Nicht alle Tiere, die im Allwetterzoo Münster leben, sind derzeit für Besucher zu erleben. Neben den wohl bekanntesten Protagonisten aus dem IZS, dem Internationalen Zentrum für Schildkrötenschutz, gehören seit kurzem auch „Oryzias eversi“ dazu, eine Reisfischart, die, kaum entdeckt, schon ums Überleben kämpfen muss.
Die indonesische Insel Sulawesi strotzt nur so vor Artenvielfalt. Sie ist ein regelrechter Hotspot der tropischen Artenvielfalt. Diese Besonderheit resultiert daraus, dass die Insel in ihrer geologischen Geschichte weder mit dem asiatischen Festland noch mit dem australischen Kontinent verbunden war. Die Insel ist somit von zahlreichen Tieren besiedelt, die es nur dort zu finden gibt – sie sind endemisch. Dazu zählt auch „Oryzias eversi“, eine Reisfischart, die nur in einem einzigen bekannten Gewässer auf der Insel vorkommt. „Das Gewässer, in dem die Art entdeckt worden ist, misst in etwa 40 Meter in der Länge und ist rund 10 Meter breit und nur wenige Meter tief“, beschreibt Dr. Philipp Wagner den Lebensraum dieser bedrohten Fische. „Der Tilanga-Karstpool in der Region Tana Toraja in der Provinz Süd-Sulawesi, in dem Oryzias eversi entdeckt wurde, ist aber nicht nur winzig, er wird seit wenigen Jahren auch vermehrt von Menschen genutzt.“ So ist das kristallklare Gewässer im Dschungel ein beliebtes Ausflugsziel. „Es gibt sogar ein Kassenhäuschen, bei dem die Besucher Einritt zahlen müssen, wenn sie in das kühle Nass hüpfen wollen.“
Diese aktive touristische Nutzung zerstört damit einen einmaligen Lebensraum einer Art, die bislang noch nirgendwo sonst nachgewiesen werden konnte. „Möglicherweise ist das Gewässer am Ende wirklich der einzige existierende Ort, an dem dieser Reisfisch vorkommt. Das macht ihn zu einem sogenannten Mikroendemiten“, befürchtet Wagner. Dabei stehen die kleinen Fische für noch sehr viel mehr. „Für Biologen ist das Bauchflossenbrüten extrem interessant. Am Beispiel dieser Reisfische können wir verstehen, wie evolutive Anpassung von Genen bis hin zur Funktion abläuft“, erklärt Dr. Fabian Herder, Leiter der Abteilung Wirbeltiere und Kurator für Ichthyologie (Fischkunde) im Museum Koenig in Bonn, dem Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels (LIB).
Seit diesem Sommer lebt eine Gruppe der seltenen Tiere auch im Allwetterzoo Münster. Derzeit aber noch hinter den Kulissen. „Die Tiere werden dann in den sich noch im Bau befindlichen Artenschutz-Campus ziehen“, plant der Kurator für Forschung und Artenschutz. „Es ist einzig dem Entdecker und Namenspatron Hans-Georg Evers zu verdanken, dass es eine gesunde Backup-Population gibt. Denn durch die touristische Nutzung droht das Gewässer trotz eines Zu- und Ablaufes zu kippen – und damit zum Aussterben dieser Art zu führen.“ Der Evers Reisfisch ist aber nicht nur mikroendemisch und bedroht, er ist in seinem ganzen Verhalten ein sehr spannendes Tier. „Die Weibchen haben eine verhältnismäßig große Bauchflosse sowie eine Wölbung im Beckenbereich. Diese dient dem Transport des Ei-Pakets. Denn anders als viele andere Reisfische, streifen diese ihren Laich nicht ab oder entledigen sich ihm anders“, erklärt Wagner. So würden die Eier bis zum Schlupf vom Muttertier herumgetragen. Bis zu zwei Wochen kann diese Phase andauern. „Und dann schlüpfen die Jungfische nicht alle auf einmal. Es kann Tage dauern, bis alle Tiere geschlüpft sind.“
Die Fische im Allwetterzoo stammen nicht direkt aus dem „indonesischen Pool“, sondern sind eine Spende des Museums Koenig in Bonn. „Wir freuen uns darüber, mit dem Allwetterzoo einen Partner für die Erhaltung dieser wunderbaren Fische gefunden zu haben“, sagt Fabian Herder. Es gibt aber noch mehr Grund zur Freude. „Wir haben bereits den ersten Nachwuchs bekommen“, so Wagner, der den Erfolg seinem Team des Artenschutzcampus zuspricht, das sich auch für das Zoo-Aquarium verantwortlich zeigt. Er betont, wie wichtig Enthusiasten und Privathalter wie Hans-Georg Evers im Rahmen des Artenschutzes sein können. Denn „während kaum ein Zoo oder Institutionen wie das Museum Koenig diese Art derzeit in der Haltung hat, so finden sich doch einige engagierte Privathalter, die die Art mit Herzblut pflegen und viele Erfahrungen zur Haltung und damit dem Überleben dieser Art beitragen können.“
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