Es ist kalt und zu allem Überfluss beginnt es sachte zu regnen. Für Martin Kleining vom Regionalforstamt Münsterland ist das ein Grund zur Freude: „Das verschafft uns eine kleine Atempause, der Borkenkäfer wird von den niedrigen Temperaturen ausgebremst, der fliegt erst ab 16 Grad.“ Was dann passiert, demonstriert Kleining an einer Borkenkäferfalle. Nur zwei Tage lang kletterte das Thermometer in etwas frühlingshaftere Bereiche und schon waren die „Buchdrucker“ und „Kupferstecher“ unterwegs, fast randvoll sind die Sammelbehälter.
Gemeinsam mit Max Bein kontrolliert der Förster die Monitoring-Fallen, in denen zehntausende der kleinen Insekten herumkrabbeln. Mit einem Trichter schüttet er die Tiere in einen Messbehälter, „100 Milliliter reichen aus, um einen gesunden Fichtenbestand zu befallen“, in den Fallen befindet sich ein Vielfaches dieser Menge an Käfern. Um zu erkennen, was das bedeutet, muss man kein Forstexperte sein, im Umfeld steht kein einziger Baum mehr. „Die Fichten müssen sofort rausgeholt und möglichst weit weggebracht werden, so kann man den Befall verlangsamen.“ Die Fichten wurden nach dem Krieg angepflanzt, um Bauholz für den Wiederaufbau und Material zum Abstützen der Stollen in den Bergwerken zu gewinnen, an einen möglichen Klimawandel dachte damals noch niemand. „Fichten brauchen viel Wasser und nicht zu hohe Temperaturen“, erklärt Kleining. Zwei Dinge, die schlecht mit dem Klimawandel zusammenpassen.
Hinzu kommt ein weiterer Aspekt des Klimawandels, die immer häufiger werdenden Stürme. „Die Stürme hinterlassen mit den umgestürzten Bäumen brutgeeignetes Material. Wenn dann ein trockener, heißer Sommer kommt, vermehren sich die Borkenkäfer extrem. So war es zum Beispiel nach dem Sturm Friederike Anfang 2018. Die Fichten wurden schneller befallen als wir sie rausholen konnten.“ Auch der Borkenkäfer hat natürliche Feinde, den Specht und den Ameisenbuntkäfer zum Beispiel, die können sich aber gar nicht so schnell vermehren, wie es notwendig wäre, um den Borkenkäfer in Schach zu halten. Für den 44-jährigen Forstexperten ist die Fichte ein Auslaufmodell, das es in absehbarer Zeit im Münsterland nicht mehr geben wird. Da die Industrie jedoch Nadelhölzer benötigt, setzt Kleining viel Hoffnung auf Lärchen und Douglasien, „klimastabile Bestände zu entwickeln, ist die Aufgabe der Zukunft.“
Doch nicht nur die Fichte leidet unter dem Klimawandel, auch der Buche, der verbreitetsten heimischen Laubbaumart, geht es schlecht. „Wenn die Sommer so bleiben wie die letzten, können wir uns von der Buche verabschieden. Wir beobachten vermehrt, dass der warme, trockene Wind im Sommer gegen den Waldrand bläst, dort sterben dann die ersten Bäume ab. Dann ist der Wald offen, die Bäume dahinter bekommen Sonnenbrand und sterben ebenfalls.“ Neben dem Waldweg, auf dem der Förster unterwegs ist, zeigen Stapel von Buchenholz das Ergebnis dieses Effektes. Martin Kleining deutet auf den feuchten Waldboden: „Hier keimen überall die Buchen, im letzten Jahr haben die Bäume viele Bucheckern produziert.“ Was sich zunächst positiv anhört, ist die Reaktion der Bäume auf Stresssituationen wie Trockenheit und Wassermangel. Sie produzieren gewissermaßen in Todesangst möglichst viele Nachkommen, wobei auch das Ausbilden vieler Früchte sehr kräftezehrend für die Buchen ist.
Das Aufforsten der Flächen wird zum Versuchsfeld mit ungewissem Ausgang, „Wir versuchen, die eierlegende Wollmilchsau zu finden. Zukunftssicher und forstwirtschaftlich sinnvoll. Wir haben enorm viele Flächen zum Aufforsten und es schwingt immer die Frage mit, ob das wohl gut ist, was wir da machen. Unsere Arbeit ist ja auf Jahrzehnte ausgelegt und es gibt dabei ganz viele Fragezeichen.“ Eigentlich sei seine Aufgabe die forstfachliche Beratung der Besitzer von Privat- und Körperschaftswäldern, sowie die Bewirtschaftung der landeseigenen Waldflächen im Münsterland, „inzwischen bin ich eher ein Katastrophenmanager, meine Arbeit konzentriert sich auf Schadensereignisse.“ Dabei gibt es auch Positives zu vermelden, wie Kleining betont: „Die Wälder waren noch nie so alt und so reich an Laubholz wie heute, viele waldtypische Tierarten kehren allmählich wieder zurück. Wir sind froh, dass wir im Münsterland diese bunten Waldflächen haben.“ Dennoch ist der Förster unsicher, was die Zukunft anbelangt, „ich denke oft darüber nach, ob unsere Wälder in 20 oder 30 Jahren noch so aussehen wie heute.“
In unserer Reihe #münsterklima21 zum "World Environment Day" veröffentlichen wir bis zum 5. Juni, dem Weltumwelttag, täglich um fünf vor zwölf Interviews mit sehr unterschiedlichen Experten, in denen wir der Frage nachgehen, wie sich der Klimawandel im Münsterland auswirkt. Ihr findet alle Beiträge gebündelt unter diesem Link #münsterklima21
Fotos: Michael Bührke
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Nach einer 6 tägigen Radtour durch das Münsterland Frage ich mich, ob nicht ein Teil der Maisfläche lieber Wald werden sollte? Zudem habe ich gehört der Mais werde nur zur Biogasproduktion verwendet?
Hallo Birgit, ich hoffe, dass Du auf Deiner Radtour durch das Münsterland noch andere Dinge als Maisfelder gesehen hast :-) Du hast Recht, deutschlandweit liegt der Anteil für die Energieerzeugung beim Mais bei rund 44 Prozent. Klingt erstmal gut, Ackerflächen in Wald umzuwandeln, zumal das Münsterland eine waldarme Region ist. Dann steht man aber immer vor der gleichen Frage: Welche Baumarten soll man heute anpflanzen? Werden die in 20 Jahren noch leben? Ein Wald ist auch mehr als eine Ansammlung von Bäumen, die Artenausstattung von Flora und Fauna braucht Jahrzehnte, um ein stabiles Waldökosystem auszubilden. Außerdem fällt ja dann Ackerfläche weg, auf der Lebensmittel angepflanzt werden könnten, die wir direkt essen und nicht an Schweine verfüttern oder in Biogasanlagen verarbeiten. Eine schwierige Entscheidung!