Ich brauche ihren Applaus nicht.” Zugleich weist er darauf hin, dass es durchaus Gründe für Beamt*innen gebe, eskalierte Situationen zum Selbstschutz im Nachhinein als schlimmer darzustellen, als sie wirklich waren. Und meint damit wohl auch Beamt*innen wie Polizist*innen, die im Einflussbereich der Staatsanwaltschaft liegen.

T. selbst ließ sich sein letztes Wort, trotz Sorge seines eigenen Anwalts und dieses Mal auch trotz Warnung seiner Vertrauten im Publikum, nicht nehmen. Er verlor sich wieder in seiner eigenen Argumentation und äußerte sich respektlos gegenüber einem Zeugen. Seine Worte endeten damit, dass er nicht verurteilt werden dürfe, falls es Zweifel gebe.

Das Urteil

Der Richter setzte an genau dieser Argumentation an. Denn Zweifel an der Schuld des T. hatte er keine. Er betonte die hohe Übereinstimmung der Zeug*innenaussagen und dass die wenigen Abweichungen geradezu bewiesen, dass es vorab offenbar keine Absprachen gegeben hatte. T. sei für ihn kein Märtyrer, wie seine Anhänger*innen ihn offenbar sahen, sondern einfach “ein Straftäter”. Mit der Höhe der Forderung der Staatsanwaltschaft wollte er trotzdem nicht mitgehen und blieb mit den 120 Tagessätzen zu je 25€ darunter.

Ein Fall ohne Gewinner

Lange vor Verhandlungsbeginn war klar, dass es in dem Fall keine Gewinner*innen geben kann. Die Umstände einer Erzwingungshaft sind tragisch genug und sicherlich wäre es ratsam, diese besondere Form der Haft insgesamt zu hinterfragen. Noch schlimmer wird es dadurch, dass es während einer solchen Gefängnisstrafe zu einer tatsächlich gewaltsamen Straftat kommt, unter der mehrere Menschen leiden und wegen der T. selbst in Zukunft als vorbestraft gilt.

Pessimistisch stimmt auch, dass die eigentliche Tat mittlerweile drei Jahre zurückliegt und die Justiz die Aufarbeitung erst so spät gelang. Hier waren sich alle Anwesenden im Gerichtssaal in ihrer Kritik einig. Es stellt sich nun die Frage, welchen Nutzen das Urteil überhaupt noch für irgendwen haben könnte.

Der Richter schien davon auszugehen, dass T. jedenfalls noch ein Berufungsverfahren anstrebt und gab zum Abschluss den Hinweis, dass sich der nun Verurteilte in Zukunft auf das Wesentliche beschränken solle, statt sich immer wieder in Unsachlichem zu verirren, wenn er in juristischen Streitereien erfolgreicher sein möchte.

T. erwartet auch noch eine zivilrechtliche Auseinandersetzung. Auf Facebook verkündete er am Abend nach dem Urteil: “wie nichts anderes erwartet habe ich natürlich verloren, iwas von 120 Tagessätzen habe ich gehört. […] Ob wir in die Berufung gehen werden das muss ich die Tage mit meinem RA abchecken.”

Und so mahlen die langsamen Mühlen der Justiz weiter und die Anhänger*innen der verschwörungsideologischen Szene arbeiten sich daran ab. Mit einer notwendigen Kritik an Höhe und Umsetzung des Rundfunkbeitrags, der faktisch tatsächlich vor allem finanziell benachteiligte Menschen belastet, hat der Fall leider nichts zu tun.

Ein Kommentar

  1. Ich finde den Artikel gernicht so schlech. Danke dass Ihr erwähnt habt dass es bei den Zeugenaussagen zu Widersprüchen kam. Wenns um Publikum geht, ich habe nicht alle gekannt, vllt die Hälfte der Prozessbeobachtungszeugen, (…)
    „Der Richter setzte an genau dieser Argumentation an. Denn Zweifel an der Schuld des T. hatte er keine. Er betonte die hohe Übereinstimmung der Zeug*innenaussagen und dass die wenigen Abweichungen geradezu bewiesen, dass es vorab offenbar keine Absprachen gegeben hatte.“ lol…
    Danke für: „Mit einer notwendigen Kritik an Höhe und Umsetzung des Rundfunkbeitrags, der faktisch tatsächlich vor allem finanziell benachteiligte Menschen belastet,(…).“ und deswegen habe ich mich entschieden ins Gefängnis zu gehen. Die Zwangsabgabe belastet die Geringverdienner.
    Ich war seht aufgeregt sry, deutsch ist nicht meine Muttersprache. LG georg thiel

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