Der Sänger Pohlmann ist seit Anfang Dezember deutschlandweit mit seiner traditionellen „Jahr aus Jahr ein“-Tour unterwegs und machte am Sonntagabend in Münster Halt. Fremd ist ihm unserer Stadt nicht. Er hat damals sowohl sein Fachabitur als auch den Zivildienst hier absolviert und sagt: „In Münster hatte ich mit die beste Zeit meines Lebens!“
Pohlmann beherrscht die Kunst, aufmunternde Leichtigkeit und melancholische Schwere harmonisch miteinander zu vereinen. Er ist unentwegt auf der Suche nach sich selbst und lässt uns – wie einen guten Freund – an seinen poetischen Hirngespinsten teilhaben. So auch am Sonntagabend im Gleis 22. Doch wer dachte, er könne sich bei dem Konzert entspannt von einem melancholischen Gitarren-Gezupfe berieseln lassen, wurde schnell eines Besseren belehrt. „Ihr seid kein Sonntagabend-Publikum. Und wir sind auch keine Sonntagabend-Band. Wir spielen lang, ich hoffe, ihr wisst das“, deutet der „Wenn jetzt Sommer wär’“-Sänger an – und sollte Recht behalten. Doch alles der Reihe nach.
Support-Act mit verträumten Kompositionen
Um 20:00 Uhr läutete der Support-Act Symøn den musikalischen Abend ein. Ein laut Pohlmann „Wahnsinns-Songwriter“, dessen emotionale Texte von psychedelischen Tönen getragen werden, welche er nebenbei live an einer sogenannten „Loop-Station“ erzeugte. Die verträumten Kompositionen von Symøn schienen das Publikum nahezu in Trance zu versetzen. Mit Zeilen wie „Jeder Tag ist wie ein weißes Blatt Papier und es gehört nicht irgendwem, es gehört einfach nur dir“ trifft er lyrisch schon den Nerv der 200 Pohlmann-Fans. Eine Stunde später betrat er dann die kleine, gemütliche Bühne: Ingo Pohlmann, wie er mit bürgerlichem Namen heißt, ein trotz seiner 51 Jahre irgendwie jugendlich wirkender Wildfang, der das Publikum im Handumdrehen mit seiner unerschöpflichen Energie anzustecken vermag.
„…oder Sie werden einfach Musiker!“
Schon als Jugendlicher habe er gewusst, dass er Musiker werden möchte, erzählt er. Sein damaliger Lehrer habe ihn, nachdem er mal wieder sitzen geblieben war, gefragt, warum er denn unbedingt das Abitur anstrebe, ob er denn Arzt oder „Gott bewahre“ Jurist werden wolle. Pohlmann habe ihm daraufhin von seiner Idee berichtet, dem Vater vorzugaukeln, vielleicht Bauwesen studieren zu wollen, um in dessen erfolgreiche Fußstapfen zu treten – aber eigentlich wolle er Musiker werden. Der Lehrer habe ihn auf den Boden der Tatsachen geholt, dass man ihn mit 40 Rechtschreibfehlern nicht durchbringen könne. Der Vorschlag seines Lehrers habe gelautet: „Wir können uns jeden Tag zusammensetzen und üben – oder Sie werden einfach Musiker.“
Langjährige Bandkollegen
Dass die Entscheidung – zum Glück – nicht zugunsten der Rechtschreibung getroffen wurde, zeigte Pohlmann in seiner 140-minütigen Show (ohne Pause!), die mit einem ruhigen Titel namens „Besonnen“ begann und dann schnell Fahrt aufnahm. Bei „Himmel und Berge“ sang das Publikum lauthals mit und verlieh den Zeilen durch Klatschen und Stampfen noch mehr Kraft. „Ich brauche ganz viele Kopfstimmen. Los jetzt!“ ermutigt der Sänger seinen begeisterten „Amateur“-Chor. Während das Publikum gewissermaßen nur ein musikalischer „One night stand“ war, führt Pohlmann mit seinen beiden Bandkollegen schon eine längere Beziehung. Mit Hagen Kuhr am Cello und Reiner „Kallas“ Hubert am Schlagzeug („Das Lächeln zu meiner Rechten“) tritt der Singer/Songwriter nun seit 18 Jahren auf. „Wir sind immer noch verliebt. Zumindest meistens.“ Eine freundschaftliche Symbiose, die sich in Gestik, Mimik und der akustischen Summe zweifellos erkennen lässt.
Herrliche Lockerheit
Menschlich also alles top, doch dafür gab es kurzzeitig technische Probleme mit der Gitarre. Während der Techniker sich an die Problembehebung begab, stimmten die Zuschauer und Zuschauerinnen spontan den allzu passenden Refrain eines Pohlmann-Hits an: „Auch wenn es scheint, dass nichts gelingt, ja, wenn es scheint, dass nichts gelingt, … ist manchmal das, ganz genau das, was uns weiterbringt …“ Als sein Bandkollege Hagen dann auch noch parallel sein Cello stimmte, bezeichnete Pohlmann das Chaos schmunzelnd als „beinhart“. Überhaupt wirkte der gesamte Auftritt herrlich locker.
Nahbarer Musiker
Pohlmann nutzte die Pausen zwischen seinen Stücken immer wieder für unterhaltsame Anekdoten aus seinem Leben und verlor sich in ausschweifenden Anmoderationen, die ihn selbst ebenso zum Lachen brachten wie das Publikum: „Ich hatte mich beim Schreiben eines Textes gefreut, dass die Gunst der Kreativität mal wieder zugeschlagen hat und dann hab ich mir gedacht, ich schreibe von genau diesem Gefühl, dem geplatzten Knoten… und ich hatte in dieser Nacht so gute Laune… ich hatte ’ne gute Flasche Rotwein drin und saß da alleine, weinselig und voller Liebe und plötzlich setzte sich eine Mücke auf meinen Handrücken. Und jetzt hatte ich die Entscheidung: totschlagen oder gewähren lassen. Ich hab gedacht „heute ist okay, nimm dir deinen Teil“ und hab gewartet, bis sie sich den Bauch vollgeschlagen hat … und diese Textzeile habe ich zehn Jahre später im folgenden Song „Lebensgefühl“ verwendet.“ Es sind Geschichten wie diese und die ungefilterte Art des Musikers, die ihn noch nahbarer machen. Die Räumlichkeiten des Gleis 22 trugen natürlich nicht wenig zu der intimen Atmosphäre bei. Die Zuschauer der ersten Reihe stellten ihr Bier quasi am Mikrofon-Ständer ab.
Henning Wehland als prominente Klofrau
Im Publikum befand sich auch ein prominenter Gast, der die Show aus der hinteren Ecke des Raumes verfolgte: Henning Wehland, Sänger der Band „H-Blockx“ und derjenige, der Pohlmann vor fast 20 Jahren in einer Hamburger Bar entdeckte. Über das Mikrofon und alle Köpfe hinweg stellte Pohlmann ihn mit den Worten vor: „Henning war zehn Jahre lang mein Mentor und Manager, ihm bin ich sehr zu Dank verpflichtet.“ und scherzt: „Er macht heute die Klofrau da vorne. 50 Cent bitte von jedem, der aufs Klo geht – wir teilen uns das nachher!“ Als Wehland und Pohlmann dann schließlich gemeinsam auf der Bühne stehen und den Hit „Der Junge ist verliebt“ singen, könnte man dies als den Abschluss des Abends wähnen. Stattdessen folgte, nachdem Wehland die Bühne wieder verlassen hatte, ein energisches „Könnt ihr noch?“ und noch zwei weitere Songs. Der Mann scheint des Singens und Lachens nie müde zu werden.
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