Während viele andere vor dem heimischen Fernseher den aktuellen Münster-Tatort sahen, hatten sich am Sonntagabend wieder zahlreiche Fans der Adam Riese Show im ausverkauften Engelsaal des Antlantic Hotels versammelt. Und sie wurden gut unterhalten – von Gesprächen mit schlagfertigen Gästen, mit neckischen Spielen und hervorragend dargebotener Musik. Auf dem Sofa nahmen nacheinander die Musikerin Ronja Maltzahn, der Kabarettist Christoph Tiemann und der Fernsehmoderator Ralph Caspers Platz. Als Gastsänger glänzte Münsters Chansonnier Jean-Claude Séférian, am Ende sogar im Duett mit Ronja Maltzahn.
Anspielungen auf den Münster-Tatort tauchten an diesem Abend immer wieder auf, ob in den Anmoderationen oder in den Spielen. Ein weiterer roter Faden waren die vielen fernen Länder, Städte und Gegenden, in denen sich die Talk-Gäste zeitweilig aufgehalten haben. So hat Ronja Maltzahn offenbar den Anspruch, möglichst viele Länder zu bereisen, um dort zu musizieren und neue Lieder zu schreiben. Nachdem sie auf der Musikakademie Münster vor allem das Spiel auf ihrem geliebten Instrument Cello studiert hatte, zog es sie mit dem Bassisten Federico Marinal, den sie zuvor beim Jobben in Rimini kennen gelernt hatte, in seine Heimat nach Argentinien. Dort – so hatten sie es sich vorgenommen – wollten sie jeden Tag einen neuen Song schreiben. Und tatsächlich entstanden in 25 Tagen 25 neue Lieder, die meisten auf Englisch oder Spanisch. „Warum Spanisch?“ fragte Adam Riese. „Weil man das in Argentinien spricht“, antwortete Ronja arglos und hatte damit den ersten Lacher auf ihrer Seite.
Adam Riese konnte nicht umhin, sie auch auf die Geschichte mit ihren Dreadlocks anzusprechen. Schließlich ist Ronja Maltzahn vor einem Jahr bundesweit bekannt geworden, nachdem eine Ortsgruppe von Fridays for Future sie von einer geplanten Veranstaltung in Hannover wieder ausgeladen hatte, weil es eine „kulturelle Aneignung“ eines Symbols der schwarzen Bürgerrechtsbewegung sei, wenn wenn eine weiße Person Dreadlocks trage. Da Ronja ihre Haare aber nicht abschneiden lassen wollte, verzichtete sie auf einem Auftritt beim Klimastreik. Zum Glück tat sie das nicht am Sonntag bei der Adam Riese Show, sondern präsentierte im Laufe des Abends zusammen mit der Hausband, den Original Pumpernickel um den Percussionisten Markus Paßlick, einige Lieder von ihrem aktuellen, erstmals komplett deutschsprachigen Album „Heimweh“. Da Paßlick sich vor einigen Wochen den Arm gebrochen hat, wurde das gewohnte Trio von Dominik Hahn, dem Schlagzeuger aus der Götz Alsmann-Band verstärkt.
Da Ronja Maltzahn 2021 mit dem Panikpreis der Udo-Lindenberg-Stiftung ausgezeichnet wurde und darauf auch mit dem Vorbild für so viele auf Deutsch singende Musiker auftreten durfte, erhielt sie im obligatorischen Spielteil ihres Talks die Aufgabe, einige Fragen zu Lindenberg und seinen frühen Jahren in Münster zu beantworten. Dass sie bei einem gemeinsamen Konzert mit Udo beim Lied „Cello“ das Cello spielen durfte, ließ das Publikum anerkennend raunen. So richtig zum Lachen brachte es aber erst der nächste Talkgast, Christoph Tieman. Der braucht für seine Tätigkeiten ziemlich viel Platz auf der Visitenkarte: Autor, Kabarettist, Schauspieler, Hörspielproduzent und Hörfunkmoderator steht da vermutlich drauf – die meisten im Münsterland kennen ihn aber sicher als Restauranttester.
„Ihr habt Hähnchen – und ihr habt Eier“
„Tiemann testet“ heißt seine Reihe in der „Lokalzeit Münsterland“ im WDR-Fernsehen, für die er schon fast 300 Lokalitäten im Sendegebiet besucht hat. Durchgefallen ist dabei noch keine, aber bei manchen bewunderte er den Mut der Gastronomen. „Ihr habt Hähnchen – und ihr habt Eier, dass ihr uns in eure Küche lasst“, dachte er einst bei der Aufzeichnung in einer bekannten Gaststätte in Münster mit einschlägigem Angebot. Tiemanns Leidenschaft gilt aber dem Hörfunk und dem Hörspiel, schließlich stamme er aus der Generation, die mit Hörspielkassetten wie jenen über „Die drei ???“ aufgewachsen ist. Er macht damit weiter und veranstaltet heute unter anderem Live-Hörspiele. Im Radio ist er regelmäßig mit Beiträgen für die Satiresendung „WDR 2 Zugabe“ und auf WDR 5 mit „Tiemanns Wortgeflecht“ zu hören.
Weil Tiemann auch festes Mitglied des Improvisationstheaters „Placebo“ ist, gab es als einen der Höhepunkte des Abends eine Improvisationsspiel, zusammen mit der „Showassistentin“ Jens Heinrich Claassen und dem dritten Talkgast, Ralph Caspers. Dabei hatte Tiemann als Gangsterboss zu erraten, wen die beiden in seinem Auftrag wo und wie ermordet haben – die Vorgaben kamen wie beim Impro-Theater üblich vom Publikum. Alle drei spielten hier herrlich albern auf – aber bevor sie das taten, hatte Ralph Caspers als der diesmal weithin bekannteste Studiogast alle schon in eine passende Stimmung gebracht.
Plauderei über Popel und Pupsgerüche
Als Moderator von Fernsehsendungen wie „Die Sendung mit der Maus“ und „Wissen macht Ah!“ steht er ja eigentlich für überwiegend seriöse Wissensvermittlung in kindgerechter Form. In der Adam Riese Show nahm das Gespräch bald den Weg zu den Pupsgerüchen, die einem in der schwefelhaltigen Luft in Island so lange begleiten, bis man sich an sie gewöhnt hat – und zu Caspers Interesse für Popel. Angeblich prüft er ihn in jeder Stadt, nach Farbe, Konsistenz und, ja, auch nach Geschmack: „In Neu-Delhi war am ekligsten: schwarz vor Ruß und knirschend im Mund“. Ein Popel-Album führe er natürlich auch, in dem er die Erträge aus den unterschiedlichen Orten mit Tesa-Film einklebt und sammelt.
Das sei alles natürlich, beteuerte Ralph Caspers, denn: „Wir Menschen sind ja Trockennasenaffen, wie die Orang-Utans“. Die popeln ständig und haben dafür ähnliche Finger wie wir. Mit den südostasiatischen Menschenaffen sei er quasi aufgewachsen, er wurde auf Borneo geboren, wohin seine Eltern ausgewandert waren, um die Affen zu betreuen. Weil sie solche Hippies waren, wäre auch unbekannt, wann genau er zwischen 1972 und 1974 geboren sei. Diese Geschichte hat er einst in der WDR-Sendung „Zimmer frei!“ vorgebracht, aber selbst dort wurde ihm nicht geglaubt. Da Caspers offensichtlich eine Vorliebe für solche Lügengeschichten hat, dürfen wir auch an den detaillierten Schilderungen zum Popel-Album zweifeln. Am Abend funktionierte es aber prächtig und viele amüsierten sich darüber, wie Gastgeber Adam Riese sich zwischen Ekel und fasziniertem Zuhören winden musste.
Einen wirklich gelungenen Abschluss fand dieser Abend dann mit einer letzten Musikeinlage, nämlich dem überraschend harmonischen Duett von Jean-Claude Séférian mit Ronja Maltzahn, die zusammen Luiz Bonfas „Samba De Orphee“ auf Französisch sangen. Ronja Maltzahn ist übrigens am 8. November 2023 mit der großen Besetzung ihres BlueBird Orchestra live zu erleben, in der Waldorfschule in Münster-Gievenbeck. Die nächste Adam Riese Show geht schon früher über die Bühne des Atlantic Hotels, nämlich am 4. Juni, und zwar mit dem Vainstream-Veranstalter Tom Naber, der Poetry-Slammerin Katinka Buddenkotte und dem Swing-Sänger und Entertainer Tom Gaebel. Karten gibt es ab sofort unter friedenskapelle.de und bei den den ReserviX-Vorverkaufsstellen wie dem Plattenladen „Green Hell“.
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