Die Diskussion um die verkaufsoffenen Sonntage in Münster zieht weiter Kreise. Nachdem das Verwaltungsgericht Münster zahlreiche Ratsentscheidungen für das Shoppen an einem Sonntag in der Stadt gekippt hatte, kam am Montag noch der Adventssonntag dazu. Matthias Lückertz und Tobias Viehoff von der „Initiative starke Innenstadt“ (ISI) zeigten sich am Freitag bei einem Pressetermin in den Arkaden sehr enttäuscht.
„Wir stehen vor einem Scherbenhaufen“, sagten die beiden Kaufleute. Tobias Viehoff wünschte sich, die Gewerkschaft Verdi, die die Gerichtsentscheide angestrebt hatte, möge die sich die verändernde Situation im Bereich des Handels durch den immer stärker werdenden Online-Verkauf vor Augen führen und berücksichtigen. Zumal der Online-Handel gerade an einem Sonntag seinen größten Umsatz mache. „In Münster hat ein breites Bündnis von Akteuren in den vergangenen 15 Jahren die Stadt attraktiver und wettbewerbsfähiger gemacht. Das spiegele auch der Ratsbeschluss wider, der drei verkaufsoffene Sonntage erlaubt, obwohl mehr möglich gewesen wären. Eine Lösung, die im Dialog aller Kräfte gefunden wurde“, so Viehoff. Der Bürgerentscheid sei nun eine Farce, denn auch bei einer positiven Entscheidung der Bürger bleibe die Frage, wie das Gericht entscheidet.
Zum Bürgerentscheid am 6. November wollten die Kaufleute in Münster Anfang kommender Woche eine Kampagne starten. Nach dem Urteil der Juristen von Montag stoppten ISI und Einzelhandelsverband die angedachten Maßnahmen. Die Kampagne wolle über Konsequenzen des Bürgerentscheids aufklären. „Doch das Gericht hat die Entscheidung vorweggenommen. Münster macht faktisch dicht. Unserer Argumentation ist die Basis entzogen“, sagte Tobias Viehoff. „Wir konzentrieren uns jetzt auf andere Themen wie etwa längere Öffnungszeiten.“ Von einem „Bärendienst“, den das Verwaltungsgericht dem Handel erwiesen habe, sprach am Freitag Michael Radau vom Handelsverband NRW/Westfalen/Münsterland. Er forderte das Land NRW auf zu reagieren: „Die Gesetzgebung muss dringend geändert werden.“ Er appellierte an die Entscheidungsträger: „Wir brauchen die Sonntage!“
Das Verwaltungsgericht Münster hatte verkaufsoffene Sonntage nicht grundsätzlich abgelehnt, aber das Landesgesetz durch Anforderungen präzisiert, die Münster noch nicht erfüllt hat. Die gesetzliche Grundlage für verkaufsoffene Sonntage ist nach Ansicht des CDU-Ratsfraktionsvorsitzenden Stefan Weber „vor Gericht zerbröselt. Damit ist auch der Bürgerentscheid hinfällig und überflüssig geworden, weil jede politische Entscheidung für Verkaufssonntage vor Gericht kassiert werden dürfte“, sagte er in einer Pressemitteilung. Die juristisch entstandene Lage verlange nach einer klaren gesetzlichen Vorgabe. Der Gesetzgeber habe mit seiner anlassbezogenen Voraussetzung für das Öffnen der Geschäfte eine unbrauchbare Regelung geschaffen. So solle die Stadt Münster Abgrenzungszählungen zwischen einem Anlass wie den Weihnachtsmärkten und dem Kaufinteresse in regulären Geschäften vornehmen. „Das ist teurer bürokratischer Firlefanz, der abgeschafft gehört“, meinte Weber, „ebenso unsinnig wäre eine Ermittlung bei Stadionbesuchern, ob sie sich bei Fußballspielen mehr für die linke oder die rechte Spielhälfte interessieren.“ Weber sieht die juristischen Auseinandersetzungen um die Verkaufssonntage schon jetzt als Nachhutgefechte.
„Zukunftsweisend ist das alles nicht, weil Verkaufsverbote einfach nicht mehr zur Lebenswirklichkeit und in die Zeit passen.“ Ihn erinnere die Auseinandersetzung an die Debatte um die frühere Ladenschlusszeit 18.30 Uhr. „Die ist am Ende auch nicht zu halten gewesen. Und Bäckereien ohne Sonntagsbrötchen kann sich heute kein Mensch mehr vorstellen. Der Gesetzgeber sollte jetzt brauchbare und klare Regeln für einige generell mögliche Verkaufsöffnungen an Sonntagen schaffen.“ Scharf kritisiert die Gewerkschaft Verdi die Aussage von Weber, der Bürgerentscheid sei hinfällig. „Ich finde es ungeheuerlich, dass der Fraktionsvorsitzende der Partei, die das Bürgerbegehren abgelehnt und damit den Bürgerentscheid ausgelöst hat, jetzt dieses demokratische Instrument als hinfällig bezeichnet und damit suggeriert, auf die Meinung der Bürger in Münster komme es nicht mehr an“, sagte Verdi-Geschäftsführer Bernd Bajohr.
Die SPD in Münster ruft zur Teilnahme am Bürgerentscheid auf. Der Vorsitzende der SPD Münster, Robert von Olberg, sprach aber von einer möglichen Verunsicherung der Münsteraner angesichts der Urteile: „Die Zweigleisigkeit, auf dem politischen und juristischen Wege gegen die Ausweitung der Sonntagsöffnungen vorzugehen, hat zur Unübersichtlichkeit beigetragen.“Währenddessen gab die Stadt bekannt, dass das Hauptabstimmungsbüro für den Bürgerentscheid „Freier Sonntag Münster“ an den ersten sieben Öffnungstagen 4310 Besucher gezählt habe – das seien halb so viele wie vor dem Bürgerentscheid zur Umbenennung des Hindenburgplatzes 2012. Vor allem seit das Verwaltungsgericht den Adventssonntag am Montag gekippt habe, sei das Interesse zurückgegangen, berichtete der Leiter des Hauptabstimmungsbüros, Martin Gudorf. Anscheinend verstünden die Bürger die Eilentscheidung dahingehend, dass der Bürgerentscheid nun nicht mehr erforderlich sei. Die Stadt aber weist darauf hin, dass das Verwaltungsgericht nur vorläufig entschieden habe.
Die Initiative „Freier Sonntag Münster“ bedauerte unterdessen, dass sowohl der Handelsverband NRW als auch die „Initiative Starke Innenstadt Münster“ ihre Teilnahme an einer Podiumsdiskussion am 28. Oktober abgesagt haben. Die Vertretungsberechtigten des Bürgerbegehrens, der katholische Pfarrer Hans Sanders, Martin Mustroph, Regionalpfarrer Münster für den evangelischen Kirchenkreis Münster, sowie Verdi-Vorstandsmitglied Jochen Lüken hätten die Vorstände der Verbände zu einem Austausch eingeladen und angeboten, im Rahmen einer Podiumsdiskussion einen persönlichen Dialog und eine Sachauseinandersetzung zum Thema „verkaufsoffene Sonntage“ zu führen.
Dies hätte insbesondere interessierten Bürgerinnen und Bürgern nicht nur die Möglichkeit gegeben, die unterschiedlichen Standpunkte direkt zu erfahren, sondern auch eigene Fragen und Argumente mit den Teilnehmern des Podiums zu erörtern, heißt es weiter seitens der Initiative „Freier Sonntag Münster“. Die Absage sei umso bedauerlicher, als dass die Auseinandersetzung mit dem Thema fast ausnahmslos über die Medien erfolge und somit eine direkte Ansprache der Beteiligten nicht möglich werde. Immerhin bleibe den Bürgerinnen und Bürgern Münsters die Möglichkeit, sich am Bürgerentscheid zu beteiligen, der nach Überzeugung der Initiative trotz der rein juristischen Eilentscheidungen der Gerichte überaus wichtig sei. „Es ist jetzt dringend notwendig, dass der politische Wille der Münsteranerinnen und Münsteraner durch diese Abstimmung deutlich wird“, finden die Pfarrer Sanders und Mustroph und Jochen Lüken.
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