Es sollte ein schönes Wochenende in Münster werden, das Hubert seiner Verlobten Melanie als Weihnachtsgeschenk unter den Baum gelegt hat. Die beiden Niedersachsen sind eingefleischte Krimifans, ganz besonders haben es Ihnen der Münster-Tatort (ARD) und die Krimiserie „Wilsberg“ (ZDF) angetan. „Ich habe eine Zeitungsanzeige entdeckt, in der spezielle Stadtführungen zu dem Thema angeboten wurden. Da wusste ich, dass ich das richtige Geschenk gefunden habe“, erinnert sich der 57-Jährige inzwischen mit etwas zwiespältigen Gefühlen.
Alles schien perfekt, es war der erste schöne Frühlingstag des Jahres, das Hotel war gemütlich und die Tour zu den Drehorten ihrer Lieblingsserien ein spannendes Erlebnis. „Während der Tour gab es für die Teilnehmer ein Buchstabenrätsel mit dem Titel ‚Wo ist Boerne?‘. Die Lösung lautete ‚Trinke Wein im Kiepenkerl‘ und als wir an der Gaststätte vorbeikamen und dort auch noch die zwei letzten Plätze frei waren, haben wir uns sofort hingesetzt und freuten uns auf das Weizenbier“, berichtet Melanie.
Hubert wollte, bevor das Bier auf dem Tisch steht, noch schnell auf die Toilette, diese Entscheidung hat möglicherweise sein Leben gerettet. „Ich war schon im Restaurant und hörte plötzlich eine der Bedienungen laut ‚Nein!‘ rufen. Ich machte kehrt und als ich aus dem Restaurant kam, sah ich dort einen Kleintransporter stehen, wo ich vorher gesessen habe. Mein erster Gedanke war, dass der doch da gar nicht hingehört“, die Erinnerung schmerzt auch nach anderthalb Wochen noch. Melanie lag zwischen den Trümmern der Tische und Stühle, der Ellenbogen war gebrochen, aus einer Platzwunde am Kopf tropfte Blut. Hubert kniete sich neben seine Verlobte und sprach mit ihr, damit sie bei Bewusstsein bleibt. „Plötzlich stand ein Polizist neben mir und sagte, dass ich weggehen solle, da der Bereich geräumt werden muss. Das wollte ich auf gar keinen Fall“, berichtet Hubert.
Der Polizist ließ jedoch nicht mit sich handeln, da die Möglichkeit bestand, dass sich im Fahrzeug Sprengstoff befindet. Auf dem Weg zur Sammelstelle auf dem nahen Domplatz begegnete ihm zufällig eine Seelsorgerin, die sich sofort um Hubert gekümmert hat, später kam ein italienischer Restaurantbesitzer vorbei, der Obst an die Helfer und Betroffenen verteilte. Melanie war zu dem Zeitpunkt bereits auf dem Weg in die Raphaelsklinik, wo die alarmierten Ärzte und Pflegekräfte schon warteten. „Die Trennung war schlimm und es dauerte eine ganze Zeit, bis ich herausgefunden habe, wo meine Verlobte hingebracht wurde“ berichtet Hubert.
Nach der Notfall-Operation musste die 54-Jährige noch einen Tag auf der Intensivstation verbringen, bevor es auf eine Normalstation ging, immer war Hubert an ihrer Seite. „Und dann habe ich sie gefragt, ob sie mich heiraten würde. Noch hier in Münster und in dem Krankenhaus, in dem uns so schnell geholfen wurde. Und sie hat ‚Ja‘ gesagt“. Als die ungewöhnliche Anfrage im Standesamt eintraf, hat der münsterische Oberbürgermeister Markus Lewe spontan angeboten, die Eheschließung selber vorzunehmen. Für die Brautleute sollte die Trauung ein Geschenk an Münster sein. Ein positives Signal, dass es bei all dem Schrecken immer auch Hoffnung gibt, berichten die frischgebackenen Eheleute. „Wir dank den vielen Menschen in Münster, die sich um die Betroffenen der Amokfahrt gekümmert haben und den Mitarbeitern der Raphaelsklinik, die uns so toll geholfen haben!“
An den Amokfahrer denken die Beiden nicht, empfinden weder Wut noch Hass, „der Mann ist bei uns ausgeblendet, gar nicht existent“.
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Vielen dank für den Beitrag.