Ein halbes Jahrhundert Engagement für drogenkonsumierende, suchtgefährdete und drogenabhängige Menschen sowie ihre Familien: Die städtische Drogenhilfe feierte in der vergangenen Woche ihr 50-jähriges Jubiläum. Seit 1973 bietet die Einrichtung des Amtes für Kinder, Jugendliche und Familien professionelle Hilfe und Selbsthilfe für Menschen in Münster an. Anlässlich des Jubiläums versammelten sich rund 100 Gäste aus den Bereichen Sucht- und Jugendhilfe, Gesundheitswesen, Wohnungslosenhilfe sowie Vertreter aus Justiz, Schule, Politik und Verwaltung.
„Die städtische Drogenhilfe ist für kommende Herausforderungen bestens gerüstet“, betonte Stadtdirektor Thomas Paal. „Obwohl im Gründungsjahr eine Lebensdauer von höchstens zwei Jahren prognostiziert wurde, ist die Drogenhilfe zu einem Erfolgsmodell geworden.“ Während im Jahr 1973 noch Bedenken geäußert wurden, die Drogenhilfe sei zu weit entfernt von der Zielgruppe und zu bürokratisch, verzeichnet sie heute jährlich mehr als 3.000 Beratungsgespräche.
„Drogenabhängigkeit betrifft nicht nur die konsumierende Person, sondern die gesamte Familie“, erklärt Georg Piepel, Leiter der städtischen Drogenhilfe. „Besonders wenn Kinder in Gefahr sind oder bereits abhängig werden, stehen die Eltern vor enormen Problemen. Schuldzuweisungen, Überforderung und Hilflosigkeit sind an der Tagesordnung.“ Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, leistet die Drogenhilfe seit 50 Jahren einen bedeutenden Beitrag. Dabei stehen professionelle Hilfe und Selbsthilfe gleichrangig nebeneinander.
Historischer Rückblick
Am 1. April 1973 startete die Drogenberatungsstelle Münster in der Bergstraße ihre Arbeit. Dies geschah vor dem Hintergrund einer „Drogenwelle“, die Ende der 1960er-Jahre Deutschland erfasste und eine steigende Zahl drogenabhängiger Jugendlicher in Münster mit sich brachte. Die Drogenszene wuchs stetig, und in der Stadt entstanden verschiedene „Drogenumschlagplätze“, hauptsächlich für Heroin. Bereits 1979 registrierte die Polizei 200 Drogenabhängige in Münster. In den 1980er-Jahren stieg die Nachfrage in der Drogenberatung weiter an. Das Buch „Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ machte auf die wachsende Drogenproblematik aufmerksam, Schulen zeigten verstärktes Interesse an präventiven Veranstaltungen. Auch HIV und AIDS brachten neue Herausforderungen mit sich. Die Drogenberatungsstelle zog in die Bolandsgasse um und erweiterte ihr Angebot. 1989 wurde unter der Trägerschaft des Drogenhilfezentrums Indro e.V. ein niedrigschwelliges Kontaktcafé an der Herwarthstraße eröffnet.
In den 1990er-Jahren passte sich die Drogenberatung neuen Zielgruppen an und verbesserte die Rahmenbedingungen. Ein offener Treff entstand an der Grevener Straße, das „Frühstücksangebot“ wurde zu einem regelmäßigen Treffpunkt, und ein „Frauencafé“ wurde ins Leben gerufen. 1993 erfolgte der Umzug der Drogenhilfe in die Räumlichkeiten an der Schorlemerstraße, wo sie bis heute ihren festen Standort hat. Gleichzeitig entstanden neue Herausforderungen: Ecstasy geriet vermehrt in den Fokus, und Münster entwickelte sich in der Mitte des Jahrzehnts zu einer Techno-Hochburg. Weitere Drogen kamen auf den Markt, und die Drogenhilfe entwickelte neue Formen der Beratung. 1996 wurde die Szeneinitiative „eve & rave“ gegründet, um Aufklärung zu betreiben. Seit 1999 ist ihr Angebot fest in die Suchtprävention und das Konzept der Drogenhilfe integriert.
Die Herausforderungen im neuen Jahrtausend
Die 2000er-Jahre brachten eine Trendwende: Ecstasy, Speed und Amphetamine wurden beliebter, der Konsum von Heroin ging zurück. 2001 öffnete der erste Drogenkonsumraum Nordrhein-Westfalens in Münster, in den Räumlichkeiten von Indro am Bremer Platz. Der Konsum in der Öffentlichkeit und die Zahl der Drogentoten verringerten sich in den folgenden Jahren deutlich. Die Suchtprävention gewann an Bedeutung. Der problematische Alkoholkonsum und die Diskussion um „Alkopops“ führten zur Kampagne „Voll ist out“, die seit 2004 fester Bestandteil der Suchtprävention der Drogenhilfe ist.
Steigender Cannabiskonsum ab 2010
Die steigende Anzahl von Cannabiskonsumenten in den 2010er-Jahren führte dazu, dass die Drogenhilfe Maßnahmen ergriff, darunter die Gründung des Arbeitsbereichs Jugendsuchtberatung. 2010 startete das Gruppenangebot FreD (Frühintervention bei erstauffälligen Drogenkonsumenten) für jugendliche Straftäter, die erstmalig in Verbindung mit Drogenkonsum auffällig wurden. Eine entscheidende Veränderung erfolgte 2015: Erstmals suchten mehr Menschen wegen Cannabiskonsums als wegen Opioidkonsums Hilfe. In den letzten Jahren stieg der Anteil der Cannabis-Beratungen auf 65 Prozent im Jahr 2022, und die Konsumenten werden zunehmend jünger.
Die Jahre 2020 bis 2022 waren von der Corona-Pandemie überschattet. Präventions- und niedrigschwellige Angebote wurden stark eingeschränkt. Bis zu 70 Prozent der Kontakte im suchtbegleitenden Bereich brachen ab, und in der Beratung waren es bis zu 30 Prozent. Im Jugendbereich verlagerte sich der Konsum zwangsläufig ins häusliche Umfeld. Aufgrund untersagter Partys und Großveranstaltungen gab es weniger Möglichkeiten zum Konsum, was zu einer höheren „Sichtbarkeit“ aufgrund engerer familiärer Zusammenkünfte führte.
Neue Herausforderungen im 50. Jahr der Drogenhilfe
Die Auswirkungen der Pandemie seien sowohl in der Erwachsenen- als auch in der Jugendberatung bis heute spürbar. Neue Zielgruppen und sich wandelnde Rahmenbedingungen stellen die Drogenhilfe auch im 50. Jahr ihres Bestehens vor Herausforderungen. Die geplante Legalisierung von Cannabis berge zwar viele Chancen für die Suchtprävention, könne jedoch von jungen Menschen als falsches Signal hinsichtlich der Gefährlichkeit dieser Droge interpretiert werden, warnt Georg Piepel. Daher werde es entscheidend sein, den Fokus auf die „Jugendsuchtberatung“ und den Fachdienst Suchtprävention zu legen und sie noch stärker an aktuellen Bedürfnissen auszurichten.
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