Unsäglich, ungeheuerlich, unfassbar. Das waren nur einige Begriffe am Sonntagabend, die dem Schrecken über die Attacke auf die Jüdische Gemeinde in Münster Ausdruck geben sollten. In einem Fenster an der Rückfront des Gemeindezentrums war ein Einschussloch entdeckt worden, die Polizei geht von einem Schuss – höchstwahrscheinlich aus einem Luftgewehr – aus. Zu einer Solidaritätskundgebung mit der Jüdischen Gemeinde hatte die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Münster an die Klosterstraße eingeladen – rund 200 Menschen waren dem Aufruf gefolgt.
„Diesen Tag, diese Stunde, diesen Ort haben wir für unsere Kundgebung bewusst gewählt, um unsere Verbundenheit mit allen Münsteranern jüdischen Glaubens auszudrücken“, sagte Pfarrer em. Jürgen Hülsmann zu Beginn der Kundgebung. „Auf das jüdische Gemeindehaus wurde gezielt geschossen. Das geschah nur wenig mehr als 70 Jahre nach dem Tag, da Münsters Synagoge in Flammen stand, vorsätzlich in Brand gesetzt von aufgehetzten Deutschen.“ Es wäre schlimm, würde der Angriff auf das Haus bewirken, dass die Gemeindemitglieder aus Sorge um Gesundheit und Leben dem Gottesdienst fernblieben, der an diesem Abend anlässlich des jüdischen Neujahrsfestes „Rosch Haschana“ gefeiert werden sollte.
„Dieser Anschlag war ein Angriff auf uns alle!“, schimpfte der Vorsitzende der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit. „Immer sind alle Münsteraner betroffen, wenn auch nur einer von ihnen krimineller Energie ausgesetzt ist.“ Es sei eine jüdische Philosophin gewesen, die gelehrt habe: „Die Grenze meiner Freiheit ist die Freiheit des Anderen.“ „In diesen Tagen gehören wir alle an die Seite unserer jüdischen Mitbürger und Freunde.“
Auch der Regierungspräsident von Münster, Reinhard Klenke, war zur Synagoge gekommen. Er forderte auf, intolerant gegen jede Form von Antisemitismus zu sein. Münsters Stadtdechant Pfarrer Jörg Hagemann wandte sich an die Gemeinde mit den Worten: „So wie Sie Beschimpfungen und Bedrohungen in Münster erleben müssen, so geht man nicht mit unseren Brüdern und Schwestern um. Fühlen Sie sich beschützt von uns!“
„In Münster leben wir nicht auf einer Insel der Seligen“, wusste Martin Mustroph. „Aber wer ein jüdisches Gotteshaus angreift, greift Christen an“, sagte der evangelische Pfarrer. Er hoffe, sagte er, dass sich niemand irgendwann fragen lassen muss: „Wo warst du, als man jüdische Menschen einschüchtern wollte?“
Sharon Fehr, der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, war sichtlich gerührt. „Viele anständige Menschen haben sich hier versammelt, um ein Zeichen zu setzen“, freute er sich. „Der Angriff ist ein beschämender Vorgang, er überschattet das Neujahrsfest“, meinte er. Die Unterstützung an diesem Tag helfe aber, den Schrecken aufzuwiegen. „Wir sind fest entschlossen, uns nicht einschüchtern zu lassen“, versicherte Fehr. Die Gemeinde werde weiter das Stadtleben mit jüdischen Impulsen versehen und öffentlich Präsenz zeigen. Mehrfach bedankte er sich für die Solidarität. „Das tut uns gut.“
Während die Gemeinde mit dem Gottesdienst zum Neujahrsfest begann, bildeten die Teilnehmer der Kundgebung an der Rückfront der Synagoge, von wo aus der vermeintliche Schuss kam, eine Menschenkette, die den Schutz des Gotteshauses symbolisieren sollte.
(Kut)
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