Wenn Versicherungsfachleute den Wetterbericht schauen, geht es ihnen meist nicht um die Frage, ob morgen das kurz- oder das langärmelige Hemd aus den Schrank geholt wird. Es geht vielmehr darum, ob es ein ruhiger Tag wird oder ob die Telefone heiß laufen werden. „Viel spricht dafür, dass sich Katastrophen in Deutschland künftig öfter ereignen werden. Grund ist der Klimawandel“, heißt es in einer Pressemitteilung des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).
Beunruhigende Überschrift des Artikels aus dem Jahr 2018 war: „Nordrhein-Westfalen: Naturgefahren treffen Münster am ärgsten“, gemeint war der Zeitraum von 2002 bis 2016, wobei das Starkregenereignis von 2014 sicher einen großen Anteil hatte. Aber nicht nur, wie ein Blick in die Statistik verrät: „Sturm, Hagel sowie Überschwemmungen durch Starkregen oder Hochwasser richteten dort von 2002 bis 2016 Schäden an Gebäuden von durchschnittlich rund 6.600 Euro an.“ Das zeigte die Langfristbilanz, die der GDV 2018 erstmals veröffentlichte. Dabei bietet Münster beste Voraussetzungen, um zumindest bei Regen gut dazustehen, unter den 50 einwohnerstärksten Städten Deutschlands belegt Münster einen hervorragenden viertletzten Platz im Bereich der Versiegelung, lediglich 17,9 Prozent der Flächen bestehen hier aus Asphalt, Beton oder Bebauung. Spitzenreiter München bringt es diesbezüglich auf beeindruckende 47 Prozent.
Um das lokale Risiko von Starkregenschäden an Gebäuden besser einschätzen zu können, hat der GDV sogenannte Starkregengefährdungsklassen entwickelt. „Neben der Intensität des Regens hat die Lage eines Gebäudes einen entscheidenden Einfluss auf das Ausmaß von Schäden“, lautet die wenig überraschende Erkenntnis, die der GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen in einer weiteren Pressemitteilung verbreitete. Anders gesagt, liegt das Gebäude erhöht, ist die Gefahr, dass bei Regen der Keller vollläuft deutlich geringer als bei einem Haus, das in einer Senke oder neben einem Fließgewässer steht. Es gibt drei Starkregengefährdungsklassen (SGK). In der SGK 1 (geringere Gefährdung) werden Gebäude eingestuft, die auf einer Kuppe oder am oberen Bereich eines Hangs liegen. In der SGK 2 (mittlere Gefährdung) finden sich Gebäude, die in der Ebene oder im unteren oder mittleren Bereich eines Hangs, aber nicht in der Nähe eines Baches liegen. In der SGK 3 (hohe Gefährdung) werden schließlich alle Gebäude zusammengefasst, die im Tal oder in der Nähe eines Bachs liegen. Was die SGK 3 anbelangt, liegt Münster unter den 50 einwohnerstärksten Städten mit Platz 24 im Mittelfeld.
Nach Meinung der Versicherer reagiert die Bauplanung zu träge oder gar nicht auf das durch den Klimawandel stetig wachsende Risiko von Starkregenereignissen. Obwohl Wetterextreme, wie Überschwemmungen, Starkregen oder Hagel in Deutschland zunehmen, bleiben diese Folgen des Klimawandels demnach bei der Raumordnung und der Bauplanung weitgehend unberücksichtigt. „Die Krisen von heute sind Folgen der Entscheidungen von gestern. Wir müssen den Schäden durch extreme Wetterereignisse auch im Bausektor vorbeugen“, fordert Asmussen in einer Pressemitteilung vom März dieses Jahres. „Eine Anpassung des Baurechts an die Folgen des Klimawandels ist unabdingbar.“
Wenig überraschend ist, dass der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft Bürgerinnen und Bürger regelmäßig dazu aufruft, sich besser gegen Elementarschäden zu versichern. Für Beschädigungen durch Sturm, Hagel und weitere Naturgefahren wie Starkregen haben die Versicherer im Jahr 2020 rund 2,5 Milliarden Euro geleistet. Klingt viel, liegt aber deutlich unter dem Mittelwert von 3,7 Milliarden Euro. Viele Eigentümer unterschätzen nach Meinung der Versicherer die Gefahr starker Regenfälle für ihr Haus oder schätzen den Umfang ihrer Wohngebäudeversicherung falsch ein. Hier lohnt sich ein Blick in den Versicherungsvertrag, oft sind nur die Naturgefahren Sturm oder Hagel versichert, nicht jedoch Starkregen und Hochwasser. Ihnen fehlt der Aspekt der Naturgefahrenversicherung, in der Fachsprache Elementarschadenversicherung genannt. Nach den Ereignissen von 2014 dürften zumindest in Münster viele Bürgerinnen und Bürger diesbezüglich ihre Versicherungsverträge angepasst haben.
In unserer Reihe #münsterklima21 zum "World Environment Day" veröffentlichen wir bis zum 5. Juni, dem Weltumwelttag, täglich um fünf vor zwölf Interviews mit sehr unterschiedlichen Experten, in denen wir der Frage nachgehen, wie sich der Klimawandel im Münsterland auswirkt. Ihr findet alle Beiträge gebündelt unter diesem Link #münsterklima21
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