Infektionszahlen auswerten, an Hygienekonzepten feilen, im Home-Office durchhalten – so könnte man sich den Arbeitsalltag von Beschäftigten der Stadtverwaltung Münster in diesen Monaten vorstellen. Doch das trifft nur zum Teil zu. Trotz Krisenmodus treiben alle Dezernate Projekte voran, die in die Zukunft weisen und von Corona nicht ausgebremst werden. In einer Serie geben wir Einblick. Zum Abschluss geht es darum, wie sich die Wohnquartiere auf den ehemaligen britischen York- und Oxford-Kasernen von anderen neuen Wohngebieten unterscheiden werden.
Wie viele Zimmer brauchen wir? Gibt es einen Garten, einen Balkon? Sind Miete oder Kaufpreis bezahlbar? Diese Gedanken haben wohl alle, die eine Wohnung oder ein Haus suchen – ganz egal wo. Wer in den kommenden Jahren ins York-Quartier nach Gremmendorf oder ins Oxford-Quartier nach Gievenbeck ziehen will, kann einige zusätzliche Fragen stellen. Wäre es gut, mit mehreren Generationen unter einem Dach zu wohnen? Eine Baugemeinschaft zusammenzutrommeln oder Teil einer Wohngenossenschaft zu werden? Könnte man das eigene Büro in der Nachbarschaft eröffnen? Erstmals auf Mobilität ohne Auto setzen, weil die klimabewusste Infrastruktur stimmt? Und wie gut ist die Espresso-Bar in der ehemaligen Panzerhalle? Solche individuellen Pläne kann sich Stephan Aumann gut vorstellen. Denn so kann entstehen, was der Geschäftsführer der städtischen Tochtergesellschaft KonvOY GmbH ein „resilientes“ – also dauerhaft stabil strukturiertes – Wohngebiet nennt. Bei der KonvOY laufen derzeit alle Fäden zusammen, um in den beiden Stadtteilen zwei außergewöhnliche urbane Quartiere zu realisieren.
„Oft läuft es so: Junge Familien beziehen Neubaugebiete, alle Kinder sind im gleichen Alter und ziehen Jahre später gleichzeitig aus – der Zyklus des Gebietes ist beendet. Auf den Konversionsflächen aber fördern wir eine Nutzungsmischung, ein Miteinander von Studierenden und älteren Menschen sowie von Singles und Familien“, sagt Aumann. Die Quartiere sollen auf Dauer lebendig bleiben, anpassungs- und entwicklungsfähig. Eben als „Orte, in denen buntes und urbanes Leben zu Hause sein wird“ – so sieht Stadtbaurat Robin Denstorff die künftigen Quartiere im Stadtteil. „Hier wird die Möglichkeit geschaffen, das eigene Leben mit der Stadt zu verknüpfen. Das selbstverständliche Leben und die Alltagstauglichkeit sind wichtig. Das macht die Quartiere für alle attraktiv.“
Die ersten Schritte in diese Richtung laufen. Baufelder werden erschlossen, Baustraßen angelegt, Erhaltenswertes geschützt. Mehr noch: Erste Grundstücksvergaben sind bereits erfolgt, weitere aktuell in der Auswertung und neue Ausschreibungen auf dem Weg. Diese Vergaben werden als so genannte Konzeptvergaben durchgeführt. Sie sorgen dafür, dass nach dem Bezug der insgesamt 3000 neuen Wohneinheiten in Gievenbeck und Gremmendorf der Mix aus Bewohnern und den für sie passenden Wohnformen stimmt.
Qualität ist Trumpf
Bei allen Konzeptvergaben zählt vor allem die Qualität der eingereichten Projekte. „Die Idee eines Investors zählt mehr als der Preis, den er für eine Teilfläche bietet“, bringt Stephan Aumann es auf den Punkt. „Es gibt auf den Arealen jeweils etwa 20 Baufelder, und jedes dieser Baufelder wird die KonvOY einzeln vergeben. Bei anderen Grundstücken fließt der beste Kaufpreis in die Entscheidung mit ein, immerhin zu 30 Prozent.“
Während viele Baufelder gerade baureif gemacht werden, realisiert die Wohn- und Stadtbau zurzeit bereits Wohnungen und Gemeinschaftseinrichtungen. Insgesamt 850 Wohneinheiten für beide Wohnquartiere plant das kommunale Tochterunternehmen, die Hochbauarbeiten im York-Quartier beginnen bereits im Oktober. „Gartenwohnen“ heißt eines der Projekte. Im Oxford-Quartier tritt die evangelische Lukasgemeinde mit dem Neubau einer Kirche ab dem Frühjahr 2021 als Pionier auf. Weitere Teilflächen werden nach und nach vergeben – was im Sinne der angestrebten Resilienz ist. „Dann können wir besser nachjustieren und Anreize für Abwechslungsreichtum an den richtigen Stellen setzen“, erklärt Konversionsmanager Aumann.
Vielfalt spiegeln auch die Gebäude. Zahlreiche denkmalgeschützte Altbauten bleiben erhalten. In Gremmendorf werden rund 400 der 1800 geplanten Wohneinheiten in der alten Bausubstanz untergebracht, in Gievenbeck sind es knapp 330 der künftig 1200 neuen Wohnungen und Häuser. Auf geeigneten Freiflächen wird vielfältig nachverdichtet – aber behutsam. „Wir schaffen Platz für Neues, indem wir Bauten wie Panzerwaschanlagen oder Fahrzeughallen abreißen und das Material teilweise wiederverwenden“, so Stephan Aumann. Einzigartiges bleibt erhalten, darunter der alte Grünbestand des York-Quartiers. „Im Schatten großer Bäume Kaffee trinken – das kann man in anderen Neubaugebieten erstmal nicht.“
Stumme Zeitzeugen
Details der ehemaligen militärischen Nutzung bleiben nach dem Bezug der Wohnungen 2030 als Zeitzeugen erhalten, darunter typische Sandsteinmauern oder die ehemalige „Fish&Chips“-Bude. Das schmucke Offizierscasino in Gremmendorf und das markante Uhrenturmgebäude in Gievenbeck werden zu Bürgerzentren, ein Exerzierplatz zum Baublock um einen „secret garden“.
Bisher sind die Areale noch streng abgeschirmt von den Stadtteilen, vor allem durch die mit Stacheldraht bewehrten Grenzmauern. „Bald werden sie sich öffnen. Und sie sollen möglichst gut an die bestehenden Strukturen angebunden werden“, sagt der Chef der KonvOY. Schon jetzt stehen sie zeitweise offen für Kunst-, Theater- und Filmprojekte. Auch die Konversionsgesellschaft selbst öffnet sich zusehends: In Kürze werden Quartiersmagazine und Internetseiten regelmäßig über den Entwicklungsfortschritt der Wohnquartiere berichten, Rundgänge werden organisiert. Eine aktuelle Broschüre gibt es schon, man kann sie herunterladen. Und wer sich als Investor, Bauherr, Käufer oder Mieter für die Wohnquartiere interessiert, kann über die Webseite der KonvOY (www.konvoy-muenster.de/kontakt/kontakt.php) die passenden Informationen dazu abonnieren.
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