Ab kommenden Sonntag wird die ehemalige Eissporthalle an der Steinfurter Straße wieder mit Leben gefüllt. Der Allroundkünstler Thomas Nufer präsentiert dort nämlich unter dem Titel „Reichtum und heißes Wasser für alle“ eine politisch-surreale Theaterperformance sehr frei nach Aristophanes. Dabei geht es um Themen, mit denen sich die Menschheit seit jeher beschäftigt: Reichtum, Armut und Gerechtigkeit.
Thomas Nufer, den die meisten wahrscheinlich als Erfinder der Grünflächenunterhaltung kennen, hat die antike, über 2.400 Jahre alte Komödie „Plutos“ neu interpretiert und daraus „schräge Interventionen“ von Menschen geschaffen, die von Gerechtigkeitsfragen betroffen sind. Und weil es nicht nur Spiel bleiben soll, sondern auch um die Wirklichkeit geht, solle kurze sozialpolitische Nachgespräche im Anschluss an die Aufführungen beides zusammenführen. Da das Stück mehr Fragen provoziert als Lösungen zu bieten, sind für diese Nachgespräche kompetente Gesprächspartner eingeladen: der ehemalige Leiter des Hauses der Wohnungslosenhilfe, Bernd Mülbrecht, der Präses a.D. der Evangelischen Kirche von Westfalen und Sprecher des Wortes zum Sonntag, Dr. Alfred Buß, Gabriele Markerth vom Paritätischen Wohlfahrtsverband Münster und Prof. Dr. Kerstin Feldhoff vom Fachbereich Sozialwesen der FH Münster.
Darsteller in dieser „politisch-surrealen Theaterperformance der besonderen Art“ sind Christiane Hagedorn, Lara Albert, Eckhard Ischebeck, Martin Schlathölter, Stefan Nászay, Jurij Berges-Maas, Ahmad Dimassi und Markus von Hagen. Mit dabei sind auch ein Chor und viele Laiendarsteller, nämlich Verkäuferinnen und Verkäufer des Straßenmagazins „draußen“, Migranten, Hauptschüler der Geistschule Münster und Auszubildende der Evangelischen Ausbildungsstätte des Münsterlandes für Pflegeberufe. Diese Menschen aus Münster sind schließlich von Gerechtigkeitsfragen unmittelbar betroffen und sollen „durch ihre Präsenz und ihre hintergründige Aktionen auf den Rängen das Geschehen der Bühne spiegeln“, wie es in der Ankündigung heißt.
Mindestlohn und bedingungsloses Grundeinkommen sind keine Erfindung des 21. Jahrhunderts. Seit 2.500 Jahren wird davon geträumt.
Grundlage dieser politisch-surrealen Theaterperformance ist die antike Komödie ‚Plutos‘ von Aristophanes: Der Plastikflaschendreher Chremylos lebt in Armut. Andere häufen immer größere Vermögen an. Wie kann das sein? Er wendet sich an das Orakel. Soll er seinem Sohn raten, vom Weg der Tugend abzuweichen, um ein besseres Leben als sein Vater zu führen? Das Orakel erteilt ihm den Rat, dem ersten Menschen, der ihm beimVerlassen des Tempels über denn Weg läuft, zu folgen. Er trifft auf Plutos, den Gott des Reichtums. Der ist blind – und sieht nicht, wie ungerecht er seine Gaben verteilt. Um das zu ändern, lässt Chremylos ihn auf Drängen seiner Sklavin Karion im Tempel des Asklepios heilen. Penia, die Göttin der Armut, versucht die Operation zu boykottieren. Sie fürchtet um ihre Existenzberechtigung. Ein Rededuell zwischen Penia und Karion entspinnt sich. Der Sklavin und den Zuschauern versucht sie die Armut schmackhaft zu machen. Denn was hielte die Welt am Laufen, wenn nicht der tägliche Zwang, den Lebensunterhalt aufzubringen? Funktionieren Gesellschaften nicht deshalb, weil die Beziehungen auf finanzieller Abhängigkeit beruhen?
Die OP jedoch führt zum Erfolg. Plutos sorgt umgehend dafür, die Armen mit Geld zu versorgen. Die ungerechte Verteilung hat ein Ende, die zeternde Penia wird verjagt. Doch welche Folgen bringt die neue Zeit? Diejenigen, die bisher gearbeitet haben, pflegen nun den Müßiggang, und jene, die sich bedienen ließen oder schmarotzten, verlieren ihren Einfluss. Selbst ein Priester beklagt, dass den Göttern nicht mehr geopfert werde, da es nun allen gut geht. Doch die Umwälzung der Verhältnisse ist nicht unverdächtig, denn auch nach dem Umsturz gibt es Sklaven. Ist Armut vielleicht doch gewollt? „Reichtum und heißes Wasser für alle” spürt Mythologien, Philosophen und Politikern nach und mischt ihre Geschichten und Zitate mit der Realität in unserer Gesellschaft. Leben in Brüssel ähnlich fehlbare Götter wie auf dem Olymp? Warten wir auf einen Deus ex machina, der alles richten soll? Liegt Papst Franziskus mit Marx unter einer Decke, weil er im Kapitalismus eine menschenverachtende Gegenreligion erblickt? Was meint Aristoteles mit der Behauptung, Glückseligkeit sei prinzipiell erreichbar?
Die frühere Eissporthalle Münster ist zu einem außergewöhnlichen Ort geworden, der noch bis Mitte des Jahres 2019 erhalten sein wird. Ursprünglich eine Fläche für Sport, Freizeitunterhaltung, Kindergeburtstage und damit die freundlichen Seiten des Lebens, ist durch die Jetztgestalt die Oberfläche aufgerissen, die tieferen Schichten werden sichtbar. Was liegt unterhalb der Oberfläche gesellschaftlichen Zusammenlebens? Welche sozialen Tiefenschichten werden sichtbar, prägen und beeinflussen das Miteinander? Münster ist ein Ort mit ausgewiesener Lebensqualität, überdurchschnittlichen Einkommen, hoher Bildung und selbstbewusstem Bürgertum. Daneben stehen prekäre Lebenssituationen. Jedes sechste Kind der Stadt ist auf Hartz IV angewiesen. In der Brüningheide in Kinderhaus lebt die NRW-weit höchste Prozentzahl von Armut bedrohter junger Menschen.
Für das Stück wurde eine eigene Homepage eingerichtet: https://reichtum-heisseswasser.de/ - dort gibt es auch einen Link zu den Tickets, die es nicht nur bei vielen Vorverkaufsstellen in der Stadt, sondern auch online bei local ticketing gibt.
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