„Es ist so still hier im Saal. Was ist los?“ fragt Serdar Somuncu, als er gestern Abend pünktlich um Acht auf die Bühne der Aula am Aasee geschlendert kommt. Und dann muss der Kabarettist mit den türkischen Wurzeln gleich mal die Verhältnisse grade rücken.
Ein Zuschauer in der ersten Reihe hatte geantwortet: „Man wird älter“ Somunco fand das nicht witzig, eher „asozial, ein Offenbarungseid. Irgendjemand hat Dir wohl gesagt, Du musst immer witzig sein?“ Das sorgt bei Unbeteiligten für Lacher. Im Laufe des Abends nimmt Somuncu sich noch allerhand Besucher zu Brust und steigert seine Betriebstemperatur deutlich.
Somuncu hält sich aber zunächst nicht länger mit dem Scharmützel auf, sondern kündigt ein kleines holländisch-deutsch-türkisches Reich an. Dem niederländischen Kabarettisten Theo Maassen gehört die erste Dreiviertelstunde. Und das macht er ordentlich, wirkt charmant mit seinem kleinen holländischen Akzent und setzt die Pointen treffsicher. „Ich hasse Leute, die verallgemeinern“, sagt er gleich zu Beginn, um dann zu ergänzen: „Türken machen das immer.“ Maassen reiht lange Wortbeiträge aneinander und – natürlich – manchmal ist er ein bisschen böse: „Arbeit macht frei – ein bisschen Antisementismus hat noch niemanden umgebracht“.
„Political correctness“ ist beiden fremd, das ist auch gut so. In den Niederlanden seien 52% der marokkanischen Jugendlichen kriminell. „Warum“, fragt Maassen „kriegt man die anderen 48% nicht?“ Was man allerdings erst in der Gesamtbetrachtung des Abends sieht, im direkten Vergleich der beiden Kabarettisten: Vieles wirkt bei Maassen einfach auswendig gelernt und abgespult. Dass es auch anders geht, beweist Somunco nach der Pause.
Nichts von all seinen Nummern wirkt künstlich. „Ich hasse reden“, beginnt er einen Vortrag, und das nimmt man ihm sofort ab. Er scheint ganz angeekelt, da spricht eben der ganze Körper. Dann erklärt er, dass er aber doch reden müsse – des Geldes wegen. „Nutten lutschen Schwänze“, zieht er einen Vergleich, um möglichst drastisch deutlich zu machen, was man alles für Geld tut. Somuncu verliert sich etwas in der derben Sexualsprache. Natürlich kennen die Besucher in der Aula am Aasee nicht nur die Begriffe, sondern auch Somuncus Umgang damit. Den erwarten sie sogar. Allerdings verliert „das Schwert“ erheblich an Schärfe, desto öfter man „ficken“ oder „wichsen“ sagt. Letztlich ist das alles aber schon zielführend: Es geht um Angriffe auf Flüchtlingsheime in Mölln oder Solingen und darum, dass alles Gerede ja nichts gebracht habe.
Großartig ist die Kunstpause, die er, mit Mikrofon in der Hand auf der Bühne stehend, Mitte seines eigenen Programmes einlegt. Oft gibt es das bei kurzen Pausen auf Konzerten, bei Kabarettnummern, im Theater, beim Comedy: Viele Menschen können nicht ruhig sein, fühlen sich dann unwohl, fangen an zu lachen. Somuncu hat es einfach ausgehalten. „Still sein“, nennt er das. Allein dafür ist ihm großer Respekt zu zollen. Schon erzählt Somuncu von der AFD und dass diese ihn verklagt habe wegen Volksverhetzung – ihn – darüber ist er so amüsiert, dass er er der Partei gleich noch ein bisschen Stoff liefert, damit auch die Richter etwas Greifbares haben. „Und plötzlich fickt er Hitler von hinten und gerade als es am schönsten ist, wird aus Hitler Frauke Petry.“
Somuncu erzählt von Bushido, auf dessen letzten Album ein „Dissen“, eine Art „Kampfansage“ an den Kabarettisten gewesen sei: „Ey, ich ficke Deine Mutter.“ und dergleichen mehr. Somuncu erklärt, dass seine Mutter 75 sei und sich freuen würde. Dann dreht er richtig auf, erklärt, dass Bushidos Mutter Araberin sei, die sich für 20 Euro von einem Tunesier habe begatten lassen. In der Türkei dürfe nicht einmal tunesischer Kameldung verwendet werden. Soviel zum „Dissen“. Es gibt selbstverständlich noch eine Reihe anderer Themen, so erzählt Somuncu von einer Rollstuhlfahrerin, die auf Mallorca für sich lautstark eine VIP-Behandlung einforderte. Als sie schließlich eine junge Frau auf Spanisch ansprach und ihr Hilfe anbot, regte die Gehbehinderte sich darüber auf, dass nicht deutsch gesprochen werde. Somuncu fasst das zusammen: „Nichts wächst so gut nach wie das Böse.“
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50 Minuten Auftritt und davon nur 15 min. Kabarett ! Der Rest war Wichsen, Fotze und kacke. Waren schwer enttäuscht!!