Wir erinnern uns: Die Hausfrau und eine ihr nahestehende junge Dame zogen in Folge 1 plaudernd am Ort ihrer späteren Ermittlungen vorbei, als gefühlt ein grauer Blitz vor einen einschlug. In Wahrheit warf sich eine wunderschöne, leicht verwahrloste Katze ihnen zu Füßen und verlangte sofortige Rettung.
Die Tierfreundinnen zauderten lange genug, um die Katze zurück in ihre sichere Deckung zu treiben. Die Hausfrau, hin und her gerissen zwischen Besonnenheit und Bereitschaftsdienst, benachrichtigte örtlichen Tierheime sowie Tierarztpraxen und bat mangels eigener Plattformen die Igelretterin ihres Vertrauens, die Netzwerke zu aktivieren.
Dienstag, fünf Uhr früh. Eine unruhige Nacht mit vielen Katzengedanken steckt mir in den Knochen, zugleich bin ich hellwach. Unsere Kater nehmen glücklich ein besonders frühes Frühstück in Angriff. Ein spontaner Entschluss macht mich ebenfalls glücklich: Ich werde die privaten Ermittlungen noch vor dem Arbeitstag wieder aufnehmen! In meinem Kopf ist das Schreiben bereits fertig, in wenigen Minuten liegt es ausgedruckt nebst Klebestreifen im Fahrradkorb. Um halb sechs hängt es an den Laternen der Straße, jetzt „Fundort“ genannt. Auf dem Weg halte ich an allen Ecken und Winkeln Ausschau: Keine Katze.
5:45 Uhr, wieder zu Hause. Es bleibt genügend Zeit, mich in Ruhe für den Arbeitstag vorzubereiten. Ein Blick aufs Handy: Die jüngste Nachricht stammt von der Kleinen, 02:15 Uhr: Sie habe noch eben eine Fundanzeige bei einem lokalen Netzwerk eingestellt. Sieben Nachrichten von der Igelretterin seit gestern Abend um 22 Uhr. Sie habe aus diversen Richtungen dringende Mahnungen erhalten, schreibt die Kollegin, anbei Screenshots, die besagen: Der Kater sei Anwohner eines Viertels, welches zwei Kilometer Luftlinie und zwei große Querstraßen von uns entfernt liege. Er sei leidenschaftlicher Freigänger, nachts aber bereits wieder heimgekehrt.
Ich schwanke zwischen Erleichterung und Irritation. Irgendetwas passt nicht. Ich kann es nicht benennen. Eins ist klar: Die Steckbriefe müssen weg! Ich radle zurück an den Fundort. Gerade nehme ich den letzten Zettel ab, da huscht etwas Graues in mein Blickfeld! Hinter einem schmiedeeisernen Gartentörchen, im Schutz einer Rhododendronhecke, sitzt die Katze!!! Sie nimmt etwas vom Boden auf. Futtert das arme Tier nun Dreck? Ich spreche die Kleine an. Sie ist skeptischer als gestern, miaut aber freundlich. Dann futtert sie weiter.
Mein innerer Zwiespalt schmerzt körperlich. Der Freigängerkater, hieß es in den Posts, habe die Nacht zu Hause verbracht. Kann er so früh am Morgen bereits eine Zweikilometerwanderung hinter sich haben? Respekt vor dem Eigentumsrecht meiner Mitmenschen unterliegt dem Tierschutz-Impuls. Ich umrunde den Garten des alten Hauses bis zur Haustür, atme tief durch. Dann drücke ich den schwarzen Klingelknopf mit weißer Aufschrift „Klingel“. Auf dem schwarzen Namensschild steht „Blume“. Eine mechanische Klingel klingelt.
Ich blicke an mir herunter. Jogginghose, Schlabbershirt, Flipflops. Kein Ausweis, kein Handy. Würde ich mir frühmorgens auftun? Eine rosige Wange und ein hellblaues Auge, umrandet von weißem Haarflaum, erscheinen im Spalt einer geteilten Tüllgardine der Buntglastür. Ich lächle und rede auf die Gardine ein. Vor mir steht eine zierliche Dame mit Pusteblumen-Frisur. In Nachthemd und Puschen und ungefähr in ihren 90ern. Tapfer stellt sie sich ohne Hörgerät meinem Ansinnen. Ich fasse zusammen, so gut es mir frühmorgens möglich ist. Fazit: Frau Blume ist nicht die Besitzerin der Katze. Diese trieb sich Tag und Nacht in ihrem Garten herum, da habe sie aus Mitleid abends Trockenfutter ausgelegt. Ein beißender Geruch dringt in unsere Nasen. Frau Blume entschuldigt sich hektisch mit einer Hand im Haarflaum – ihre Milchsuppe kocht über! Ich verspreche, sie über den Stand der Ermittlungen auf dem Laufenden zu halten, flitze zum Rad und nach Hause.
06:30 Uhr. Ein beinahe normaler Morgen. Der Liebste läuft durchs Bild. Er lauscht meinem Rapport, wünscht mir einen kühlen Kopf und verschwindet in der Dusche. Die Kleine tapst barfuß in die Küche. Sie hat schon siebzehn Reaktionen auf ihren nächtlichen Post bekommen. Wir führen unsere Ermittlungsergebnisse zusammen. Im Groben stimmen die Infos beider Netzwerke überein. Ein Post stammt sogar von der Besitzerin des Freigängerkaters, der angeblich nachts zu Hause war.
Ich fühle mich erwischt, unsere Aktivitäten wirken jetzt vorschnell, beinahe peinlich.
Die Kleine aber ist überzeugt:
„Erstens ist sie wirklich total verfilzt. Und zweitens IST SIE EIN MÄDCHEN!“
Fortsetzung folgt!
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