Musikalische Traumreisen beim Jazzfestival Auch am Samstag und Sonntag bot des Internationale Jazzfestival Münster 2025 ein abwechslungsreiches Programm

Daniel García Diego war der Held des Jazzfestivals, den er vertrat beim Trio von Jasper Høiby kurzfristig die erkrankte Pianistin. (Foto: Veronika Brühl)

Bei ausgesprochen guter Laune hat das Jazzfestival-Publikum am Sonntagabend das Theater Münster verlassen. Zum Abschluss des dreitägigen Festivals ernteten zwei Formationen zusätzlich zum stets warmen Applaus sogar Standing Ovations: Das französische Trio des Klarinettisten Yom mit den Brüdern Théo und Valentin Ceccaldi sowie das das Quartett um den jungen Spanier Andrés Coll. Erneut erhielt Festivalleiter Fritz Schmücker breiten Zuspruch für die abwechslungsreiche Zusammenstellung, in der möglichst unterschiedliche Klangfarben zur Geltung kommen sollen, wie er stets gerne betont. Ginge es nur nach dem geneigten Publikum, dürfte es genau so weiter gehen und Schmücker könnte sein gestern erklärtes Ziel ansteuern, das 50-jährige Jubiläum im Jahr 2029.

Clara Haberkamp wurde mit dem Westfalen-Jazz-Preis 2025 ausgezeichnet. (Foto: Ansgar Bolle)

In der wie immer bunt gefüllten Wundertüte war tatsächlich für alle etwas dabei: Für die einen etwas wohltemperiert Gefälliges, für die anderen etwas Spannendes und Herausforderndes. Für jeden gab es aber etwas Neues, bisher Unerhörtes zu erleben, denn es wurden viele Deutschlandpremieren präsentiert. Wem es am Freitagabend mit dem niederländischen Brainteaser Orchestra oder dem Projekt „KIND“ um den Münsteraner Jan Klare wegen des mitunter etwas freieren Umgangs mit den vielen Spielarten des Jazz und anderer Genres vielleicht ein wenig zu anstrengend war, fand die Erlösung in lyrischen Momenten vieler anderer Konzerte. Hier reichte die Skala bis zu der Pianistin Clara Haberkamp, die auf der Bühne mit dem Westfalen-Jazz-Preis 2025 ausgezeichnet wurde. Sie eröffnete den Sonntagabend im Großen Haus im Trio mit Oliver Potratz am Bass und Jarle Vespestad am Schlagzeug und bot mit ihnen nicht nur wunderschön klassischen Klaviertriojazz, sondern scheute sich nicht vor wohlbekannten Liedern, wie „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“ oder „If You Could Read My Mind“ und hat „Danny Boy“ sogar gesungen.

Yom und die Brüder Théo und Valentin Ceccaldi entführten in andere Welten. (Foto: Ansgar Bolle)

In ganz andere Welten entführten die Brüder Ceccaldi an Violine und Cello zusammen mit Guillaume Humery, der sich schon lange „Yom“ nennt. Er spielte seine Klarinette meistens im Lotussitz. Ziemlich meditativ wenn nicht sogar psychedelisch wirkte auch die Musik für ihr Programm „Le Rythme du Silence“, das die drei in einem Stück durchspielten. „Suchen Sie gar nicht erst nach einem Ende oder einen Anfang“, appellierte Yom an das Publikum. Das erlebte dann eine knapp einstündige interstellare Reise, wo leise Geräusche die Stille in dem großen Saal zunächst und dann auch zwischendurch wahrnehmbar machten. Als wäre der Klang ein Organismus, wuchs er immer wieder an und entwickelte sich weiter, um dann wieder für einen Moment zur Stille zurückzukehren, die aber nie ganz still blieb.

Andrés Coll überzeugte an der Marimba, aber auch am Klavier. (Foto: Ansgar Bolle)

Eine ganz andere Energie brachte Andrés Coll auf die Bühne. Der 24-jährige spielte sein elektrisch verstärktes Marimbaphon mit einer Verve, die manch einen ehrfürchtig erstaunen ließ. Vor einigen Jahren hatte er den großen Pianisten Joachim Kühn, der sich auf seiner Heimatinsel Ibiza niedergelassen hat, aufgefordert mit ihm zu spielen – diese Chuzpe muss man als junger Musiker erst einmal haben! Zum Konzert beim Jazzfestival Münster brachte er mit Majid Bekkas und Ramón López sogar zwei Musiker mit, die hier 2011 schon einmal mit Joachim Kühn aufgetreten waren. Während bei vielen anderen Konzerten des Festivals durch unterschiedliche Instrumente Töne erklangen, die an marokkanische Musik erinnerte, stand hier mit Majid Bekkas am Ende ein echter Marokkaner auf der Bühne – aber was er auf seiner Gimbri spielte, ließ oft an Gegenden denken, die viel weiter südlich in Afrika liegen.

Ausflüge in kulturelle und imaginäre Welten

Ausflüge in andere kulturelle Welten boten fast alle der insgesamt 80 Interpreten beim Internationalen Jazzfestival Münster 2025. Bei dem Louis Sclavis-Quintett stand es sogar ausdrücklich auf dem Programm. Aber was die fünf Franzosen unter dem Titel „India“ zu hören brachten, klang nur gelegentlich in Ansätzen nach Indien. Aber es störte überhaupt nicht, dass hier das musikalische Reiseziel aus dem Blick geriet, denn es war der harmonische Abschluss für einen bewegten Tag.

Ein wenig Disharmonie war zuvor beim Konzert mit dem Trio „Three Elements“ um den dänischen Bassisten Jasper Høiby aufgekommen, was allerdings keine musikalischen, sondern politische Gründe hatte. Høiby war nicht nur mit einem Palästinensertuch erschienen, sondern widmete dem Volk von Palästina auch eins seiner Lieder. „What about Israel?“ rief eine Besucherin, einige weitere schlossen sich ihr an. Eine Diskussion wollte der Däne aber abwürgen, goss dann aber mit einer weiteren Bemerkung Öl ins Feuer, was er später ausdrücklich bereute. Er lud dann zur Diskussion in der Pause ein, wo es laut Fritz Schmücker am Ende „eine Umarmung unter Tränen“ gegeben haben soll. Daraus eine Schlagzeile zu machen, bauscht diesen kurzen Missklang aber nun doch zu sehr auf.

Viel bemerkenswerter war, dass für das Trio von Høiby in Windeseile eine Vertretung für die erkrankte Pianistin Chaerin Im gefunden wurde. Am Nachmittag hatte sich die Koreanerin für das Konzert mit ihrem eigenen Quartett im Kleinen Haus noch mit Medikamenten aufgepäppelt, aber gut eine Stunde vor dem Auftritt im Großen Haus war klar: Es geht nicht. So schaffte sich der Spanier Daniel García spontan das Programm drauf, was erstaunlich gut geklappt hat und vom Publikum wohlwollend aufgenommen wurde. Erst zwei Stunden vorher war García mit seinem eigenen, sehr international besetzten Sextett aufgetreten. Alle von ihnen sind hervorragende Solisten, wobei neben dem Bandleader Daniel García Diego am Flügel besonders Miron Rafajlović an der Trompete und Reinier Baas an der E-Gitarre hervorstachen. Gemeinsam entwickelten die sechs Musiker wundervolle Klanglandschaften, die weit über vermeintlichen Fusion-Jazz hinausgingen.

Hervorzuheben sind auch zwei Konzerte, die großen Musikern der Jazz-Geschichte gewidmet waren: Am Sonntag war es der junge britische Saxofonist Xhosa Cole, der sich mit seinem Quartett unter dem Titel „FreeMonk“ mit den Kompositionen und der Herangehensweise von Thelonious Monk beschäftigt. Was Monk mit der Musik seiner Zeit tat, machten sie mit seinen Songs: sie nahmen sie auseinander und setzten sie neu wieder zusammen. Etwas ehrfürchtiger widmeten sich am Samstag die Alina Bzhezhinska und Tony Kofi der Musik von Pharoah Sanders und Alice Coltrane, die Ukrainerin an der Harfe und der Engländer am Saxofon.

Überhaupt war bei der aktuellen Ausgabe wieder einmal festzustellen, dass es viel mehr Instrumente gibt, auf denen man Jazz spielen kann, als man gemeinhin denkt. Vor allem die Geige scheint sich hier anzuschicken, den Gitarren und Saxofonen den Rang streitig zu machen, wobei Théo Ceccaldi und Mateusz Smoczynski ganz unterschiedliche Akzente setzten und jeder auf seine Weise zu begeistern wusste. Seien wir also gespannt, was uns in zwei Jahren bei der nächsten langen Ausgabe des Jazzfestivals begegnet, oder auch schon im kommenden Jahr bei den „Shortcuts“.

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Weitere Fotos vom Samstag beim Internationalen Jazzfestival Münster 2025 findet ihr in unserer Fotostrecke:

Fotostrecke: Der Samstag beim Jazzfestival (04.01.2025)

 

 

 

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