Plastik im Wasser, ein Problem der Weltmeere und der Flüsse in Ländern der dritten Welt? Ganz und gar nicht. Sogenanntes Mikroplastik findet sich bei uns in nahezu jedem Gewässer, auch in Münsters Rieselfeldern. Worum es sich dabei handelt und wie es dorthin gekommen ist, wurde von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Uni Münster untersucht.
„Mikroplastik ist ein Sammelbegriff für eine Vielzahl von Stoffen wie zum Beispiel PE, PET, Polypropylen oder Polystyrol“, erklärt Dr. Friederike Gabel vom Institut für Landschaftsökologie der Uni Münster. Sind die einzelnen Teile kleiner als fünf Millimeter, spricht man von Mikroplastik, unter einem Mikrometer von Nanoplastik. Da Kunststoffe aus den gleichen Bestandteilen bestehen, wie organisches Material, ist es ein mühsames Unterfangen, sie zu erkennen und zu unterscheiden. In einer früheren Untersuchung wurde in der Ems vor dem Passieren von Warendorf mehr Mikroplastik gefunden als danach, es lag also die Vermutung nahe, dass das Mikroplastik irgendwie innerhalb der Stadt zurückgehalten wird. Bald kamen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf die Idee, dass sich die Teilchen in Bereichen ablagern, in denen das Wasser langsamer fließt, vor Wehren zum Beispiel.
Das Projekt „Mikroplastik in Talsperren und Staubereichen“ (MikroPlaTaS) sollte Licht ins Dunkel bringen, neben der Ems in Warendorf und der Lippe in Hamm standen hierbei auch die Rieselfelder vor den Toren Münsters auf der Liste der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. „Wegen der zum Teil seltenen Vogelarten, die dort leben, hat der Nachweis von Mikroplastik in den Rieselfeldern natürlich ganz andere Konsequenzen, als in anderen Gewässern“, wie die Landschaftsökologin erläutert. Tatsächlich hat sie zusammen mit ihren Kolleginnen und Kollegen in der untersuchten Wasserfläche zum Teil große Mengen unterschiedlicher Kunststoffe nachgewiesen. In Laborversuchen konnten auch in Wasserlebewesen wie Zuckmückenlarven oder Körbchenmuscheln Fremdstoffe gefunden werden. Sogar im Kot der Vögel, die sich zum Teil von Wasserlebewesen ernähren, wurde Mikroplastik nachgewiesen. „Nicht nur die Kunststoffe selber sind das Problem, sondern auch beigemischte Stoffe wie Weichmacher oder Zusätze, die den Kunststoff stabil gegenüber UV-Licht machen. Diese können im Wasser gelöst werden und gesundheitsschädigend wirken. Bekannt ist ja das Bisphenol A, das eine hormonelle Wirkung auf Lebewesen haben kann. Es wurde auch beobachtet, dass sich Schadstoffe an den Kunststoffpartikeln anlagern und anreichern.“
Wie kommt nun das Mikroplastik in die Rieselfelder? Das dortige Wasser stammt ja nahezu ausschließlich aus Münsters Kläranlage. „Kläranlagen filtern rund 99 Prozent des Mikroplastiks aus den Abwässern der Stadt. Der verbleibende Rest reicht aber offenbar aus, um in den Rieselfeldern diese Konzentrationen hervorzurufen“, wie Gabel berichtet. Fragt sich noch, woher das Mikroplastik in den Abwässern stammt. Zu den ersten Verdächtigen gehören Kosmetika, in denen Mikroplastik zum Beispiel für Peeling-Effekte sorgt, „Das könnten man meinen, der Anteil ist aber relativ gering. Mit großem Abstand ist der Autoverkehr der wichtigste Verursacher.“ Reifen- und Straßenabrieb von PKW und LKW gelangen bei Regen über die Abwässer in die Kläranlagen oder direkt in die Flüsse. Auch beim Waschen von Kleidung mit Kunstfasern löst sich Mikroplastik. Um diese Stoffe wirksamer zurückzuhalten, hat sich in Kläranlagen der Bau einer vierten Stufe als wirkungsvoll erwiesen, wie sie gerade in Münster verwirklicht wird. Hoffnung setzt Dr. Friederike Gabel auch auf die Entwicklung neuer Fahrzeugreifen mit anderer chemischer Zusammensetzung. Im privaten Bereich empfiehlt sie das Verwenden von Stoffbeuteln, in denen die Wäsche während des Waschens verstaut wird, diese können das Mikroplastik zurückhalten, bevor es überhaupt in das Abwasser gelangt.
Da die Analyse der Wasserproben aufwendige Handarbeit ist und Proben zum Teil an Labore in anderen Städten versendet werden müssen, dauern die Untersuchungen noch an. Es stellt sich zudem die Frage, welche Folgen das Mikroplastik für die Tierwelt hat, „Hier ist auch die Form der Partikel wichtig. Sehen sie aus wie kleine Kügelchen, können diese möglicherweise problemlos wieder ausgeschieden werden. Scharfkantige Teile hingegen führen manchmal zu Darmverletzungen bei den Tieren.“ Im besten Fall wird die Entstehung von Mikroplastik von Anfang an vermieden, und hier haben es Verbraucherin und Verbraucher oftmals selber in der Hand, indem sie auf Produkte verzichten, die unnötig aufwendig mit Kunststoffen verpackt sind. Und dass ein Auto dann am besten ist, wenn es gar nicht erst fährt, beweist sich beim Thema Mikroplastik erneut.
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