Ein riesiger, orangefarbener Schwenkarm, der an Schweißroboter aus der Autoindustrie erinnert: So lässt sich die jüngste Errungenschaft des Instituts für Experimentelle Muskuloskelettale Medizin (IEMM) der Universität Münster am anschaulichsten beschreiben. Das rund 150.000 Euro teure Robotersystem wird zur Simulation von Gelenken und ihren Bewegungen genutzt; es kann deren Verhalten vor oder nach einer Operation darstellen. Das IEMM verfügt als einzige universitäre Einrichtung in Nordrhein-Westfalen über eine solche Ausstattung.
Die münsterschen Unimediziner treiben mit ihrer Neuanschaffung die unfallchirurgische Forschung voran – und dabei helfen ihnen Menschen, die längst verstorben sind: Körperspender, die zu Lebzeiten entschieden haben, ihren Leichnam nach dem Tod der medizinischen Forschung zur Verfügung zu stellen. Lebende Patienten kommen also nicht mit der Maschine in Kontakt. Die Spenderteile, etwa ein Kniegelenk, werden, um realistische Ergebnisse zur erzielen, „mit Haut und Haar“ in den Roboter eingesetzt, von diesem bewegt und so untersucht.
„Wir testen zuerst, wie sich das gesunde Gelenk beispielsweise unter einer Last verhält oder schauen uns an, wie die Bewegungsumfänge sind“, erklärt Privatdozent Dr. Dirk Wähner, Mitarbeiter der Uniklinik für Unfall-, Hand und Wiederherstellungschirurgie und zugleich Leiter des Funktionsbereiches Biomechanik am IEMM. Im zweiten Schritt stellen die Ärzte mit dem Präparat typische Verletzungen wie einen Kreuzbandriss nach und führen die gleichen Tests erneut durch. Anschließend operiert ein Chirurg die geschädigte Körperpartie, so wie er es auch bei einem lebenden Patienten tun würde.
Darauf folgt der dritte Testlauf: Der Roboter untersucht Bewegungsumfänge und Belastbarkeit noch einmal am therapierten Gelenk. Die Forscher vergleichen die Daten aus den verschiedenen Bewegungssimulationen und ziehen so Rückschlüsse auf die Qualität und Ergebnisse von Operationstechniken oder nicht-invasiven Versorgungsmethoden. Auf diese Weise wollen sie herausfinden, welche die beste Variante zur Therapie bestimmter Läsionen ist. Durch die Genauigkeit der Daten des Roboters werden auch minimale Unterschiede zwischen verschiedenen Behandlungsergebnissen sichtbar.
„Was den KUKA-Forschungsroboter von seinen ‚Kollegen‘ am Fließband unterscheidet, ist, dass er durch seine sensiblen Sensoren sozusagen ‚fühlen‘ kann“, erklärt Marcus Müller, der für die Programmierung zuständige Ingenieur. Denn trotz seines Gewichts von 700 Kilogramm Gewicht und einer Länge von über zwei Metern kann der Roboter Belastungen bis auf wenige Gramm genau messen. Er bewegt die Präparate „feinfühlig“ auf hundertstel Millimeter genau und lotet so deren Bewegungsmöglichkeiten aus – viel präziser als ein Arzt dies durch Fühlen und Tasten einschätzen könnte.
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