Klar, ganz günstig ist’s am Prinzipalmarkt nun wirklich nicht – während einer ausgedehnten Shoppingtour kann da schnell ein ziemlicher Batzen Geld verloren gehen. Aber mal ernsthaft: 2000? ZWEITAUSEND? Für einen kurzen Hotelaufenthalt im Herzen der Stadt? Nun ja … Angesichts begeisternder Tourismuswerte und der stetig steigenden Immobilienpreise ließen sich tatsächlich solch ausufernde Übernachtungskosten ebenda vermuten. Schlimm genug. Doch gemach, gemach: Zumindest in diesem Fall ist Bambonum nicht gerechtfertigt. Besagte 2000 sind schließlich a) Monopoly-Dollar, b) der stolze Preis für den teuerstmöglichen Fehltritt auf dem Spielfeld und bedeuten c) zumeist auch das Ende der Freundschaft. Zumindest kurzzeitig.
Mark Krasemann kennt das nur allzu gut. Mit den Liebsten (und nach solchen Runden garantiert auch Verhasstesten) hat er seit der Kindheit diverse Monopoly-Editionen durchgespielt, zwischen Reichtum und Insolvenz geschwankt, abwechselnd mit Zylinder, Skateboard oder Silberburger unzählige Häuser verloren und noch mehr Millionen gescheffelt. Zumindest im Spiel. Nun ist Krasemann allerdings einer von wenigen Deutschen, die auch im realen Leben mit Monopoly etwas Geld verdienen können. Echtes Geld.
Für die in Telgte beheimatete Handelsagentur Nicolas Rose ist er als Projektleiter beschäftigt, sucht in dieser Funktion Partner für sogenannte „Monopoly-City-Editionen“. Also Spiele mit zwar traditionellen Brettern, die jedoch regionalisiert oder mindestens lokal verankert und dann zum Verkauf auf den riesigen Spiele-Markt geworfen werden. Eine Win-Win-Win-Situation für alle Beteiligten, mag man meinen. Da gibt es diese Spielproduzenten, die sich ihre originelle Heimat-Kampagne bezahlen lassen. Da gibt es jene Geschäftsleute, die sich für eine vierstellige Summe [als Werbungskosten abzusetzen] auf dem Spielbrett ihrer potenziellen Kundschaft verewigen lassen können und so in deren Gedächtnis bleiben. Und da gibt es halt jene Bürger, die für ihre Heimatliebe reichlich Geld zu bezahlen gewillt sind und so noch intensiver mit der Stadt des Herzens verbunden bleiben.
Mark Krasemann ist gleich zwei dieser Seiten zuzurechnen. Neben seinen rein dienstlichen Interessen hat der 43-Jährige schließlich auch noch einige emotionale, ist er doch waschechter Münsteraner. Und da der gemeine Münsteraner ja als sehr heimatverbunden gilt und gern mit seiner Stadt allerorten wirbt (Bestes Beispiel: „MS4L“, die Kultmarke schlechthin), ist wohl so ziemlich jeder von ihnen ein potenzieller Kunde. Ergo wüsste Krasemann da bestenfalls bei jedem einzelnen von ihnen eine Münster-Monopoly-Version im Spieleschrank stehen. Aus Gründen der Verbundenheit, der Identifikation, ganz sicher auch aus (Heimat-) Liebe. Und ja, zugegeben, auch aus rein monetären Gründen.
Für Letzteres muss man dann halt auch mal über den eigenen Schatten und natürliche Grenzen springen. Notfalls bis nach Osnabrück. Notfalls in karnevalesker Verkleidung. „Ja, stimmt. Ich habe als Mr. Monopoly beim VfL in der Halbzeitpause Faxen gemacht, um die Osnabrücker Spielversion zu bewerben“, sagt er, „die Preußen hatten für die Münster-Edition leider nicht mitgemacht. Warum auch immer.“
Vielleicht brauchte es hierzulande möglicherweise auch gar keiner außerordentlichen Werbung: 4000 „münsterisierte“ Monopoly-Spiele hatten sich hier ja quasi von alleine verkauft. Und das, obwohl anfangs eigentlich nur eine 2000er Auflage geplant gewesen war, wie es heißt. Ganz offenbar war da auch die Stadtverwaltung ein klitzekleines bisschen stolz auf jenes Spiel, das ehrlicherweise vor Werbung nur so strotzt: Restaurants, Kino, eine westfälische Tageszeitung gleich mehrfach, ja sogar ein Marktstand sind aufs Brett gedruckt. Alles ganz egal! Als Ende 2014 Stephanie Luik aus Reutlingen sich als 300.000 Bürgerin ihren Ausweis auf Münster umschrieben ließ, überreichte Oberbürgermeister Markus Lewe ihr im Bürgeramt Blumen und eben besagtes Monopoly-Spiel. So schafft man Bindung. Und Werte, ganz offenbar.
Das Münster-Monopoly ist seit langer Zeit ausverkauft. Restlos. Obwohl: Ab und an finden sich dann ja doch noch ein paar gute Stücke auf Flohmärkten oder im Internet. Gerade bei Amazon werden – ohne Gewähr! – zwei Spiele unserer Stadt angeboten. Das eine neu für 129,99 Euro, das andere gebraucht für immerhin 99 Euro. Nicht schlecht für ein Massenspiel, das gerade einmal knapp über 40 Euro UVP gekostet hatte. Aber wo ein Markt, da halt auch höhere Preise.
Alte Spiele werden im Netz für dreifachen Preis gehandelt
Wäre das nicht ein guter Zeitpunkt, die nächste Edition für Münster auf den Markt zu bringen? „Der Bedarf ist allemal gegeben“, bestätigt der 43-Jährige aus dem Geistviertel, muss aber zugleich darauf verweisen, dass „die alte Auflage ja noch recht frisch“ sei und Verträge mit den einstigen Werbepartnern einzuhalten sind. Noch zumindest. Für das Jahr 2020 aber, so Krasemann, plane die Handelsagentur Rose „eine neue City-Edition für Münster umzusetzen“. Und das wäre schon ein echter Kracher.
Überhaupt – insbesondere für etwas kleinere Städte, in denen aber „lokaler Patriotismus in erheblichem Maße“ existiere, stünden die Chancen auf ein individualisiertes Monopoly-Spiel sehr gut. Wie eben in der nach wie vor lebenswertesten Stadt der Welt, Titel hin oder her. „In Berlin und Hamburg funktioniert so etwas dann aber nicht so gut“, weiß der Betriebswirt.
In Telgte initiiert, für Münster gedacht, in Irland produziert, von den USA geprüft (das Unternehmen Hasbro achtet gestreng darauf, dass weder Pornografie noch Alkohol oder andere „schwierige“ Bildmotive das ganz spezielle Monopoly-Erlebnis in Deutschland beeinträchtigen), und schließlich in die ganze Welt verschickt – damit Münster-Fans allüberall ihr ganz persönliches Heimatgefühl ausleben dürfen.
Am 12. November 2013 wurde das Spiel offiziell auf den Markt gebracht, schon kurz danach kam es zu erheblichen Lieferengpässen in und um Münster. Via Facebook hatte sich die Handelsagentur Rose entschuldigt und „palettenweise“ neue Spiele versprochen. Einige seien sogar mit einem offenen Cabrio als „Expresslieferung“ zur Post transportiert worden – einzig und allein, damit alle harrenden Kunden noch rechtzeitig zum Weihnachtsfest vor rund fünf Jahren ihre eigene Münster-Edition unterm Tannenbaum auspacken konnten…
Krasemann hat nach Osnabrück und Warendorf nun noch weitere „halbgroße“ Städte und Regionen für individualisierte City-Editionen im Blick; Bielefeld ist die nächste. Ob sich diese Spielerei dort aber genauso gut verkaufen lassen wie die Münster-Version? Abwarten.
Über viele Jahre gab es das Monopoly-Spiel (allerdings in der Standardversion) im Google-App-Store zum Download, für den Single-Betrieb – wenn es in der Gruppe mal aus eingangs erwähnten Gründen nicht mehr klappen sollte. Die Nutzer-Bewertungen waren, vorsichtig formuliert, eher mau. Und das völlig zu Recht. Trotzdem wurde das Spiel seinerzeit millionenfach heruntergeladen; in der iOS-Variante war’s zwischenzeitlich sogar die meistverkaufte App überhaupt.
Dem echten Brettspiel konnte und kann es jedoch keine emotionale Konkurrenz sein. „Das ist oldschool“, sagt Mark Krasemann keineswegs abfällig über Haptik und Optik, „jeder kennt das Spiel, es hat eine enorme Präsenz – wenn wir es daheim spielen, legen wir alle ganz bewusst unsere Handys beiseite und dann geht’s los!“
Und ja, Krasemann will nach eigenen Aussagen „natürlich gewinnen!“. Wenn dann aber die Kinder mitspielen, „könnte es gut sein, dass ich bewusst die Verlierer-Strategie wähle …“ Es mag nicht die allerschlechteste Idee sein, den Familienfrieden zu wahren. Geld allein macht ja bekanntlich auf Dauer nicht glücklich. Zumindest keine Monopoly-Dollar.
In der jüngsten Deutschland-Version des Monopoly-Klassikers sind Münster und Osnabrück übrigens nicht minder vertreten, wenngleich nur als zwei Felder unter vielen. Spielehersteller Hasbro hatte 2017 wieder einmal dazu aufgerufen, die Lieblingsstädte zu küren und so aufs Spielbrett zu bringen. Derer 300 standen dafür zur Wahl. Und siehe da: Münster hatte sich vom früheren 18. Platz nun auf den 11. von 21 zu vergebenen Rängen beziehungsweise Spielfeldern (plus ein Wildcard-Platz) vorgeschoben. Für die Statistik: Osnabrück landete sieben Plätze dahinter…
Zumindest dem Münsteraner bleibt es also zu wünschen, dass es auch Osnabrück schafft, die eigenen Massen derart zu mobilisieren, dass eine zweite Auflage über die 2000 Exemplare hinaus nötig sein mag. Wie es geht, hat Münster ja eindrucksvoll belegt.
Wer es nicht so mit Shoppingtouren hat, dafür aber vielleicht ja besonders gut klugscheißen kann: Eine spezielle Münster-Version von Nicolas Rose gibt’s auch seit einigen Monaten zu „Trivial Pursuit“ – mit 600 Fragen rund um die Westfalenmetropole. Und für 2019 sei nebenan in Telgte auch noch ein „Cluedo Münster Tatort“ in der Planung. „Aktuell machen wir uns Gedanken zu der Geschichte, den Tatorten und so weiter“, sagt Nicolas Rose auf Nachfrage. Produziert werde aber allemal. Na, da können die Würfel ja schon einmal poliert werden…
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