Wenn in den Sozialen Medien über Münsters Radfahrer diskutiert wird, kommt oft der Ruf nach Nummernschildern für die Leezen. Online-Petitionen setzen sich dafür ein und auch der eine oder andere Politiker hält Kennzeichen für Fahrräder für überfällig. Schließlich, so der Gedanke, sind Radfahrer anonym unterwegs und können daher für ein Vergehen kaum belangt werden, wenn nicht gerade zufällig ein Polizist vor Ort ist, der den Übeltäter stoppt. Eine Kennzeichenpflicht für Fahrräder? Lediglich die Schweiz und Liechtenstein hatten bis 2011 sogenannte Velovignetten, die allerding weniger der Strafverfolgung als vielmehr als Versicherungsnachweis dienten.
Das Hamburger Abendblatt hat 2019 das Meinungsforschungsinstitut Civey mit einer entsprechenden Umfrage beauftragt, demnach wünscht sich jeder zweite Deutsche eine Kennzeichnungspflicht für Fahrräder. Aktuell würde das rund 81 Millionen Fahrräder hierzulande betreffen.
Eine Anfrage beim Ordnungsamt, dessen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unter anderem täglich damit beschäftigt sind, wild geparkte Räder umzustellen, wurde über das Amt für Kommunikation direkt abgewiesen, „Eine inhaltliche Bewertung ist derzeit nicht möglich, da aktuell keine Bestrebungen auf Bundesebene bekannt sind, eine Kennzeichnungspflicht für Fahrräder einzuführen“, hieß es kurz in einer nicht namentlich unterschriebenen Mail. Anders sah das beim Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) und bei der Polizei Münster aus. „Der ADFC lehnt Nummernschilder für Fahrräder ganz entschieden ab. Radfahren sollte leicht und unkompliziert zugänglich sein und nicht durch eine Anmeldepflicht für Räder kompliziert gestaltet werden“, stellt Katja Siepmann die Position des Fahrrad-Clubs klar.
Etwas zurückhaltender ist man da am Friesenring: „Als Organ der Exekutive setzen wir die Einführung etwaiger Neuerungen lediglich um“, betont Antonia Linnenbrink von der Pressestelle der Polizei. Dabei würde man dort zumindest gewisse Vorteile sehen, „Grundsätzlich würde eine Kennzeichnung von Fahrrädern die polizeiliche Arbeit im begrenzten Rahmen möglicherweise erleichtern können“, wobei Linnenbrink erhebliche Probleme in der Praxis vermutet: „Jedoch ist zu bedenken und dem entgegenzuhalten, dass eine Kennzeichnung von Fahrrädern in der Größe nicht mit der normalen Kraftfahrzeugkennzeichnung vergleichbar wäre. Schon das Ablesen der aufgeklebten Versicherungskennzeichen oder der minimierten Kunststoff- oder Metallschilder an E-Scootern im fließenden Verkehr ist erheblich erschwert.“
Auch Siepmann vom ADFC kann keine Vorteile bei der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten erkennen: „Hier sehe ich kaum eine Arbeitserleichterung, da bisher jemand, der ohne zu halten ein Stoppschild überfährt oder ohne Licht unterwegs ist, entweder gar nicht erwischt wird, da niemand kontrolliert, oder bei einer polizeilichen Kontrolle direkt angehalten wird und sich ausweisen muss. Wozu soll dann das Kennzeichen dienen?“ Die Interessensvertreterin befürchtet, dass sich das Verhalten vieler Menschen durch eine Kennzeichnungspflicht sogar zum Negativen ändern würde: „Personen, die eher selten ein Fahrrad nutzen, könnten von der Pflicht, dieses anzumelden, abgeschreckt werden und zukünftig ganz darauf verzichten. Dies kann nicht im Interesse des Staates sein! Für eine echte Verkehrswende benötigen wir einen unkomplizierten Zugang zu klimafreundlicher Mobilität, also auch dem Fahrrad.“
Etwas anders sieht hier die Position der Polizei aus: „Die ordnungstreuen Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer würden sich in ihrem Handeln sicherlich durch ein Kennzeichen am Fahrrad unterstützt sehen und sich nach wie vor an die Verkehrsregeln halten. Betrachtet man jedoch die hohe Zahl der Verkehrsverstöße bei gekennzeichneten Fahrzeugen, dürfte eine Verhaltensänderung auch bei gekennzeichneten Rädern nicht zu erwarten sein.“ Anders gesagt: Das Fahrzeugkennzeichen hält viele motorisierte Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer auch nicht davon ab, Gesetze zu übertreten.
Eine Kennzeichnungspflicht für Fahrräder geht für Katja Siepmann grundsätzliche in die falsche Richtung, wenn es um das Thema Verkehrswende geht: „Die Sicherheit von Radfahrenden und Zu-Fuß-Gehenden lässt sich in erster Linie dadurch verbessern, dass die vorhandene Infrastruktur ihren Bedürfnissen angepasst wird, sprich: Mehr Platz für den Radverkehr, mehr Platz für den Fußverkehr, Zurückdrängen und Verlangsamen des motorisierten Individualverkehrs.“
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